Bestand

Friedrich von der Kohlen, Stahlwaren, In der Freiheit (Bestand)

Vorwort zum Firmenbestand Fi 45 von der Kohlen Im Jahre 1874 gründete Friedrich von der Kohlen in Gräfrath ein Handelsgeschäft mit Solinger Stahlwaren. Er war 1848 in Gräfrath geboren und scheint als Messerreider gearbeitet zu haben, ehe er sich im Handel versuchte. 1876 erwarb er an der Ecke Schulstraße/In der Freiheit ein Grundstück für ein Wohn- und Geschäftshaus. Nach dem Tode seiner ersten Frau Lisette, geb. Ruhroth, heiratete er 1884 Anna Schulte (1860-1925) aus Meschede. Sie unterstützte ihn im Geschäft und war seit 1887 für die Firma zeichnungsberechtigt. Nach dem Tod des Gründers im Oktober 1913 wurde das Geschäft von seinem Sohn Friedrich und seinem Schwiegersohn August Frigge (1876-1952) weitergeführt. Seit 1917 war Frigge allein für die Geschäftsleitung verantwortlich. Seine Tochter und Erbin Christine (1913-?) war mit Felix Wilp (1911-?) verheiratet, der die Firma übernahm und später an seinen Sohn Egbert übergab. 2012 wurde das Unternehmen verkauft. Der kleine Archivbestand enthält zwei interessante Stücke aus der frühen Firmenzeit: ein Kopierbuch aus den Jahren 1886 bis 1921 und ein Rechnungsbuch für 1895-1904. Das Kopierbuch wurde im Wesentlichen von Anna v.d. Kohlen geführt. Sie war ganz stark in das Familiengeschäft eingebunden, allein schon, weil ihr Mann durch seine Vertreterarbeit für die Firma viel auf Reisen war. Neben geschäftlichem Briefwechsel und anderen Firmendokumenten enthält das Buch Aufzeichnungen über private Angelegenheiten und die Nebenunternehmungen (ein Schuhgeschäft, später einen Zigarren- und Kolonialwarenverkauf), die Anna v. d. Kohlen betreut zu haben scheint. Das Rechnungsbuch gibt, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, Auskunft über Umsatz, Kundenkreis und Vertrieb der Firma und damit Einblick in den Handel eines "kleinen" Solinger "Fabrikanten". Eine Teilauswertung ist dem Vorwort angeschlossen. Aus den 1920-er Jahren hat der Bestand ein Kundenbuch, ein Musterbuch und einige Gewerbesteuerklärungen. Kurzbilanzen liegen von 1926 bis 1965 vor. Die restlichen Stücke sind neuere Kataloge aus den Jahren 1990 bis 2009 und ein Album zur 125-Jahrfeier 1999. Auswertung zu Verkaufszahlen der Firma v.d.Kohlen 1896-1904 Wesentliche Grundlage dieser Auswertung ist das Rechnungsbuch, das aber nur einen Zeitraum von neun Jahren erfasst. Die Jahresverkäufe in den Jahren 1896 bis 1902 lagen bei 80- und 90 000 Mark, für 1903 und 1904 stiegen sie auf über 100 000 Mark. Nach einer Berechnung zur Einkommenssteuer von 1898 gab v.d. Kohlen bei einer Verkaufssumme von rund 80 000 Mark einen zu versteuernden Handelsgewinn von 6 300 Mark, also etwa 8%, an. Herstellungskosten berechnete er in der Regel mit 75% der Umsatzsumme, die Betriebskosten für Verkauf, Versand etc. dürften dann bei 17% gelegen haben. Ob die Angaben bei der üblichen Selbsteinschätzung zur Einkommenssteuer genau den Tatsachen entsprachen, ist nicht nachprüfbar. Bei einer vergleichenden Untersuchung der Verkäufe für 1898 und 1903 zeigt sich, dass die östlichen Gebiete des Deutschen Reichs (Mecklenburg, Berlin, Brandenburg, Pommern, Westpreußen, Ostpreußen, Posen, Sachsen, und Schlesien) die wichtigsten Verkaufsregionen waren. Hier wurde 64 bzw. 67% des Umsatzes erzielt. Auch am Umsatzzuwachs 1903 war diese Region entscheidend beteiligt. Berlin ragte heraus, nur in Ostpreußen ging der Verkauf untypisch zurück. Stärkere Verschiebungen zwischen 1898 und 1903 gab es im west- und süddeutschen Geschäft. Kaufverschiebung in den Regionen deutet auf ein grundlegendes Problem der Firma hin: sie hatte keinen sicheren Kundenstamm. Das betraf nicht nur die süd- und westdeutschen Gebiete; auch im Osten gab es stetigen Wechsel. Im Jahr 1903 wurden nur noch 184 der 514 Kunden aus dem Jahr 1898 beliefert. Dass die Kundenzahl für 1903 trotzdem auf beachtliche 913 gestiegen war, deutet darauf hin, dass enorme Anstrengungen unternommen wurden, immer wieder neue Käufer zu gewinnen, um den Absatz zu halten und zu steigern. Dass es allerdings häufig beim Einmal-Geschäft blieb, lässt sich aus der Zahl der Kundenkontakte ablesen. 1903 machten 565 Kunden eine einmalige Bestellung, nur 152 Kunden orderten im Lauf des Jahres dreimal oder öfter. Unter diesen Bedingungen war die Arbeit der Reisenden für die Firma von großer Bedeutung. Der Firmenchef stand in vorderster Linie: v. d. Kohlen besuchte die Kundschaft Jahr für Jahr, um Abschlüsse zu machen. Während er seinen Hauptarbeitsbereich westlich einer Linie Stralsund-Berlin-Dresden hatte, war für die östlichen Reichsprovinzen ein angestellter Reisender verantwortlich. In dieser Position kam es öfter zu Wechsel, und eine befriedigende und dauerhafte Besetzung der Stelle scheint nach Eintragungen im Kopierbuch nicht leicht gewesen zu sein. So wurde der im Juni 1898 eingestellte Kuhn schon Ende des Jahres wieder entlassen. Ihm folgte Gottlieb Schwarz, der allerdings mindestens bis Ende 1903 bei der Firma geblieben sein muss. Es war bestimmt nicht die bequemste Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn man in abgelegenen Ortschaften Pommerns und Ostpreußens Solinger Stahlwaren verkaufen und oft mit Geschäftsabschlüssen von 10 oder 20 Mark zufrieden sein musste. Um Neukunden zu gewinnen, versuchte v.d. Kohlen manchmal massierte Werbeeinsätze in einzelnen Regionen wie 1898 in Württemberg und Bayern, 1903 in der preußischen Provinz Sachsen. Dabei kam es zu einer Reihe von Verkaufsabschlüssen, aber das garantierte keine dauerhaften Geschäftsbeziehungen. Für den kleinen Fabrikanten war jedes Geschäftsjahr ein neues Abenteuer, in dem der persönliche Einsatz ganz entscheidend war. Zwar wurde auch 1898 schon ein Viertel der Bestellungen schriftlich abgegeben, aber der direkte Kontakt mit dem Käufer war hoch einzuschätzen. Es ist anzunehmen, dass man mit überschaubarem Sortiment gearbeitet hat, denn der Musterkoffer dürfte für den Reisenden unentbehrlich gewesen sein, wenn er in Eydtkuhnen und Schmalleninken ostpreußische Geschäftsleute überzeugen wollte. Musterbücher der Firma für diese Zeit sind leider nicht erhalten. Andererseits waren abgelegene Gebiete sicher eine Nische für kleine Anbieter im Wettbewerb mit den großen Solinger Firmen. Dass v.d. Kohlens Ehrgeiz auch höhere Ziele hatte, zeigt die Einrichtung eines Geschäfts in der Chausseestraße 25 in Berlin, über dessen Anfänge und Erfolge wir leider keine Unterlagen haben. Aus dem Kopierbuch erfahren wir nur, dass es Ende 1913, unmittelbar nach dem Tode v.d. Kohlens, geschlossen wurde. Man war in Gräfrath wohl nicht mehr von dem Erfolg des hauptstädtischen Ablegers überzeugt. (Auswertungen nach Kopiebuch Fi 45-001 und Rechnungsbuch Fi 45-002). Der Bestand wurde von Hartmut Roehr Anfang 2013 verzeichnet.

Eingrenzung und Inhalt: Der kleine Archivbestand hat zwei interessante Stücke aus der frühen Firmenzeit: ein Kopierbuch aus den Jahren 1886 bis 1921 und ein Rechnungsbuch für 1895 bis 1904. Das Kopierbuch wurde im Wesentlichen von Anna v.d. Kohlen, der Ehefrau des Firmengründers, geführt.

Bestandssignatur
Fi 45
Umfang
Findbuch: 7 AE

Kontext
Stadtarchiv Solingen (Archivtektonik) >> Bestände nichtstädtischer Provenienz >> Firmenarchive

Bestandslaufzeit
1886 - 2009

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Letzte Aktualisierung
23.06.2025, 08:11 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1886 - 2009

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