Bestand

Wirtschafts- und Ernährungsamt (Bestand)

Erschließungszustand, Umfang: Findbuch (1995)
3 lfm

Verwandte Verzeichnungseinheiten: Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe; Hauptamt; NSA XXII 17a;
Ausschüsse der Bürgerschaft

Vorwort: 1.Behördengeschichte

Wirtschaftsämter und Ernährungsämter wurden beim Ausbruch des 2. Weltkrieges von der Reichsregierung eingerichtet, um die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern der gewerblichen Wirtschaft und mit Lebensmitteln sicherzustellen.

Nach den Durchführungsverordnungen zur Verordnung über die Wirtschaftsverwaltung vom 27.8.1939 (Reichsgesetzblatt S.1495ff) sollten in kreisfreien Städten je ein Stadtwirtschafts- und ein Stadternährungsamt eingerichtet werden.

Die Stadtwirtschaftsämter sollten die Bevölkerung mit bewirtschafteten gewerblichen Waren, wie z.B. Textilien, Lederwaren, Brennstoffen, Tabak, versorgen. Die Ernährungsämter wurden in zwei voneinander organisatorisch unabhängige Abteilungen gegliedert. Die Abteilung A war für die Sicherstellung der Lebensmittelproduktion und -ablieferung zuständig. Sie lag bei der Kreisbauernschaft. Abteilung B des Ernährungsamtes sollte den Bedarf an Lebensmitteln ermitteln und die Verteilung an die Bevölkerung überwachen. Dafür sollten in den kreisfreien Städten Stadternährungsämter geschaffen werden.

In Lübeck wurden entgegen diesen Verordnungen ein gemeinsames Wirtschafts- und Ernährungsamtes eingerichtet, das die Aufgaben des Stadtwirtschaftsamtes und die der Abteilung B des Ernährungsamtes übernahm. Zwar wurde innerhalb des Amtes weitgehend zwischen Ernährungsamt und Wirtschaftsamt unterschieden, doch gab es Abteilungen, wie z.B. die Revisionsabteilung, deren Aufgaben sich auf beide Ämter bezogen.

Das Wirtschafts- und Ernährungsamt war direkt dem Bürgermeister unterstellt. Aufsichtsbehörde war für den gewerblichen Sektor das Landeswirtschaftsamt, für den landwirtschaftlichen das Provinzial- (später Landes-) ernährungsamt (beide in Kiel).

Die Abgabe der Waren an den Handel und den Verbraucher erfolgte über Bezugsscheine (Lebensmittelkarten, Kleiderkarten für Textilien u.s.w.) Die Karten wurden in einer der etwa 50 Ausgabestellen, die einer der bis zu 14 Außenstellen ( Bezugsscheinstellen) des Wirtschafts- und Ernährungsamtes unterstellt waren, ausgegeben.

Das Wirtschafts- und Ernährungsamt in Lübeck versorgte im übrigen auch die Gemeinde Krummesse, Kreis Herzogtum Lauenburg, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gab.

Auch nach Ende des Krieges blieb das Amt in seiner Organisation weitgehend bestehen, um die Versorgungsanlage zu sichern. Es übernahm auf Anweisung der Militärregierung jetzt auch die Aufgaben der Abteilung A des Ernährungsamtes. Diese Aufgaben musste das Amt im Dezember 1948 an das Kreislandwirtschaftsamt abgeben. Die Versorgungslage wurde hauptsächlich wegen des durch den Flüchtlingsstrom ausgelösten Ansteigens der Bevölkerungszahl von etwa 154.000 im Jahr 1939 auf 250.000 Einwohner 1945 bei gleichzeitiger Verringerung der Vorräte immer schwieriger. So mussten z.B. Notspeisungen eingerichtet werden.

Die vom Nazi-Regime verfolgten und verschleppten Personen wurden auf Anweisungen der Militärregierung bevorzugt behandelt. Gleichzeitig mussten der Schwarzmarkt bekämpft, Vorratslager geschützt, die Wirtschaft aufgebaut und Lebensmittelkarten auch für die umliegenden Kreise gedruckt werden. Das Wirtschafts- und Ernährungsamt reagierte hierauf mit einer ständigen Umorganisation in den Abteilungen.

1948 wurde das Amt als Abteilung in die Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe eingliedert.

Bei der Währungsreform übernahmen die Ernährungsämter in den westlichen Zonen die Auszahlung der Kopfquoten. Nach der Währungsreform verbesserte sich die Versorgungslage spürbar, so dass immer weniger Güter bewirtschaftet werden mussten. Das Wirtschafts- und Ernährungsamt konnte am 31.12.1949 alle Außenstellen bis auf die in Travemünde schließen. Am 01.04.1950 wurde das Wirtschafts- und Ernährungsamt aufgelöst. Die Büroräume im Johanneum, in die das Amt nach dem Luftangriff von 1942 aus der Mengstr. 42 gezogen war, konnten der Schule wieder übergeben werden.
Die Restaufgaben (hauptsächlich Treibstoffbewirtschaftung) übernahm eine Abteilung in der Verwaltung für Handel, Schifffahrt undGewerbe (für Travemünde die dortige Außenstelle des Ordnungsamtes).


Literatur: Verwaltungsbericht der Hansestadt Lübeck 1937-1951, hrsg. vom Statistischen Amt, S. 117-120, Lübeck (ohne Jahr); Kurt A. Jeserich (Hrsg), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band IV, Stuttgart 1985

Quellen: AHL, Hauptamt (Erwerb 2/1970), N1, W 21 - W 2IIb; Neues Senatsarchiv XXXII 17a; Ausschüsse der Bürgerschaft 20.1


2. Leiter des Wirtschafts- und Ernährungsamtes

1939-1945 Heinrich Wulff
1945-1946 Heinrich Freiherr von Biel
1946-1948 Ernst Reichelt (ab 1948 Leiter der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe)
1948-1949 Karl Gläser (1946-1948 Leiter des Ernährungsamtes)
1949-1950 Erich Ott


3. Bestandsgeschichte


Übernahme in das Archiv

Die Akten des Wirtschafts- und Ernährungsamtes wurden in vier Ablieferungen (7/1950; 5/1953; 27/1977) an das Archiv von der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe abgegeben.
Die Ablieferungen hatten insgesamt einen Umfang von 4,5 Metern. Den größten Anteil nahm dabei die Ablieferung von 1950 ein (ca. 4 Meter).

Nach Absprache mit dem Archiv wurden 1950 fast ausschließlich Generalakten übergeben, Spezialakten und Karteien wurden zur Kassation freigegeben (siehe Aktenvermerke Tagebuchnr. 100/1950 und 414/1950).

Die Akten der späteren Ablieferungen wurden nach Auflösung des Wirtschafts- und Ernährungsamtes aus rechtlichen Gründen oder für die Restaufgaben noch in der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe benötigt. Sie wurden, als sie im laufenden Geschäftsgang nicht mehr benötigt wurden, nahezu komplett übernommen.
Schon vor dieser Verzeichnung wurden die ans Archiv abgegebenen Karteien vernichtet.

Zeitlicher Umfang und vorarchivische Vernichtung

Beim Luftangriff vom 28./29. März 1942 brannten die Diensträume des Wirtschafts- und Ernährungsamtes und damit die Registratur im Gebäude Mengstr 42 aus.
Aus der Zeit vor dem Luftangriff liegen nur noch Runderlasse, Dienstanweisungen und ähnliches von übergeordneten Dienststellen vor.

Im Mai 1945 wurde das Johanneum, das seit dem Luftangriff 1942 das Wirtschafts- und Ernährungsamt beherbergte, für die britischen Truppen als Quartier benutzt.
Hierbei gingen weitere Akten verloren.

Das Wirtschafts- und Ernährungsamt vernichtete in den ersten Nachkriegsjahren Akten und Karteien, bei denen die Aufbewahrungsfrist abgelaufen war, ohne Anbietung an das Archiv, um sie dem Rohstoffkreislauf zukommen zu lassen.

Der Bestand umfasst einen Zeitraum von 1940 - 1955. Das Schwergewicht liegt in der Zeit 1946 - 1949.


4. Methode der Ordnung und Verzeichnung

Die Akten der Ablieferungen 5/1951, 1/1953 und 27/1977 sind erst nach Auflösung des Wirtschafts- und Ernährungsamtes in der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe geschlossen, teilweise sogar erst angelegt worden. Diese Akten wurden, sofern sie sich auf die Aufgaben des Wirtschafts- und Ernährungsamtes bezogen, in die Ablieferung von 1950 eingereit und mit diesen Akten zusammen verzeichnet.

Ein Aktenplan ist vom Wirtschafts- und Ernährungsamt nicht überliefert worden.
Aus der Ablieferungsliste zum Erwerb 7/1950 geht hervor, dass die Akten nach einem komplizierten alphabetischen System abgelegt worden sind. Dabei waren Akten des Ernährungsamtes und auf beiden Ämter übergreifende Akten getrennt von denen, die die Aufgaben des Wirtschaftsamtes betrafen.

Um ein Auffinden schnell möglich zu machen. musste der Bestand neu geordnet werden. Es wurden drei Hauptgruppen gebildet:

- Gemeinsame Aufgaben von Wirtschaftsamt und Ernährungsamt
- Aufgaben des Ernährungsamtes
- Aufgaben des Wirtschaftsamtes

Darunter wurden die Akten in Anlehnung an den Geschäftsverteilungsplan von 1945 (siehe Nr. 1 dieses Bestandes) nach inhaltlichen Gesichtspunkten geordnet.

Bedingt durch das komplizierte System war eine richtige Zuordnung in der Registratur nicht immer möglich.
Dadurch sind in der Registratur Vorgänge in Akten mit Titeln wie " Verschiedenes, Allgemeines, Einzelnes" gelegt worden, auch wenn es dem zu Vorgang eine Betreffakte gab. Diese Akten wurden bei der Verzeichnung aufgelöst, die Schriftstücke in die jeweilige Betreffakte eingeordnet. Für Vorgänge gleichen Betreffs, für die es keine Betreffakten gab, wurden neue Verzeichnungseinheiten gebildet.

Akten, die mengenmäßig oder inhaltlich zu umfangreich waren, wurden geteilt, sofern dies die innere Ordnung nicht völlig zerstörte.

Aus den Akten wurden Doppelstücke heraus entfernt. Erlasse, Dienstanweisungen und ähnliches wurden in den Akten belassen. Total kassiert wurden Akten, deren Inhalt sich nicht spezifisch auf Lübeck bezog.

Die Sitzungsniederschriften des Benzinverteilungsausschusses wurden in den Bestand "Ausschüsse der Bürgerschaft" (Nr. 47) eingeordnet.

Die Aktentitel, die meist nur aus einem Schlagwort bestanden, mussten - gegebenenfalls durch Enthält - Vermerke - präzisiert werden.
Für abweichendes Dokumentationsgut wurde anstatt von "Darin" oder "Intus" der Vermerk "Enthält auch" gewählt".

Die Verzeichnungseinheiten wurden laufend durchnummeriert.

Der Bestand umfasst jetzt drei Regalmeter.

Lübeck, im Juli 1995

Hans - Henning Freitag


Die Verzeichnungseinheiten des Bestandes Wirtschafts- und Ernährungsamt sind durch Frau Ilka Reinke in eine Datenbank aufgenommen worden.

Lübeck, den 14. November 2006

Meike Kruse


Eingrenzung und Inhalt: Lebensmittelkarten, Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Lebensmittelzulagen, Textil- und Schuhbewirtschaftung, Energiebewirtschaftung

Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben: Nach der Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Wirtschaftsverwaltung vom 27. Aug. 1939 sollten in kreisfreien Städten je ein Wirtschafts- und Ernährungsamt eingerichtet werden. Entgegen dieser Verordnung wurde in Lübeck ein gemeinsames Wirtschafts- und Ernährungsamt eingerichtet. Das Amt war direkt dem Oberbürgermeister unterstellt, Aufsichtsbehörden waren das Landeswirtschaftsamt (für den gewerblichen Sektor) und das Provinzial- (später Landes-) Ernährungsamt (für den landwirtschaftlichen Sektor). Aufgabe des Amtes war die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung (z. B. Ausgabe von Bezugsscheinen), welche auch nach Kriegsende weitergeführt werden musste. Die sich ständig ändernde politische und wirtschaftliche Situation in dieser Zeit schlug sich in ständigen Umorganisationen des Amtes nieder. 1948 wurde das Amt als Abteilung in die Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe eingegliedert. Infolge der verbesserten Versorgungslage wurde das Amt am 1. April 1950 aufgelöst, Restaufgaben übernahm eine Abteilung in der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe.

Die Akten des Wirtschafts- und Ernährungsamtes wurden in vier Ablieferungen zwischen 1950 und 1977 dem Archiv der Hansestadt Lübeck übergeben. Vor allem durch den Luftangriff 1942 und durch spätere eigenmächtige Kassationen im Amt sind große Aktenverluste zu beklagen.

Bestandssignatur
04.08-0/1

Kontext
Archiv der Hansestadt Lübeck (Archivtektonik) >> 04 Gemeindevertretung und Behörden nach 1937 >> 04.08 Wirtschaft und Verkehr

Bestandslaufzeit
1940-1955

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Letzte Aktualisierung
30.06.2025, 10:12 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1940-1955

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