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Meritokratie als Mythos, Maßstab und Motor gesellschaftlicher Ungleichheit

Die Idee der Leistungsgerechtigkeit ist eine zentrale normative Grundlage moderner Gesellschaften. Der Beitrag beschreibt Verbindungen zwischen meritokratischen Prinzipien und gesellschaftlicher Ungleichheit und leitet Schlussfolgerungen für die Ungleichheitsforschung ab. Insbesondere werden drei Aspekte angesprochen: (1) Meritokratie als Mythos: Zumindest in allgemeiner Form lässt sich empirisch eine hochgradige Zustimmung zu meritokratischen Prinzipien finden. Der Verweis auf das Leistungsprinzip ist daher auch die typische Legitimation für Ungleichheiten in modernen Gesellschaften. Vergleicht man dies mit realen Verteilungsprozessen, so erweist sich die Selbstbeschreibung der Gesellschaft und ihrer zentralen Institutionen im Sinne der Geltung meritokratischer Prinzipien aber vielfach als Ideologie. (2) Meritokratie als Maßstab: Im Modell der Leistungsgerechtigkeit tritt soziale Diskriminierung als Abweichung von diesem Maßstab zutage. Belohnungen werden dann nicht entsprechend vorliegender Leistungen verteilt. Viele Debatten und auch empirische Analysen zum Thema Ungleichheit interessieren sich für Diskriminierungsprozesse und rekurrieren dabei auf einen solchen Vergleich - wenn auch oft nur implizit. Als allgemeines, konsensuales Prinzip ist Leistungsgerechtigkeit unterbestimmt; es gibt eine Vielzahl von meritokratischen Modellen, welche höchst unterschiedliche Konsequenzen für die Ungleichheitsstruktur haben können. (3) Meritokratie als Motor gesellschaftlicher Ungleichheit: Der primäre Fokus der Bildungs- und Ungleichheitsforschung auf leistungsfremde, illegitime Diskriminierung stellt aber eine entscheidende Verkürzung dar. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage nach der Erfüllung der jeweils legitimen Leistungskriterien, über deren Institutionalisierung gesellschaftliche Gruppen Definitionsmacht erlangen können. Auch die Praxis der empirischen Messung von Leistung in der Bildungs- und Ungleichheitsforschung ist diesbezüglich kritisch zu hinterfragen. Sehr relevant ist die Frage nach den spezifischen Folgen meritokratischer Prozesse. Unbestimmtheit und Heterogenität erschweren aber die empirische Diagnose und Bewertung meritokratischer Prinzipien.

Meritokratie als Mythos, Maßstab und Motor gesellschaftlicher Ungleichheit

Urheber*in: Hillmert, Steffen

Attribution - ShareAlike 4.0 International

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Extent
Seite(n): 17
Language
Deutsch
Notes
Status: Erstveröffentlichung

Subject
Soziologie, Anthropologie
Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie
Meritokratie
Ungleichheit
Leistung
Gerechtigkeit
Legitimität
soziale Folgen

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Hillmert, Steffen
Event
Veröffentlichung
(where)
Deutschland, Tübingen
(when)
2019

DOI
URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-65845-1
Rights
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Last update
21.06.2024, 4:27 PM CEST

Data provider

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Object type

  • Konferenzbeitrag

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  • Hillmert, Steffen

Time of origin

  • 2019

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