Bestand

Ehegericht (Bestand)


Inhalt und Bewertung
Das Ehegericht, als Institution 1541 erstmals nachweisbar, setzte sich aus fünf oder mehr Oberräten und zwei Theologen zusammen, die unter Vorsitz des Kanzlers tagten. Ein ständiger Sekretär führte die Kanzlei- und Registraturgeschäfte.
Die Registratur kam nach 1806 an das Obertribunal. Als man dieses im Jahre 1878 zum Oberlandesgericht umbildete, wurden die älteren Akten zum größten Teil vernichtet und der als erhaltenswert geltende Teil dem Staatsfilialarchiv Ludwigsburg übergeben. Hier entstand zunächst ein Mischbestand unter der Bezeichnung "Württembergisches Hofgericht" (A 264). 1964/65 wurden die Provenienzen getrennt und dabei auch vorliegender selbständiger Bestand gebildet.
Die Gerichtsakten sind chronologisch gegliedert.

I: Bei der Umbildung des Obertribunals in das Oberlandesgericht Stuttgart im Jahre 1878 fand eine Aussonderung aller älteren Akten statt. Der größte Teil der Akten wurde dabei vernichtet, nur ein kleiner, noch rund 10 lfd. m, galt als erhaltenswert und gelangte ungeordnet und unverzeichnet in das damalige Staatsfilialarchiv Ludwigsburg. Dr. K.O. Müller ordnete und verzeichnete im Jahre 1920 dieses Material zum ersten Mal. Er unterschied dabei drei Provenienzen, Hofgericht, Ehegericht und Regierungsrat (Oberrat) als Revisions- und Schiedsinstanz, die er als drei gleichberechtigte Abteilungen in einem einzigen Bestand und in einem Repertorium vereinigte. Der Bestand erhielt in der gedruckten Bestandsübersicht von 1937 die Signatur A 264 und die Hauptbezeichnung "Württ. Hofgericht", während das Ehegericht und das Revisionsgericht als "Anhänge" bezeichnet wurden. Im Zusammenhang der Neubearbeitung der altwürttembergischen Bestände wurde diese mehr oder minder zufällige Bestandseinheit aufgelöst. Daraus ergaben sich in der Reihenfolge der Signaturen folgende neue Bestände und Bezeichnungen: A 230 a Württ. Oberrat als Revisions- und Schiedsinstanz (= Abteilung III des bisherigen Mischbestands A 264, vergrößert um die hierher gehörigen Büschel aus Abteilung I); A 238 a Württ. Ehegericht in Stuttgart (= Hauptteil der Abteilung II des bisherigen Mischbestands A 264); A 264 Württ. Hofgericht in Tübingen (= Abteilung I des bisherigen Mischbestands A 264, verringert um einige nicht hierhergehörige Büschel, die dem neuen Bestand A 230 a einverleibt wurden); D 69 Oberjustizkollegium 2. Senats in Stuttgart, III. Ehesachen (= alle Akten der Abteilung II des bisherigen Mischbestands A 264 aus den Jahren 1806-1810); E 308 II Obertribunal in Tübingen, Dispensationen in Ehesachen (= all Akten der Abteilung II des bisherigen Mischbestands A 264 aus der Zeit von 1810-1822).

II: Das württembergische Ehegericht in Stuttgart bestanbd von 1541 bis 1806. Das älteste überlieferte Urteil ist vom 2. Juni 1541 datiert, das Ehegericht dürfte nur wenig früher eingesetzt worden sein (vgl. A 238 a Band 1* Bl. 2; Band 3* S. 289). Die Tätigkeit des Ehegerichts wurde durch das Organisations-Manifest vom 18. März 1806 beendet, dessen § 43 das neuerrichtete Oberjustizkollegium zweiten Senats für Ehesachen fortan als zuständig erklärt (Regierungsblatt 1806 S. 14), spätestens aber zufolge des § 33 der Instruktion für den zweiten Senat des Oberjustizkollegiums vom 4. Mai 1806 (Regierungsblatt 1806 S. 41). Die Behördengeschichte des Ehegerichts, vor allem seine Tätigkeit behandelt der Aufsatz von Günther Erbe: Das Ehescheidungsrecht im Herzogtum Württemberg seit der Reformation (in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte Band 14, 1955, S. 95-144, insbesondere S. 108-118). Die Entstehungsgeschichte und das 16. Jahrhundert sind darin ausführlich berücksichtigt, das 17. und 18. Jahrhundert nur in großen Zügen, das Ende des Ehegerichts und die Neuregelung seit 1806 gar nicht. Heranzuziehen sind deshalb auch das Buch von Carl Georg Wächter, Handbuch des im Königreich Württemberg geltenden Privatrechts, I. Band 2. Abteilung: Geschichte, Quellen und Literatur des Württembergischen Privatrechts, Stuttgart 1842, S. 833-834, sowie das bereits genannte Organisations-Manifest vom 18. März 1806 und die Instruktion für den zweiten Senat des Oberjustizkollegiums vom 4. Mai 1806 (Regierungsblatt 1806 S. 14 und 41).

III: Der neugebildete Bestand 238 a umfaßt mit 3 Bänden und 199 Büscheln (zusammen rund 1 lfd. m) den Hauptteil der Abteilung II des Alten Mischbestands A 264. Die nach dem 18. März/4. Mai 1806 entstandenen Akten wurden als nicht mehr zum altwürttembergischen Ehegericht gehörig in die gleichfalls neugebildeten Bestände D 69 III und E 308 II übernommen. Ferner wurde als nicht dazugehörig ein Ehescheidungsprozeß aus der reichsstädtischen Zeit von Schwäbisch Hall (alte Signatur: A 264 Büschel 176) dem Bestand D 1 einverleibt (neue Signatur: D 1, Oberlandesregierung Ellwangen, Nachtrag IV zu Rebrum 52, Ehegericht, Büschel 1). K.O. Müller legte die Fälle nach der alphabetischen Reihenfolge der Ämter bzw. Oberämter zusammen, innerhalb jedes Amts/Oberamts ungefähr chronologisch. Nur die Schriftstücke allgemeinen Inhalts wurden genauer, die wenigen Fälle mit mehr als vier Schriftstücken einzeln mit Angabe der Personen und Orte verzeichnet; bei der Hauptmasse der Fälle wurden weder Sachen noch Personen und Orte berücksichtigt. Zur besseren Erschließung des Bestandes wurde bei der Neuverzeichnung von diesen Grundsätzen abgegangen. Aufgenommen wurden jetzt für jeden Fall die am jeweiligen Verfahren beteiligten Hauptpersonen, deren Herkunfts- oder Aufenthaltsorte sowie der Anlaß des Verfahrens. Auch ältere Beweis-Beilagen wurden entsprechend bearbeitet. Dabei zeigte sich, daß eine ganze Reiche von Fällen mit an sich kaum belangvollen Ehegerichtsverfahren nur deshalb erhalten geblieben ist, weil sie Herzoglich Württembergische Rechte gegenüber anderenTerritorien oder sonstigen Inhabern von Rechtstiteln betrafen. Derartige Rechtsfragen wurden erschöpfend hervorgehoben; K.O. Müller hatte sich mit einigen Fällen begnügt. Eine Verzeichnung der Personen- und Ortsnamen und der Prozeßgegenstände, die in den in den Bänden 1*, 2* und 3* enthaltenen Urteilsabschriften vorkommen, war nicht möglich; die Zahl der Urteile dürfte sich auf mehrere Hundert belaufen. Die Akten sind fortlaufend chronologisch geordnet. Der Quellenwert dieses Bestandes liegt wohl weniger in der Überlieferung genealogischer Nachweise, namentlich durch die zahlreichen Skortationen meist für einfachere Bevölkerungsschichten, als in den - trotz des fragmentarischen Charakters dieses Registraturgutes - für Untersuchenungen auf dem Gebiet des evangelisch-lutherischen Eherechts und seiner Entwicklung in Württemberg von 1541 bis 1806 recht aufschlußreichen Akten. Auf die sozial- und kulturgeschichtliche Bedeutung mehrerer Fälle kann hier nur kurz hingewiesen werden. Die Akten dieses Bestands wurdem vom Unterzeichneten in der Zeit vom Oktober 1964 bis März 1965 neu verzeichnet und geordnet. Ludwigsburg, Juli 1965 Dr. Facius

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 238 a
Umfang
200 Büschel, 3 Bände

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Weltliche Zentralbehörden >> Oberrat (Regierungsrat)
Verwandte Bestände und Literatur
Günther Erbe, Das Ehescheidungsrecht im Herzogtum Württemberg seit der Reformation, in: Zeitschrift f. württ. Landesgeschichte, Bd. 14, 1955, S. 95-144

Bestandslaufzeit
1541-1806

Weitere Objektseiten
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Landesarchiv Baden-Württemberg. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1541-1806

Ähnliche Objekte (12)