Enzyme des Abbaus von Phthalat in anaeroben Bakterien
Abstract: Die im Tonnenmaßstab hergestellten Phthalatester (Ester der ortho-Phthalsäure) gelten als Xenobiotika und gelangen jährlich in großen Mengen in unsere Umwelt. Dies geschieht, da diese Verbindungen in Plastikpolymeren als Weichmacher oder in anderer Funktion eingesetzt werden, jedoch nicht kovalent an die Polymere gebunden werden. Die Freisetzung dieser als endokrine Disruptoren eingestuften Verbindungen geschieht während deren Produktion, Transport, Verwendung und Entsorgung und hat aufgrund deren hormoneller Wirkung einen negativen Effekt auf die menschliche Gesundheit und insbesondere auf aquatische Ökosysteme. Der biologische Abbau von Phthalatestern erfolgt ausschließlich durch Mikroorganismen, welche Esterasen verwenden, die Ester in Phthalat und die respektiven Alkohole spalten. Dieser Prozess ist sowohl unter aeroben als auch unter anaeroben Bedingungen möglich und initiiert den Phthalatester-Abbau. Der Abbau von Phthalat (1,2-Dicarboxybenzol) in aeroben Mikroorganismen gilt heute als gut verstanden, wobei Dioxygenasen Schlüsselreaktionen wie die Hydroxylierung und Spaltung des aromatischen Rings katalysieren. Unter anoxischen Bedingungen ist diese Strategie keine Option, und erst in den letzten acht Jahren wurden erste Einblicke in den Abbau von Phthalat unter anaeroben Bedingungen gewonnen. Zu Beginn dieser Arbeit war bereits bekannt, dass denitrifizierende Bakterien wie die Betaproteobakterien Thauera chlorobenzoica oder Aromatoleum aromaticum Phthalat und Nitrat als Kohlenstoff- und Energiequelle nutzen können und dabei eine Decarboxylase produzieren, die zur UbiD-Enzymfamilie gehört und mittels eines modifizierten Flavin-Cofaktors, dem sogenannten prenylierten FMN (prFMN) (De)carboxylase-Aktivität aufweist. Diese Decarboxylase wurde später als Phthaloyl-CoA Decarboxylase (PCD) identifiziert. Der anaerobe Abbau von Phthalat verläuft über eine initiale Aktivierung zu Phthaloyl-Coenzym A (PCoA) durch eine Succinyl-CoA:Phthalat CoA-Transferase (SCPCT). Das gebildete Phthalyol-CoA dient dann als Substrat für die PCD, die dieses zu Benzoyl-CoA und CO2 umwandelt. Die ungewöhnlich hohe Abundanz der PCD mit etwa 20% Anteil am Gesamtprotein der Zellen, die anaerob mit Phthalat/Nitrat kultiviert wurden, wurde auf die Instabilität des Substrats Phthaloyl-CoA zurückgeführt, welches durch die katalytisch wenig effiziente PCD, sofort decarboxyliert werden muss, um einer chemischen intramolekularen Zersetzung zu Phthalsäureanhydrid und CoA entgegenzuwirken. In vorangehenden Arbeiten wurde ein zweistufiges Anreicherungsprotokoll für die PCD erarbeitet, ebenso wie ein heterologes Produktionssystem für die SCPCT. In der PCD wurden die anorganischen Cofaktoren K+ und Fe2+ nachgewiesen, sowie der an der Katalyse beteiligte Cofaktor prFMN. Ziel dieser Arbeit war es zunächst, die Verbreitung des PCD-abhängigen Phthalatabbauwegs in anderen anaeroben, insbesondere sulfatreduzierenden Bakterien zu untersuchen. Überraschend ergab sich, dass die moderat sauerstoffempfindliche PCD, auch unter aeroben Bedingungen in fakultativ anaeroben Bakterien zum Phthalatabbau genutzt wird. Hauptziel dieser Arbeit war es schließlich, die Struktur und den darauf basierenden Mechanismus der PCD erstmals näher zu untersuchen. Folgende Ergebnisse wurden erzielt: 1. Zu Beginn dieser Arbeit wurden erste Indizien gefunden, dass strikte Anaerobier wie Desulfosarcina cetonica ebenfalls auf Phthalat als einziger Kohlenstoffquelle wachsen können und ebenso eine starke Induktion einer PCD bei Wachstum mit Phthalat und Sulfat zeigten. Der Phthalatabbauweg wurde anhand des Phthalat-abbauenden, Sulfat-atmenden Desulfosarcina cetonica näher untersucht, und gezeigt, dass diese ebenso wie Denitrifizierer eine PCD zur Decarboxylierung von Phthaloyl-CoA verwenden. Ein Unterschied zum zuvor ausschließlich in Denitrifizierern untersuchten Abbauweg war, dass anstelle der Succinyl- Coa:Phthalat CoA Tranferase, eine ATP-abhängige Typ 2 Acyl-CoA-Synthetase, welche später als Phthalat:CoA-Ligase bezeichnet wurde, zur Aktivierung des Phthalats genutzt wird. Diese alternative, irreversible Strategie der Phthalat-Aktvierung wurde auf die niedrigen Substratkonzentrationen im Lebensraum der Sulfatreduzierer zurückgeführt. 2. In fakultativ anaeroben Phthalatabbauern, wie den denitrifizierenden Thauera chlorobenzoica oder Aromatoleum aromaticum wurde ein hybrider Abbauweg von Phthalat mit O2 als Elektronenakzeptor nachgewiesen. Die Verwendung hybrider Abbauwege ist nicht ungewöhnlich bei sogenannten Gradienten-Mikroorganismen, die sich auf schnell ändernde Bedingungen zwischen aeroben und denitrifizierenden Bedingungen einstellen müssen. Die Studie zeigte, dass die initialen Schritte der Aktivierung und Decarboxylierung dem anaeroben Abbauweg entsprechen, während das Intermediat Benzoyl-CoA anschließend durch den aeroben Benzoyl-CoA Oxidationsweg, den sogenannten Benzoyl-CoA-Oxidase-Weg (box-Weg) weiter verstoffwechselt wird, bei dem auch O2-abhängige Reaktionen eine Rolle spielen. 3. In Rahmen dieser Doktorarbeit wurde durch kryoelektronenmikroskopische Untersuchungen erstmals die 3D-Struktur der PCD aufgeklärt, was mehr Aufschluss über mechanistische Aspekte dieses Enzyms und die Reifung des prFMN gewährleistet. Zusätzliche biochemische Untersuchungen mit fluorierten Derivaten des Produkts Benzoyl-CoA in D2O und NMR-Analysen geben ebenfalls neue Einblicke in die von der PCD-katalysierte Decarboxylierungsreaktion. Zusammengefasst wurde der anaerobe Phthalatabbau mit Fokus auf die PCD in dieser Studie weiter beleuchtet und ein neuer Einblick in dieses Schlüsselenzym gewährleistet. Auch wenn der Mechanismus noch nicht vollständig geklärt wurde, gibt es nun neue Evidenzen, die höchstwahrscheinlich zu einer baldigen Aufklärung führen werden
- Umfang
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Online-Ressource
- Anmerkungen
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Universität Freiburg, Dissertation, 2023
- Standort
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Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main
- Schlagwort
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Mikrobieller Abbau
Phthalsäureester
Endokrin wirksamer Stoff
Anaerober Stoffwechsel
- Klassifikation
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Biowissenschaften, Biologie
- Urheber
- Ereignis
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Veröffentlichung
- (wo)
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Freiburg
- (wer)
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Universität
- (wann)
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2023
- DOI
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10.6094/UNIFR/242428
- URN
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urn:nbn:de:bsz:25-freidok-2424282
- Rechteinformation
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Open Access; Der Zugriff auf das Objekt ist unbeschränkt möglich.
- Letzte Aktualisierung
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25.03.2025, 13:46 MEZ
Datenpartner
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Beteiligte
Entstanden
- 2023