Bestand
Militärischer Nachlass Dr. Ernst Haußer, Leutnant, Unternehmer, Verbandsfunktionär *1894 +1967 (Bestand)
1. Zur Biographie Dr. Ernst Haußers: Ernst Friedrich Haußer wurde am 30. März 1894 als Sohn des Kutschers Wilhelm Haußer (gest. 21. Dezember 1917 in Pforzheim) und der Wilhelmine Haußer, geb. Müller (gest. 28. Dezember 1918 ebendort), in Pforzheim geboren. Nach der Volksschule (1900-1903) besuchte er die Oberrealschule in seiner Geburtsstadt (1903-1912). Seine Schulausbildung schloss Haußer im Jahr 1912 mit dem Abitur ab. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Heidelberg (1912-1913) und München (1913-1914). Am 2. August 1914 trat Haußer als Kriegsfreiwilliger beim 4. Württembergischen Feldartillerie-Regiment Nr. 65 ein. Am 19. September 1914 rückte er ins Feld. Mit dem Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 29, das der 28. Reserve-Division zugehörte, war Haußer bis September 1915 an verschiedenen Frontabschnitten in der Picardie eingesetzt. Am 3. Juni 1915 wurde Haußer zum Unteroffizier, am 29. September 1915 zum Wachtmeister und zum Offiziersaspirant befördert. Als im Oktober 1915 das Württembergische Gebirgsbataillon formiert wurde, trat Ernst Haußer zu dieser Einheit über. Er war Zugführer in der zweiten, später in der ersten Kompanie. Als Gebirgsschütze war Ernst Haußer an der Vogesenfront im Oberselsaß (Reichsackerkopf, Hilsenfirst und Hartmannsweilerkopf) und von Oktober 1916 bis Februar 1917 an der rumänischen Front (Targu Jiu, Argesul, Rimnicul Sarat, Schlacht an der Putna) eingesetzt. Am 7. August 1916 wurde er zum Leutnant befördert. Während des zweiten Einsatzes des Gebirgsbataillons auf dem rumänischen Kriegsschauplatz im August 1917 wurde Haußer in den Gefechten am Deal Cosna am 11. August 1917 durch einen Bauchschuss schwer verwundet und anschließend im Reservelazarett in Zwickau behandelt. Kurz darauf erkrankte Haußer und war von Oktober 1917 bis Februar 1918 im Reservelazarett in Pforzheim untergebracht. Ab Februar 1918 gehörte Haußer dem Ersatz-Gebirgsbataillon an. Er wurde am 23. April zur 3. Ersatzkompanie versetzt. Im Zuge der Demobilisierung schied Haußer am 16. Dezember 1918 aus dem Heer aus. Ernst Haußer war Träger des Friedrich-Ordens mit Schwertern (25. Februar 1917) und des Eisernen Kreuzes Zweiter (09. Juli 1915) und Erster Klasse (21. Januar 1917). Während seines Einsatzes als Gebirgsschütze lernte Haußer den späteren Generalfeldmarschall Erwin Rommel (1891-1944) kennen, der ab Oktober 1915 Kompanie- und Abteilungsführer beim württembergischen Gebirgsbataillon war. Haußer war zeitweise - so im August 1917- Adjutant Rommels. Beide verband bis zum Kriegsende eine enge soldatische Kameradschaft. Im Anschluss an seine Promotion zum Dr. jur. im Jahr 1920 zog Ernst Haußer nach Heilbronn, wo er im Mai 1920 seine erste Ehefrau Luise, geb. Marquardt, heiratete. Dr. Haußer übernahm die Betriebsführung der familieneigenen Firma, die Sportartikel herstellte. 1923 gründete er eine Aktiengesellschaft. Über zwei Jahrzehnte lang war Dr. Haußer Obmann der Fachabteilung Wintersport im Reichsbund der Turn- und Sportgeräte-Industrie; während des Zweiten Weltkriegs war er auch mit der Leitung des Ausschusses "Skigerät" beauftragt. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war Dr. Haußer fast zehn Jahre lang Erster Vorsitzender des Bundesverbandes der Sportartikel-Industrie. Seine unternehmerische Tätigkeit in der Sportindustrie und sein Wirken als Funktionär waren für Dr. Haußer nicht nur Beruf, sondern Berufung. Sie verbanden ihn über das Jahr 1919 hinaus indirekt mit seinem Einsatz im Gebirgsbataillon. Auch außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit blieb Dr. Haußer durch seine Mitgliedschaft im "Verein Württembergischer Gebirgsschützen e.V." eng mit dem früheren Bataillon bzw. Regiment verbunden.
Dr. Haußers ältester Sohn Ernst-Erich (12. Mai 1921-18. November 1941) war im Zweiten Weltkrieg ebenfalls als Gebirgsjäger eingesetzt. In seiner Funktion als Gruppenführer im Mittenwalder Gebirgsjäger-Regiment fiel er Ende 1941 in Russland. Während des Zweiten Weltkriegs hatte Dr. Ernst Haußer weitere Schicksalsschläge zu verkraften: Seine Ehefrau Luise starb am 27. Juli 1944 an den Folgen einer Krebserkrankung. Dr. Haußers Tochter Marie-Luise (27. Juni 1923-06. April 1945) hatte ursprünglich ein Studium der Sportphilologie angestrebt, war nach dem Tod ihres älteren Bruders jedoch entschlossen gewesen, ihn im familieneigenen Betrieb zu ersetzen. Nach dem Abitur wurde sie zum Reichsarbeitsdienst herangezogen, pflegte zeitweise ihre kranke Mutter und kam im April 1945 bei einem Bombenangriff in Heilbronn ums Leben. Dr. Haußers jüngster Sohn Hans (06. Januar 1926-13. Dezember 2010) kehrte 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause. Am 14. Mai 1949 heiratete Dr. Ernst Haußer Sigrid Schulze, geb. Pein. Die von Sigrid Haußer mit in die Ehe gebrachte Tochter Gisela (geb. 29. Juni 1945) adoptierte er. Die Familie zog im Jahr 1959 nach Dortmund. Da Hans Haußer es ablehnte, die Betriebsleitung der familieneigenen Firma in Heilbronn zu übernehmen und nach seinem Studium der Rechtswissenschaften stattdessen als Richter arbeitete, stellte die Firma Adolf Marquardt KG im Dezember 1958 die Produktion ein. In Dortmund übernahm Dr. Ernst Haußer die Betriebsleitung der Herbert Dietrich Schulze GmbH, eines Ziegelwerks. Nachdem ihr erster Ehemann Herbert Schulze zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gefallen war, hatte Sigrid Haußer den familieneigenen Betrieb alleine geführt. Durch die industriellen Erfahrungen Dr. Haußers konnte das Unternehmen in der Nachkriegszeit weiter ausgebaut werden, sodass es zeitweise zur größten Ziegelei in Westfalen avancierte. Die Herbert Dietrich Schulze GmbH & Co. besteht noch heute als Spezialfirma für Styropor in Dortmund. Dr. Ernst Haußer verstarb am 4. November 1967.
2. Zum Nachlass Dr. Ernst Haußers: Der Bestand M 660/346 umfasst vor allem die Kriegstagebücher Dr. Ernst Haußers, mehrere Gefechtsberichte, Unterlagen zu militärischen Übungen sowie Korrespondenzen des Nachlassers mit seinen Eltern. Hinzu kommen Fotografien, die Dr. Haußers militärischen Einsatz in den Vogesen und auf dem rumänischen Kriegsschauplatz dokumentieren. Die Diarien Dr. Haußers decken die gesamte Kriegszeit ab. Der militärische Nachlass gibt in erster Linie Einblick in die militärischen Operationen des Württembergischen Gebirgsbataillons und in den Kriegsalltag in dieser Formation. Darüber hinaus spiegelt er das Selbstverständnis und die Mentalität der "Gebirgler" sowie den Zusammenhalt in der Truppe wider. Neben Unterlagen zum Ersten Weltkrieg befinden sich im Bestand auch Familienfotografien sowie in geringem Umfang Schriftgut der Firma Adolf Marquardt KG in Heilbronn. Der Bestand M 660/346 setzt sich aus Originaldokumenten und Digitalisaten zusammen. Ein Teil des militärischen Nachlasses Dr. Haußers gelangte als Schenkung seiner Enkelin, Karin Haußer-Davis, im Jahr 2017 in das Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Das Tagebuch über Haußers Studentenzeit in Heidelberg und München sowie vier Kriegstagebücher stellte Karin Haußer-Davis dem Hauptstaatsarchiv zur Anfertigung von Reproduktionen (Scans) zur Verfügung. Von Karin Haußer-Davis übergeben wurden außerdem mehrere Ausgaben der vom Gebirgsbataillon herausgegebenen Schützengrabenzeitung "Der Horchposten" sowie die nachfolgend aufgeführte militärfachliche Literatur, die der Bibliothek des Hauptstaatsarchivs eingegliedert wurden: "Der Dienstunterricht des deutschen Infanteristen" (1904), "Exerzier-Reglement für die Feldartillerie" (1914), "Der Einjährig-Freiwillige der Infanterie" (1916), "Unteroffiziersaufgaben" (1917), "Soldaten-Erziehung" (1918). Acht Kriegstagebücher Dr. Ernst Haußers sowie 2 Fotoalben, die sich im Besitz des Militaria-Sammlers Wolf-Albrecht Kainz befinden, wurden von diesem dem Hauptstaatsarchiv im März 2018 ebenfalls zu Reproduktionszwecken zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise konnte - mit Ausnahme eines verlorenen Tagebuchs - die komplette Serie der Kriegstagebücher Dr. Haußers von September 1914 bis Dezember 1918 digitalisiert werden. Die Eigentümer der in den Büscheln 1-17 überlieferten Originalunterlagen, Karin Haußer-Davis und Wolf-Albrecht Kainz, erteilten ihr Einverständnis zur Online-Stellung der angefertigten Digitalisate sowie zur Anfertigung und Abgabe von Reproduktionen. Im Oktober 2018 erschloss Archivreferendarin Rebecca Schröder unter Anleitung von Dr. Wolfgang Mährle den Bestand. Er umfasst 36 Archivalieneinheiten im Umfang von 0,5 lfd. m.
3. Quellen- und Literaturhinweise: 1. Quellen Personalakte Dr. Ernst Haußers: M 430/3 Bü 4288. Portraits von Dr. Ernst Haußer: M 703 R326N5, N6; M 711 Nr. 1688. Kriegsrangliste der Offiziere beim Württ. Gebirgs-Bataillon: M 433/2 Nr.49. 2. Sekundärliteratur Bader, Axel: Der Rumänienfeldzug 1916. Der Kriegsalltag und seine Bewältigung durch die deutschen Soldaten, in: Österreich in Geschichte und Literatur 51 (2007), S. 194-209. Bader, Axel: Das Württembergische Gebirgsbataillon. Eine Alltags- und Sozialgeschichte im Rumänienfeldzug 1916/1917, Potsdam 2006 [unveröffentlichte Magisterarbeit]. Sproesser, Theodor: Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen. Württ. Schneeschuh-Kompagnie Nr. 1, Württ. Gebirgs-Kompagnie Nr. 1, Württ. Gebirgs-Bataillon, Württ. Gebirgs-Regiment, Stuttgart 1933. Stuttgart, im Oktober 2018 Dr. Wolfgang Mährle Rebecca Schröder
- Reference number of holding
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, M 660/346
- Extent
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36 Archivalieneinheiten (0,41 lfd.m/64,5 GB)
- Context
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Militärische Bestände 1871-ca. 1920 >> Nachlässe und Sammlungen >> Nachlässe
- Indexentry person
-
L
- Date of creation of holding
-
1912-2004
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rights
-
Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Last update
-
20.01.2023, 3:09 PM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1912-2004