Bestand

Landesgewerbeamt (Bestand)

Findmittel: Datenbank; Findbuch, 1 Bd.

Zur Behörde:
Vor dem Hintergrund des rasanten gewerblichen, technischen und wissenschaftlichen Fortschritts um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, der sich auch auf die jeweiligen Einrichtungen des Bildungswesens befördernd auswirkte, war in Preußen seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von gewerblichen Unterrichtsanstalten entstanden bzw. hatte sich aus älteren Einrichtungen fortentwickelt. So bestanden im Jahre 1880 686 staatliche oder staatlich unterstützte Fachschulen, bis 1904 erhöhte sich deren Anzahl auf 2065. Das machte den Mangel einer staatlichen Aufsicht und Koordinierung umso fühlbarer, je mehr das zuständige Ministerium für Handel und Gewerbe sich seinerseits mit vielfältig gesteigerten Aufgabenstellungen auseinandersetzen musste und auch nur beschränkt über das notwendige gewerblich-technisch vorgebildete Fachpersonal verfügen konnte. So wurde dem Wunsche des Handelsministeriums entsprechend (vgl. Denkschrift über die Begründung eines Landesgewerbeamtes und eines ständigen Beirates, in: I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, E I gen. Nr. 27 Bd. 1 fol. 7 - 17 vs.) das Landesgewerbeamt durch Allerhöchste Verordnung „über die Errichtung eines Landesgewerbeamtes und eines ständigen Beirates für das gewerbliche Unterrichtswesen und die Gewerbeförderung“ am 20.3.1905 (GS S. 173) als eine dem Minister für Handel und Gewerbe direkt unterstellte Kollegiatbehörde begründet, die diesem zur „Unterstützung...in der Verwaltung des gewerblichen Unterrichtswesens und der Gewerbeförderung“ dienen sollte. Das Kollegium bestand aus ordentlichen Mitgliedern mit dem Titel „Landesgewerberat“, die vom König auf Vorschlag des Handelsministers ernannt wurden, und aus außerordentlichen Mitgliedern, die der Handelsminister selbständig berufen konnte. Den Vorsitz führte - im Nebenamt - der Leiter der neubegründeten Ministerialabteilung IV für das gewerbliche Unterrichtswesen und die Gewerbeförderung: bis 1913 Ministerialdirektor Dr. Neuhaus, dann Ministerialdirektor Dönhoff, ab 1922 Ministerialdirektor Seefeld. Die Verordnung vom 20.3.1905 nebst den Ausführungsanweisungen (Beilage zu Nr. 8 des Ministerial-Blattes der Handels-und Gewerbe-Verwaltung, 6.4.1905) bezeichnet die Aufgaben des Landesgewerbeamtes wie folgt:
-Teilnahme an der Aufsicht über das gewerbliche Unterrichtswesen und die der Gewerbeförderung dienenden Einrichtungen
-Berichterstattung über die Entwickung des gewerblichen Unterrichtswesens und der Gewerbeförderung -Sammeln und systematisches Ordnen der im In- und Ausland erscheinenden einschlägigen Veröffentlichungen
-technische Beratung des Ministers in Sachen des gewerblichen Unterrichtswesens und der Gewerbeförderung.

Die Aufsichtstätigkeit des Landesgewerbeamtes erstreckte sich auf die im folgenden genannten staatlichen oder staatlich unterstützten Einrichtungen:
- gewerbliche und kaufmännische Fortbildungsschulen
- Handelsschulen und Handelshochschulen
- Fachschulen für das Baugewerbe, die Metallindustrie und die Textilindustrie
- Handwerker-, Kunstgewerbe- und keramische Schulen
- Mädchen-Gewerbe- und Haushaltungsschulen
- Meisterkurse.

Die Wahrnehmung der Aufsicht erfolgte vornehmlich durch Prüfung der Lehr- und Stundenpläne, der Jahresberichte oder sonstigen eingesandten Materials und durch Besichtigungen der Schuleinrichtungen. Die dem Handelsminister vorzulegenden Gutachten und Berichte (außer Sachen von nicht allgemeiner oder grundsätzlicher Bedeutung) wurden in wöchentlichen Sitzungen mit gleichem Stimmrecht für alle anwesenden ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder behandelt. Beratend teilnehmen konnten auch die Referenten des Ministeriums. Zu außerordentlichen Mitgliedern wurden zumeist Praktiker und Lehrpersonen ernannt, die das Element des praktischen Sachverstandes in die Beratungen mit einbringen sollten. Diese Intention wurde noch besonders verstärkt durch die gleichzeitige Begründung des ständigen Beirates für das gewerbliche Unterrichtswesen, der die „in den Kreisen der Fachkundigen und Beteiligten vorhandenen Anschauungen und Bestrebungen [dem Minister] vermitteln und...bei der Ausgestaltung des gewerblichen Unterrichts und der Gewerbeförderung in Fragen von grundsätzlicher und allgemeiner Bedeutung mitwirken“ sollte (Beilage zu Nr. 8 des Ministerial-Blattes der Handels- und Gewerbe-Verwaltung, 6.4.1905). Der Vorsitzende des Landesgewerbeamtes führte auch den Vorsitz beim ständigen Beirat. Die ordentlichen Mitglieder des Landesgewerbeamtes waren seit 1905 die Geh. Reg. Räte Weber, Prof. Gürtler, Prof. Götte, Dr. Muthesius, Dr. Dunker, v.Czihak (bis 1906 kommissarisch) und Dr. Kühne (ab 1909). Der Dienstsitz des Landesgewerbeamtes lag im Gebäude des Ministeriums für Handel und Gewerbe, Berlin W, Leipziger Platz 11. Die Behörde, die bald eine rege Tätigkeit entwickelte und vielfach informierend und beratend nach außen wirkte, auch im zweijährigen Turnus die vielbeachteten Verwaltungsberichte über das gewerbliche Unterrichtswesen und die Gewerbeförderung veröffentlichte, erhielt im Zuge von Sparmaßnahmen durch Verordnung vom 7.2.1921 (GS S. 261) eine veränderte Verfassung, die die Eigenständigkeit der Behörde aufhob. Die vormaligen Landesgewerberäte gehörten nunmehr als Referenten der Ministerialabteilung für das gewerbliche Unterrichtswesen und die Gewerbeförderung neben deren Leiter dem Landesgewerbeamt per Verordnung und mit vollem Stimmrecht an. Ergänzt wird das Gremium durch vom Minister in der Regel auf Vorschlag der Berufsverbände berufene Mitglieder. Die grundsätzliche Aufgabenstellung: Beratung des Ministers in der Verwaltung des gewerblichen Unterrichtswesen und der Gewerbeförderung bleibt erhalten, doch ist in der o.g. Verordnung nicht mehr von Aufsichtsfunktionen die Rede. Im Handbuch über den preußischen Staat ab 1922 ist das Landesgewerbeamt als Abteilung des Ministeriums aufgeführt.

Zum Bestand:
Die hier vorliegenden Akten entstammen dem im ehemaligen Zentralen Staatsarchiv Merseburg so bezeichneten „unbearbeiteten Rest“ der Repositur I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe. Dieser Rest umfasste neben den unmittelbar dem Ministerialbestand zuzuordnenden Akten in zufälliger Lagerungsfolge u.a. auch Akten der untergeordneten Behörde Landesgewerbeamt. Das Ministerium und das Landesgewerbeamt hatten getrennte Registraturen. Der hier verzeichnete Bestand „Landesgewerbeamt“ reicht (mit einer Ausnahme) in der Laufzeit nicht über 1921 hinaus. Nach der Verordnung über die veränderte Verfassung des Landesgewerbeamtes vom 7.2.1921 sind diese Akten offensichtlich geschlossen und nicht vom Ministerium unmittelbar weitergeführt worden; inwieweit ggf. andere Akten des sicher vormals wesentlich umfangreicheren Registraturbestandes nach 1921 im Ministerium fortgesetzt wurden, kann erst durch entsprechende intensive Nachforschungen am Bestandsteil GStA PK, I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, Abt. E „gewerbliches Bildungswesen“ geklärt werden. Die reponierte Registratur des Landesgewerbeamtes ist mit der Zuständigkeit für das gewerblich-technische Bildungswesen ab 1934 ebenso wie Teile der Überlieferung der o.g. Ministerialabteilung E an das Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gelangt, wo sie im übrigen jedoch nicht fortgeführt, aber in den Aktenplan unter E IV eingegliedert worden sind. Von dort scheinen sie in den Jahren nach 1940 an das Geheime Staatsarchiv abgegeben worden zu sein. Die umfangreiche Dienstbibliothek des Landesgewerbeamtes ist im Jahre 1933 an das Berufspädagogische Zentrum Berlin abgegeben worden; deren weiterer Verbleib ist unbekannt. In der Reihe der Findbücher zum Bestand GStA PK, I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe stand mit der Nr. 39 und der Bezeichnung I. HA Rep. 120 Landesgewerbeamt ein vom Archivar Kurt Rose verfertigtes, offensichtlich unvollständiges Repertorium ein. Die in diesem Findmittel verzeichneten (insg. 7) Aktenbände sind jedoch im Magazinbestand und unter den hier verzeichneten Akten nicht vorhanden. Das vorliegende Findbuch ersetzt daher vollständig das Repertorium von Rose. Einer eigenen Repositur wird der Bestand in Anlehnung an die bisherige Praxis der Zuordnung untergeordneter Behörden des Ministeriums für Handel und Gewerbe (z.B. GStA PK, I. HA Rep. 120 TD Technische Deputation) nicht zugewiesen. Die Bestandsbezeichnung lautet: GStA PK, I. HA Rep. 120 LGA Landesgewerbeamt.
In den im folgenden aufgeführten Aktenbeständen des Geheimen Staatsarchiv sind Archivalien betr. das Landesgewerbeamt überliefert:
GStA PK, I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, E I gen. Nr. 27 „Das Landesgewerbeamt und der ständige Beirat für das gewerblich-technische Unterrichtswesen und die Gewerbeförderung“, Bd. 1-3: 1904-1935, dsgl. E I gen. Nr. 27 Bh. 1 „Beamte des Landesgewerbeamtes“, Bd. 1-3: 1905-1934, dsgl. E I gen. Nr. 27 Bh. 3: „Verwaltungsberichte, Bücherschau und die Veröffentlichungen des Landes-gewerbeamtes“, Bd. 1-3:1905-1933, dsgl. CB Nr. 41 b „Landesgewerbeamt: Reinigung der Diensträume“, 1905, GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr.27688 „Das Landesgewerbeamt“, 1905-1918, GStA PK, I. HA Rep. 90 Staatsministerium, Nr. 969 „Vorsitzender und Mitglieder des Landes-gewerbeamtes“, 1905-1919, GStA PK, I. HA Rep. 151 Finanzministerium IC, Nr. 9368 „Das Landesgewerbeamt“, 1904-1925, GStA PK, I. HA Rep. 169 D Landtag, XI n A 10 „Das Landesgewerbeamt“, 1914-1918.

Muster für Archivalienbestellungen: I. HA Rep. 120 LGA Nr.....
Muster für Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 120 LGA Landesgewerbeamt, Nr.....

Berlin, Januar 1998
Christiane Brandt-Salloum

Literatur:
Handbuch über den (Königlich) Preußischen (Hof und) Staat, 1905-1922
Verwaltungsberichte des Kgl. preuß. Landesgewerbeamtes, 1907 und 1912 (Bibl. des GStA 42 i V 16) Bitter: Handwörterbuch der preußischen Verwaltung, 3. Auflage, Berlin/Leipzig 1928
Jost, W. (Hrsg.).: Denkschriften zum Fach- und Fortbildungsschulwesen in Preußen 1878-1896, Köln/Weimar/Wien 1993

Zitierweise: GStA PK, I. HA Rep. 120 LGA

Bestandssignatur
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 120 LGA
Umfang
Umfang: 1,2 lfm (59 VE); Angaben zum Umfang: 1,2 lfm (59 VE)
Bestand ist vollständig in Datenbank erfasst

Sprache der Unterlagen
deutsch

Kontext
Tektonik >> STAATSOBERHAUPT UND OBERSTE STAATSBEHÖRDEN, MINISTERIEN UND ANDERE ZENTRALBEHÖRDEN PREUSSENS AB 1808 >> Wirtschaft und Verkehr >> Handel, Gewerbe und Bergbau

Bestandslaufzeit
Laufzeit: (1876 - 1888) 1890 - 1922

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Letzte Aktualisierung
28.03.2023, 08:52 MESZ

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  • Bestand

Entstanden

  • Laufzeit: (1876 - 1888) 1890 - 1922

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