Bestand

Kämmerei (Bestand)

Erschließungszustand, Umfang: Findbuch, Datenbank (2010)
40 lfm

Verwandte Verzeichnungseinheiten: ASA Interna, Landgüter in Sachsen, Travemünde, Stecknitz

Literaturhinweis: Rudolf Toberg, Die Lübecker Kämmerei von 1530 bis 1665, in: ZVLGA 15, 1913,
S. 75-109, 229-306; Pitz, Schrift- und Aktenwesen.


Vorwort Kämmerei

1. Behördengeschichte
Das vornehmste der Ratsämter war das der Kämmerer oder Kämmereiherren, nachweisbar seit 1227, seit 1560 mit dem jüngsten Bürgermeister und einem Ratsherren, seit 1579 mit zwei Ratsherren besetzt. Die Kämmereiherren waren ursprünglich für alle Geldgeschäfte und das Vermögen der Stadt zuständig. Seit dem Ende des 14. Jh. besaßen die verschiedenen ‚Offizien' (Ratsämter) ihre eigene Kassen, nur Marstall und Bauhof blieben kassenmäßig eng an die Kämmerei gebunden. Mit dem sogenannten ‚Kassarezeß von 1665 wurde in Lübeck, später als in anderen Städten, eine zentrale Rechnungsstelle geschaffen.
Zu den Aufgaben der Kämmereiherren gehörte die Verlosung bzw. Vermietung der öffentlichen Verkaufsstellen (Litten) der Gewerbetreibenden, generell die Einziehung von Mieten und Pachten aus Grundbesitz, der Einkünfte aus Regalien (Zoll, Münze, Gerichtsbußen, dem Mühlen- und Weinregal), dem Verkauf von Mühlensteinen, Gebühren (wie z.B. für die Bürgerannahme) und Strafgelder sowie der Einnahmen aus den städtischen Betrieben (u.a. Teerhof, Ziegelhof und Apotheke). An weiteren Abgaben mussten im folgenden u.a. verbucht werden der Pfundzoll, das Abzugsgeld, die Akzise, das Grabengeld und Abgaben der beiden städtischen Waagen.
Die Kämmerei hatte auf der anderen Seite Ausgaben zu tätigen für Renten, Besoldung der städtischen Bediensteten, die städtische Verteidigung und die Pflege auswärtiger Beziehungen (Gesandtschaftsreisen usw.). Zu den außerordentlichen Ausgaben ab dem 16. Jh. gehörte der sogenannte ‚Türkenschatz' od. Türkensteuer.
Aus der Finanzaufsicht konnte für die Kämmerei auch die Übernahme der Verwaltung gesamter Territorien resultieren (Travemünde 1329, Travemünder Winkel, das Lübecker Landgebiet, Bergedorf, Mölln 1359). Die Kämmereiherren nahmen gegenüber den Einwohnern in den Landgebieten alle Funktionen der Obrigkeit wahr.
Im Jahre 1871 wurde als neue Behörde das Stadt- und Landamt gebildet, in deren Zuständigkeitsbereich die vorher von der Kämmerei verwalteten Besitzungen innerhalb der Landwehr (darunter Niendorf, Beidendorf, Krummesse, Genin, Kronsforde) sowie die Exklaven Behlendorf, Albsfelde, Giesensdorf, Harmsdorf, Nusse, Poggensee, Ritzerau, Malkendorf, Krumbek, Düchelsdorf, Sierksrade, Schretstaken und Tramm übergingen. Die Verwaltung der Dörfer des Travemünder Winkels (Brodten, Gneversdorf, Ivendorf, Teutendorf) ging 1852 zunächst von der Kämmerei auf das zwischenzeitlich geschaffene Amt Travemünde über, bevor auch sie 1879 in die Zuständigkeit des Stadt- und Landamts fielen.

2. Inhalt des Bestandes:
Aus der Funktion und den Aufgabenbereichen der Kämmerei ergeben sich die inhaltlichen Schwerpunkte der Aktenüberlieferung. Sie betreffen das gesamte städtische Rechnungswesen. Besondere Aktenserien sind die unmittelbar aus dem eigenen Tagesgeschäft resultierenden Kämmerei-Protokolle und Kämmereirollen (gegliedert nach Einnahmen und Ausgaben). In der Überlieferung zu Travemünde dominieren Akten zum Hafen- und Schiffahrtsbetrieb (Lotsenwesen, Löschen und Laden, Schiffshavarien).
Die Überlieferung zu den Kämmereidörfern ist je nach Größe und Bedeutung der Orte unterschiedlich. In fast allen Fällen jedoch sind deren Grenzen, Hoheitsrechte und diesbezügliche Streitereien dokumentiert. Desweiteren finden sich hier alle Liegenschaftssachen (Pacht- und Kaufverträge) der Untertanen. Im Falle Behlendorf und Ritzerau tritt neben die Verwaltung der Dorfschaft noch die Überlieferung der betreffenden Gutshöfe hinzu.

3. Bestandsgeschichte
Seit dem 15. Jahrhundert besaß die Kämmerei eine eigene Registratur, seit dem 16. Jahrhundert verschiedene Registraturverzeichnisse. Der Bestand der Registratur wurde auseinandergerissen, ältere Akten wurden wahrscheinlich an die Kanzlei abgeliefert und befanden sich danach unter den Senatsakten (ASA Interna Cameraria).
Als die Kämmerei 1813 nicht wieder eingerichtet wurde, wurden ihre im 1764 angelegten Findbuch verzeichneten Akten auf die Nachfolgebehörden (Finanzdepartement, Landgericht) verteilt. Nur einzelne Bruchstücke konnten bei der Verzeichnung älterer Ablieferungen des Finanzdepartements ausgeschieden und vorläufig zu einem Bestand Kämmerei formiert werden. Die Mehrzahl der Akten war mit den betreffenden Senatsakten (s.o.) vereinigt, bei der Neuordnung des Bestandes von Georg Fink gesondert gelegt und 1942 kriegsbedingt ausgelagert worden. Nach der Rückführung der Bestände in den Jahren 1987/90 erfolgte in den Jahren 2000/02 eine Sichtung und teilweise Neuverzeichnung durch Wiehmann. Bei der aktuellen Neuverzeichnung wurden die Kämmereiakten des alten Senatsarchivs mit den Kämmereibüchern des Handschriftenbestandes zusammengeführt. Die noch in den Beständen des Finanzdepartements und des Landgerichts befindlichen Kämmereisachen blieben dabei noch unberücksichtigt. Hier muß bei einer zukünftigen Neuverzeichnung dieser Bestände eine Bereinigung erfolgen.

4. Zur Verzeichnungsgeschichte und -methode
Bei der Neuverzeichnung konnte auf Vorarbeiten von Otto Wiehmann zurückgegriffen werden, die im Wesentlichen die Bereiche I. Civilia, II. Travemünde und III. Bergedorf umfaßten. Der Komplex 'Kämmereidörfer' war schon in Teilbereichen erfaßt. Während bei den Vorarbeiten die Travemünde betreffenden Akten teilweise bis in die Einzelvorgänge aufgespalten und erfaßt worden sind, lässt sich in anderen Bereichen teilweise noch die alte Bündelung nach größeren Faszikeln feststellen bzw. eine Neuzusammenfügung von Einzelvorgängen nach sachlichen Gesichtspunkten. Bei den Vorarbeiten wurde mit einem System der 'springenden Nummern' gearbeitet, wobei entlang der früheren Grobklassifikation (I. Kämmerei allgemein, II. Travemünde, III. Bergedorf, IV. Kämmerei) Aktenblöcke entstanden, beginnend mit den Nummern 1000ff., 2000ff., 3000ff., 4000ff.
Die bei den Vorarbeiten vergebenen Nummern und auch die Aktentitel wurden bei der Neuverzeichnung weitestgehend übernommen. Die in der Zählung entstandenen Lücken wurden nach dem numerus-currens-Prinzip aufgefüllt und fortlaufend ergänzt bis auf zwei noch bestehende Signaturlücken (Nrn. 2925-3000 und 3030-5000).
Um eine Einheitlichkeit in der Erschließungstiefe herzustellen, wurden bei allen größeren Faszikeln die erkennbaren Einzelvorgänge auf dem Wege eines umfassenden Enthält-Vermerks nachträglich recherchiert und erfasst.
Die erfassten Akten wurden durch einen dreigliedrigen Orts-, Personen- und Sachindex erschlossen. Die Indexbegriffe orientieren sich an der heute üblichen Schreibweise von Namen und Sachbegriffen. Institutionen, Straßen und Bauwerke wurden örtlich zugeordnet.
Die Vorverzeichnung Wiehmann wurde für eine mögliche spätere Rekonstruktion der Verzeichnungsgeschichte und -methode unter Nr. 2393 zu den Akten des Bestandes genommen.

5. Verweis auf andere Bestände, die sich inhaltlich mit dem Kämmereibestand kreuzen:
01.1-01 ASA Interna
01.3-01 ASA Externa Deutsche Territorien Landgüter in Sachsen
03.5-03 Stadt- und Landamt
03.5-04/1 Stadthauptmann Travemünde
03.5-04/2 Amt Travemünde

6. Literatur
- Graßmann, Antjekathrin: Zu den Lübecker Stadtbüchern, in: Sarnowsky, Jürgen (Hg.): Verwaltung und Schriftlichkeit in den Hansestädten. Trier: Porta Alba Verl., 2006 (= Hansische Studien ; 16), S. 71-79
- Toberg, Rudolf: Die Lübecker Kämmerei von 1530 bis 1665, in: ZVLGA 15 (1913) S. 75-109, 229-306
- Weniger, Axel: Die Finanzverwaltung Lübecks im 19. Jahrhundert. Lübeck: Schmidt Römhild, 1982 (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck/Reihe B ; 9)

7. Hinweise zur Benutzung
Für den Bestand der Kämmerei bestehen keine Benutzungsbeschränkungen urheberrechtlicher oder personenschutzrechtlicher Art.

Hemmie, 2010

Eingrenzung und Inhalt: Kämmereirollen und -rechnungen, Protokolle, Memoriale, Verwaltungs- und Rechnungssachen, Bürgerannahmen, Kastorfer Wegegeld, Marstall, Martensmann, Kollekten, Rauchhühner, Reitende Diener, Stadt-Cassa, Stecknitzfahrer, Teerhof, Waagen, Zehnter vor dem Mühlentor, Zoll, Fiskalische Erbschaften, Schuldenverwaltung; Verwaltung des Landgebietes: Travemünde: Vogtei, Stadthauptmann, Liegenschaften,
Bauwesen, Brandschutz, Garnision und Kommandant, Strandungen, Schiffsverluste, Havarien, Ordnung auf Reede und Hafen, Löschen und Laden, Leuchtturm, Lotsenwesen, Handel und Gewerbe, Medizinalwesen, Pest, Viehseuchen, Seebadeanstalt, Kirchensachen, Armenwesen, Priwall, Steuern und Abgaben, Ehesachen, Erbschaften, Nachlasssachen, Rechtspflege, Vogelschießen; Bergedorfer Rechnungssachen, Quittungen über gezahlte Entschädigungsgelder aus der Einlösung des Schlosses Trittau, Kämmereidörfer (Ritzerau, Düchelsdorf, Sierksrade, Behlendorf, Hollenbek, Albsfelde, Giesensdorf, Harmsdorf, Poggensee, Nusse, Schretstaken, Tramm, Krumesse mit Kronsforde und Niemark), dazu Schlutup und
Malkendorf; Stecknitzkanal mit Schleusen, Wald- und Jagdsachen; seit 1804 ehemalige Domkapitelsdörfer Genin und Oberbüssau; 1747 an Sachsen-Lauenburg zurückgegebene Dörfer (Alt-Mölln, Bliestorf, Breitenfelde, Duvensee, Fredeburg, Grinau, Hornbek, Kastorf, Koberg, Niendorf, Rondeshagen, Siebenbäumen, Sierksfelde, Woltersdorf); Mölln.


Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben: Das vornehmste der Ratsämter war das der Kämmerer oder Kämmereiherren, nachweisbar seit 1227, seit 1560 mit dem jüngsten Bürgermeister und einem Ratsherren, seit 1579 mit zwei Ratsherren besetzt. Sie verwalteten das Vermögen des Rates und nahmen damit verbundene Einnahmen und Ausgaben vor. Ursprünglich waren sie für alle Geldgeschäfte zuständig, seit dem Ende des 14. Jh. besaßen auch verschiedene Offizien eigene Kassen; nur der Marstall blieb dauernd von der Kämmerei abhängig. Zu den ältesten Aufgaben gehörten das Verlosen der Verkaufsstände auf dem Markt, das Einziehen der Mieten, Pachten, Einkünfte aus Regalien (Zoll, Münze, Gericht, Mühlen), der Verkauf von Mühlsteinen. Weiterhin flossen der Kämmerei Einnahmen zu aus der Bürgerannahme. Aus der Finanzverwaltung der Landgebiete
(Travemünde 1329, Mölln 1359) erwuchsen den Kämmereiherren auch hier allgemeinere Verwaltungsaufgaben; die Kämmereiherren nahmen gegenüber den Einwohnern in den Landgebieten die Funktionen der Obrigkeit wahr.

Seit dem 15. Jh. besaß die Kämmerei eine eigene Registratur, deren Bestand auseinandergerissen und den Senatsakten (ASA Interna Cameraria) einverleibt wurde. Aus dem 16. Jh. haben sich drei Registraturverzeichnisse (von 1576, 1592 und 1599) erhalten. Das "Inventarium und Register buech" von 1592 wurde fortlaufend bis 1600 geführt, einzelne Nachträge reichen bis 1620. Gold, Kleinodien, Dokumente, Urkunden, Schriften u.a. wurde in "Schappen, bencken, Laden und naschen" verwahrt.

Die älteren Bücher (Kämmerei-Ausgaben- bzw. -Empfangs-Bücher) und Schriftstücke wurden in dem 1764 angelegten Findbuch nicht verzeichnet; sie waren wohl an die Kanzlei oder Registratur abgegeben worden. Bei der Neuordnung des ASA Interna durch Georg Fink wurden die ehemals zum Kämmerei-Archiv gehörenden Kämmereisachen dort verzeichnet, gleichwohl wurde von ihm empfohlen "die im Staatsarchiv unter den Senatsakten liegenden Kämmerei-Akten und -Rechnungen mit den in der Trese liegenden älteren Akten und den zur Zeit in Raum 14 aufgestellten Kämmerei-Registern und -Rechnungen, sowie den Kämmereibüchern der Handschriftenabteilung zu einem Kämmerei-Archiv zu vereinigen".

Als die Kämmerei 1813 nicht wieder eingerichtet wurde, wurden ihre im 1764 angelegten Findbuch verzeichneten Akten auf die Nachfolgebehörden (Finanzdepartement, Landgericht) verteilt. Nur einzelne Bruchstücke konnten bei der Verzeichnung älterer Ablieferungen des Finanzdepartements ausgeschieden und vorläufig zu einem Bestand Kämmerei formiert werden. Die Mehrzahl der Akten war mit den betreffenden Senatsakten vereinigt, bei der Neuordnung des Bestandes von Georg Fink gesondert gelegt und 1942 kriegsbedingt ausgelagert worden.

Reference number of holding
Archiv der Hansestadt Lübeck, 03.04-01

Context
Archiv der Hansestadt Lübeck (Archivtektonik) >> 03 Behörden bis 1937 >> 03.04 Finanzwesen und Liegenschaften

Date of creation of holding
1280-1810

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Rechteinformation beim Datenlieferanten zu klären.
Last update
22.02.2023, 10:29 AM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1280-1810

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