Text | Theaterzettel

Prolog

Prolog

Digitalisierung: DE-2208 - Thüringisches Hauptstaatsarchiv

Attribution - NonCommercial - NoDerivates 4.0 International

Location
Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar#Kunst und Wissenschaft - Hofwesen
Extent
2
Notes
Der Prolog lautet wie folgt: // Ein Schiffer, wenn er nach beglückter langer Fahrt, / An manchem fremden Ufer mit Genuß verweilt, / Und mancher schönen Früchte, landend, sich erfreut, / Empfindet erst der höchsten Wünsche Ziel erreicht, / Wenn ihm der heim'sche Hafen Arm und Busen beut. / So geht es uns, wenn wir nach manchem heitern Tag, / Den wir, an fremder Stätte, thätig, froh verlebt, / Zuletzt uns wieder an bekannter Stelle sehn, / Wo wir als in dem Vaterland verweilen; denn, / Wo wir uns bilden, da ist unser Vaterland. / Doch wie wir denken, wie wir fühlen, ist euch schon / Genug bekannt, und wie mit Neigung und Vertraun / Und Ehrfurcht wir vor euch uns mühen, wißt ihr wohl. / Darum scheint es ein Ueberfluß, wenn man mich jetzt / Hervorgesendet, euch zu grüßen, unsern Kreis / Aufs neu euch zu empfehlen. Auch erschein‘ ich nicht / Um dessentwillen eigentlich, wiewohl man oft / Das ganz Bekannte mit Vergnügen hören mag; / Denn heute hab' ich was zu bitten, habe was / Gewissermaßen zu entschuld'gen. Ja, fürwahr! / Das, was wir wollen, was wir bringen, dürfen wir / Euch nicht verkünden, da vor euren Augen sich, / Was wir begonnen, nach und nach entwickelt hat. / Als wir jedoch die nachbarliche Flur besucht / Und dort, vor einer neuen Bühne, großen Drang / Der Fremden zu gewarten hatten, die vielleicht / Der kühnen Neuerungen Wagestücke nicht / Mit günst'gen Augen sähen, unserm Wunsch gemäß: / Da traten wir zusammen, und in seiner Art / Ein jeder suchte das zu leisten, was ihm wohl / Am leidlichsten gelänge; was denn auch zuletzt / Auf Mannigfaltigkeit des Spieles, deren wir / Uns rühmen dürfen, leicht und heiter deutete. / Das ist denn auch gelungen, und wir hatten uns, / Auf manche Weise, der geschenkten Gunst zu freun. // Vielleicht nun wär' es klug gethan, wenn wir's dabei / Bewenden ließen, das, was glücklich dort gewirkt, / Weil es besonders zu dem Fall geeignet war, / Nicht wieder brächten, hier, wo es doch eigentlich / An mancher Stelle nicht gehörig passen mag. // Weil aber das Besondre, wenn es nur zugleich / Bedeutend ist, auch als ein Allgemeines wirkt, / So wagen wir, auf eure Freundlichkeit, getrost, / Euch eben darzubringen, was wir dort gebracht. / Ihr habt uns oft begleitet in die fernste Welt, / Nach Samarkand und Peking und ins Feenreich; / So laßt euch heut gefallen, in das nächste Bad / Mit uns zu wandern, nehmt bequemen Platz daselbst / In einem neuen Hause, das in kurzer Zeit, / Fast wie durch Zauberkünste, sich heraufgebaut; / Gedenkt, mit Lächeln einer alten Hütte dann, / In der ihr sonst, mit Unlust, oft die Lust gesucht; / Denn etwas Aehnlichs ist euch doch auch hier geschehn. // Und wenn ihr das, was andern zubereitet war, / Mit gutem Willen zu genießen euch entschließt, / So werdet ihr wohl manches finden, daß ihr euch / Und eurem Zustand anzueignen nicht verschmäht. / Das alles hegt in feinen Herzen, bitt' ich euch! / Und mit Gefühl und Phantasie empfanget mich, / Wenn ihr als fremde Herrn und Frauen, mir zuletzt, / Als Sachsen und als Preußen, anzureden seid. // (In: Goethes sämtliche Werke. Neu durchgesehene und ergänzte Ausgabe in sechsunddreißig Bänden. Mit Einleitungen von Karl Goedeke. Stuttgart, 1866-1868. Bd. 4. S. 254ff.)

Creator
Published
1802-09-25

Other object pages
URN
urn:nbn:de:urmel-c48a6efa-b930-4ef2-91e2-2810be8e7dff1-00047314-18
Last update
21.04.2023, 10:52 AM CEST

Data provider

This object is provided by:
Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Theaterzettel ; Text

Associated

Time of origin

  • 1802-09-25

Other Objects (12)