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liebe darya, ich habe deinen brief hierher...

Brief in der Mitte geteilt
Transkription: Dessau 11 Okt 25 mariannenstrasse 32 I links b/sander Lieb Darya, ich habe deinen Brief hierher nachgeschickt bekommen, denn ich habe mich jetzt in dieser Insdustriestadt niedergelassen, wo das Bau- Haus einer rosigen Zukunft entgegengehen soll. Die Russen und die Ungarn sind aber mehr geschätzt am Bauhaus als die Deutschen, weshalb meine Lage hier keineswegs rosig ist. Ja, die Deutschen sind ein weitherziges Volk, ich lebe von Hoffnungen und schönen Worten und bekomme an Gehalt etwa soviel wie ich Frau Dr. Geisler entrichten sollte. Ich bekam von Frau Dr. Geisler keine Antwort auf einen Brief, worin ich ihr die jetzige Lage dass ich anderwärts in einer weit besseren Stellung gelandet wäre, so dass das Problem Leonid nicht auftauchen hätte brauchen. Es ist wie ge- sagt nur die Hoffnung geblieben. Es fiel mir deshalb ein Stein vom Herzen, dass für Leonid fürs Erste gesorgt ist: ich werde weiterhin tun was ich irgend kann. Aber wann? In der Juryfreien hängen wieder 10 Bilder von mir. Verkauf sie wenn du kannst: oder seh sie dir wenigstens an. Bis jetzt musste ich dafür nur zahlen: Frachten, Gebühren etc. die Maler sind ja ein so sonderbares Volk, das zahlen muss, um seine Arbeit überhaupt zeigen zu dürfen. Meine Bilder aus Russland habe ich bis heut nicht zurück erhalten. Von der I.A.E. von Johannsen, keine Antwort mehr. Über das Alphabet der Analphabetin freue ich mich sehr und wünsche Aus- dauer und Erfolg. Leonid hatte ich diesen Sommer 2mal in E. besucht und fand ihn gut ent- wickelt/. Trotz dem Kitschsalon. So übel war meine mutter in Schwaben vor 40 Jahren nicht eingerichtet, ich hätte dagegen protestiert. Sie hatte auch keine Kinderschule. Ich hatte nur Kinderschuhe, aus denen heraus sich das Genie dann Bahn brach wie du siehst, so wird auch Leonid tun, und da er mir nachschlägt, Trotzdem. Ich gestehe auch gern, dass ich mich aus Trotz gegen die Umwelt und bestehendes entwickelt habe. Du behältst also recht, schon weil der Klügere nachgibt. - Falls ihr die Bildchen noch nicht kennt besitzt, dürft ihr sie behalten. Carl war in Weimar, um seine Hütte dort abzubrechen. Er lebt und arbeitet zwischen Bergen bei den sieben Zwergen in Berchtesgaden. Leider sind die freundlichen Brüder damit getrennt. Ich ahabe hier die Aufgabe, eine experimentielle Bühne zu machen und suche Mitarbeiter. Wenn keine kommen bin ich mein eigener Mitarbeiter, ich wer- de aber das gesammte Theater aus dem Sattel heben. Die Volksbühne hat sich einen Schaufensterdekorateur engagiert und braucht mich nicht mehr, meine künstlerischen Forderungen waren zu hoch. Infolge- dessen kann ich nur zum Vergnügen oder wenn ich ein Bild verkaufe nach Berlin kommen, das von hier nur 2 Stunden entfernt ist. Vielleicht werde ich Nachricht geben. Sei mit Lola herzlich gegrüsst Oskar Ich habe sehr nach Dir gefahndet, nach einer Adresse. Sah Dich in Wien auf dem Kongress erschlagen, dann in einem Nordseebad, dann in Palästina. " Das Verschwinden von zwei Lebenden Personen" ist Dir glänzend geglückt!

Collection
Archiv Oskar Schlemmer
Inventory number
AOS 2013/1,65
Material/Technique
Papier; maschinenschriftlich

Event
Herstellung
(who)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Dora Yekimovsky (1890 - 1972)

Rights
Staatsgalerie Stuttgart
Last update
28.03.2025, 12:10 PM CET

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