Bestand
Gesellschaft Spinnerei und Weberei Ettlingen (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Die 1836 in Ettlingen gegründete (Aktien-)
Gesellschaft für Spinnerei und Weberei gehörte neben der
Zuckerfabrik in Waghäusel und der Kessler'schen Lokomotivfabrik in
Karlsruhe zu den großen Unternehmen in Baden, die es unter den
Vorzeichen des Zollvereins rasch zu Erfolg brachten. Auch wenn sich
die Bedeutung des Unternehmens im Zuge der allgemeinen
Industrialisierung des 19. Jahrhunderts relativierte, blieb die
Spinnerei doch für die Albtal-Industrie und den mittelbadischen
Raum lange eine der größten und wirtschaftlich wichtigsten
Fabriken.
Das Firmenarchiv, aus dem Ludwig Schmieder
1936 noch seine Festschrift schöpfen konnte, wurde in neuerer Zeit
vernichtet. Aufgrund von Information eines Müllunternehmens
gerieten Reste in die Hände eines Kraichgauer Flohmarkthändlers,
der die Rechnungsbände einzeln verkaufte; das noch übrige
Schriftgut überließ er 2003 dem Generallandesarchiv
Karlsruhe.
Inhalt und Bewertung
Statuten, Aufsichtsrat, Generalversammlungen,
Rechnungswesen, Bilanzen und Preislisten
1. Firmengeschichte: Die
Gesellschaft für Spinnerei und Weberei Ettlingen wurde 1836 als
erste Aktiengesellschaft Bades durch Franz Buhl, das Bankhaus
Salomon von Haber und weitere 181 Aktionäre gegründet. Sie gehörte
mit der Zuckerfabrik in Waghäusel und der Kessler'schen
Lokomotivfabrik in Karlsruhe zu den drei großen Unternehmen in
Baden, die es unter den Vorzeichen des Zollvereins rasch zu Erfolg
brachten. Ihre Gründung wurde nahezu zu einer Angelegenheit des
Staates - die Direktions- und Aktionärslisten lesen sich "wie
Verzeichnisse der ersten Adressen des Großherzogtums" (Zier 1994);
dabei waren unter anderem Markgraf Maximlian von Baden und Freiherr
Leopold von Böcklin. Aktienmanagement und Organisation waren
anfangs stark vom Karlsruher Bankhaus Haber bestimmt; ein weiteres
wichtiges kreditgebendes Bankhaus war Gontard & Söhne in
Frankfurt. Im Jahr 1848 wurden diese beiden wichtigsten
kreditgebenden Banken insolvent. Daraus folgte die erste ernsthafte
Krise, die sog. Dreifabrikenfrage von 1848, in die der Staat trotz
Opposition des Landtags mit Sicherheiten einsprang.
Grundsteinlegungen der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik
Badens in der Epoche der Frühindustrialisierung gehören in diesen
Zusammenhang. Aber auch nach der Liquidation des Bankhauses Haber
gehörte die Person Max' von Haber bis 1880 noch zum Aufsichtsrat
(bzw. "Auschuß"). Auch wenn sich die Bedeutung des Unternehmens im
Zuge der allgemeinen Industrialisierung des 19. Jahrhunderts
relativierte, bleib die Spinnerei doch für die Albtal-Industrie und
den mittelbadischen Raum lange eine der größten und wirtschaftlich
bedeutendsten Fabriken.
2. Überlieferungsgeschichte:
Das Schicksal des Firmenarchivs, aus dem Ludwig Schmieder seine
Festschrift von 1936 schöpfen konnte, ist unbekannt. Wahrscheinlich
in den 1990er Jahren wurden Firmenakten "entsorgt". Auf Information
des Müllunternehmens konnte damals ein Flohmarkthändler aus dem
Kraichgau einen Teil der Kippladung übernehmen, dazu gehörten auch
die gebundenen, großen Rechnungsbände der Firma; sie wurden in den
Folgejahren einzeln verkauft. Den Aktenrest erhielt das
Generallandesarchiv Karlsruhe im Februar 2003 als Zugang 2003-7.
Auf den Umfang des originalen Schriftguts lässt sich aus dem
vorhandenen Rest nicht mehr schließen, auch bleibt offen, ob der
Hauptteil der Firmenregistratur bereits vernichtet war, als der
Flohmarkthändler dazukam.
3. Inhalt: Der vorliegende
Bestand umfasst vor allem Statuten, Unterlagen zum Aufsichtsrat,
den Generalversammlungen, Preislisten und Bilanzen. Schriftgut aus
der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fehlt. Der erhaltene Rest ist
für die Frühgeschichte des Unternehmens und für dessen Entwicklung
im Aufschwung und in den Rezessionen des Deutschen Kaiserreichs
durchaus aufschlussreich. Kleinere Blöcke von Rechnungen,
Aufsichtsratsprotokollen und Generalversammlungsakten sowie Reste
von Sachakten, wie etwa zum Steinkohlebezug, ermöglichen
exemplarische Untersuchungen. Grundbuchauszüge seit 1838
dokumentieren die rasche Ausdehnung des Firmengeländes. Die
Statutenänderungen von 1850/51 sind auch mit Vorstudien belegt.
Zusammen mit der von Babo'schen Überlieferung zur Spinnerei im
ehemaligen Kloster Frauenalb (vgl. GLA 69 von Babo) bietet der
Bestand insgesamt wertvolle Quellen für die Geschichte der
Albtal-Industrialisierung und der badischen Textilindustrie,
darüber hinaus auch für die Streuung und Bewegung von Aktien im
Kaiserreich.
4. Bearbeiterbericht: Die
Akten waren zu einem großen Teil blattweise durcheinandergeraten.
Der Händler hatte, vermutlich zum Einzelverkauf, einige Blatt auch
in Klarsichtfolien gelegt. Manche Heftungen waren aufgegangen, der
Zusammenhang hatte sich durch das vielfache Umpacken aufgelöst. Bei
der Vorsortierung im Generallandesarchiv Karlsruhe ließen sich
einige Archivalieneinheiten wiederherstellen. Die endgültige
Formierung und Klassifikation muss aber einer künftigen
Erschließung vorbehalten bleiben. Das vorliegende Kurzverzeichnis
kann nur einen ersten Überblick über das Vorhandene liefern.
Karlsruhe, im Februar 2003 Konrad Krimm Im November 2019 konnte in
einer Auktion das Hauptbuch der Spinnerei Ettlingen AG von der
Gründung 1836 an bis 1839 durch das Generallandesarchiv Karlsruhe
erworben und dem Bestand hinzugefügt werden. Bei dieser Gelegenheit
wurde das bestehende Kurzverzeichnis von 2003 konvertiert und kann
nun online recherchiert werden. Karlsruhe, im Oktober 2019 Sara
Diedrich
Literatur: Ludwig Schmieder:
Chronik der Gesellschaft für Spinnerei und Weberei Ettlingen. Ein
Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Albtals und zur Geschichte
der badischen Textilindustrie 1836-1936, Karlsruhe 1936. Hans-Georg
Zier: Die Industrialisierung des Karlsruher Raums. Ein Beitrag zur
Wirtschaftsgeschichte Badens, in: Alfons Schäfer (Hg.): Neue
Forschungen zu Grundproblemen der badischen Geschichte im 19. und
20. Jahrhundert (= Oberrheinische Studien 2), Bretten 1973, S.
335-372. Katja Noltze: Die Spinnerei und Weberei Ettlingen: ein
kunsthistorischer Beitrag zur industriearchäologischen Forschung,
Karlsruhe 1994 (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Ettlingen
12).
- Reference number of holding
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 Spinnerei Ettlingen
- Extent
-
56 Archivalieneinheiten
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nichtstaatliches Archivgut >> Archive von Anstalten, Körperschaften und Stiftungen >> Firmen >> Spinnerei Ettlingen
- Related materials
-
Ludwig Schmieder, Chronik der Gesellschaft für Spinnerei und Weberei Ettlingen. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Albtals und zur Geschichte der badischen Textilindustrie 1836-1936, Karlsruhe 1936. - Hans-Georg Zier, Die Industrialisierung des Karlsruher Raums. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte Badens, in: Alfons Schäfer (Hg.), Neue Forschungen zu Grundproblemen der badischen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert (= Oberrheinische Studien 2), Bretten 1973, S. 335-372. - Katja Noltze, Die Spinnerei und Weberei Ettlingen: ein kunsthistorischer Beitrag zur industriearchäologischen Forschung, Karlsruhe 1994 (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Ettlingen 12)
- Date of creation of holding
-
1836-1917
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
03.04.2025, 11:03 AM CEST
Data provider
Landesarchiv Baden-Württemberg. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1836-1917