Bestand
Nachlass Wilhelm Richard Barthlott (1913-1942) und Gertrud Barthlott (1915-2003) (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Enthält v. a.: Schriftwechsel zwischen Wilhelm
Barthlott und Gertrud Barthlott, geb. Licht. Enthalten sind auch
einige Fotos.
1. Biographie: Wilhelm
Richard Barthlott kam am 22. Juni 1913 in dem bäuerlichen
Kraichgaudorf Zaisenhausen zur Welt und wurde evangelisch getauft.
Im Gasthaus Ochsen in der Hauptstraße 238, in das sein Vater
Wilhelm Barthlott senior (1872-1951) durch die Vermählung mit
Regina Katharina App (1868-1940) im Jahr 1898 eingeheiratet hatte,
wuchs er als eines von neun Kindern auf. Seine Eltern betrieben
neben der Gaststätte, an die sich die Metzgerei des Sohnes Arthur
anschloss, Landwirtschaft und Weinbau. Der Saal im Gasthaus diente
vielfach als Versammlungsort der Gemeinde und ihrer Vereine.
Wilhelm Barthlott, dessen Vorfahren 1698 als Glaubensflüchtlinge
aus dem Val Perosa in Piemont zunächst in verschiedene im Pfälzer
Erbfolgekrieg 1689 verwüstete württembergische Orte wie Dürrmenz
gekommen waren, ehe sie sich im Kraichgau zunächst in Gölshausen,
dann in Zaisenhausen niedergelassen hatten, besuchte die
Volksschule in Zaisenhausen, bevor er an Ostern 1931 die
Obersekundareife an der Realschule Eppingen erwarb. Mit der
erlangten mittleren Reife trat eine kaufmännische Lehre bei der
Firma Sinner AG in Karlsruhe an, die er am 7. April 1934 abschloss,
wechselte zum 1. Juli 1934 als Angestellter in das
NSDAP-Gaupersonalamt in Karlsruhe und am 31. Oktober als Sekretär
des Anstaltsleiters, Kanzlist und Buchhalter in das staatliche
Erziehungsheim Schloss Flehingen, in dem sein späterer
Schwiegervater Ernst Licht gedient hatte. Zeitgleich strebte
Wilhelm Barthlott einen höheren Schulabschluss an. Um sich
erfolgreich einer Schulfremdenprüfung zu unterziehen, nahm er
Nachhilfestunden in Eppingen und erlangte schließlich zu Ostern
1937 an der Kant-Oberrealschule in Karlsruhe die sogenannte wilde
Unterprimareife. (Die auch Primareife genannte Versetzung in die
vorletzte Klasse einer höheren Schule entspricht als Schulabschluss
der heutigen Fachhochschulreife.) Parallel zum Externenprüfung
bewarb er sich beim Badischen Ministerium des Innern in Karlsruhe
um die Aufnahme als Anwärter für den gehobenen mittleren Dienst der
inneren Verwaltung. Kurz darauf schied Wilhelm Barthlott aus dem
Angestelltenverhältnis im Flehinger Erziehungsheim aus und trat zum
10. Mai 1937 als Verwaltungsanwärter für den gehobenen mittleren
Verwaltungsdienst beim Bezirksverband Bruchsal in den Staatsdienst
ein. Im März 1939 bestand er nach einem um ein Jahr verkürzten
zweijährigen Vorbereitungsdienst die Inspektorenprüfung und bezog
am 13. April offiziell seine erste Stelle am Landratsamt Mosbach,
dem er bereits seit 15. März dieses Jahres als Krankheitsvertretung
zur Dienstleistung zugewiesen worden war. Seinen beruflichen
Aufstieg verdankte Wilhelm Barthlott nicht nur seiner
Beharrlichkeit, seinem Fleiß und Ehrgeiz, sondern auch seinem
politischen Engagement. Bereits früh setzte sich Wilhelm Barthlott
bekennend politisch ein und engagierte sich in der
nationalsozialistischen Bewegung. Schon am 1. Dezember 1931 schloss
er sich der Hitler-Jugend (HJ), avancierte zum HJ-Führer und
bezeichnete sich 1937 in seinem Bewerbungsschreiben für die
Aufnahme als Anwärter für den gehobenen mittleren Dienst der
inneren Verwaltung als "ersten Hitlerjungen im Kraichgau im Kampf
um das 3. Reich", der trotz seiner beruflichen Verpflichtungen in
Karlsruhe und seines "jungen Alters in zäher harter und
verantwortungsvoller Aufbauarbeit an der Erfassung der deutschen
Jugend mitgearbeitet¿ habe. In seinem handschriftlichen Lebenslauf
bezeichnete er sich als ¿Gründer und Führer des Standortes
Zaisenhausen". Neben seinem Dienst im HJ-Unterbann Gochsheim sowie
in der Gefolgschaft Bretten wirkte Barthlott noch in drei weiteren
Kraichgauer Gefolgschaftsbezirken. Er erhielt das goldene
HJ-Ehrenzeichen und trat sich am 1. Juli 1934 als Mitglied mit der
Nummer 3.589.945 in die NSDAP ein, wo er unter anderem als
Schulungsleiter in der Ortsgruppe Zaisenhausen fungierte . Bereits
in der Schulzeit lernte Wilhelm Barthlott seine spätere Frau,
Gertrud Maria Amalia Licht (31.7.1915 - 18.12.2003), kennen. Die in
der katholischen Konfession erzogene Gertrud war das älteste der
sechs Kinder von Ernst (1887-1960) und Maria Anna Licht, geborene
Vögle (1895-1948). Ernst Licht, dessen Schreiben an seine Tochter
Gertrud und an seinen Schiegersohn Wilhelm Barthlott in den
Nachlass eingegangen sind, erlernte zunächst das Malerhandwerk,
bevor er in den staatlichen Strafvollzug eintrat und seinen Dienst
als Erster Gefängnisinspektor in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal
sowie in der Fürsorgererziehungsanstalt Schloss Flehingen versah.
Sein Spruchkammerverfahren vor der Spruchkammer Mannheim ist
ebenfalls im Generallandesarchiv archiviert (Signatur: 465 n Nr.
24890). Neben der Schulzeit ergaben sich Möglichkeiten zur
Kontaktaufnahme zwischen Wilhelm und Gertrud dadurch, dass Ernst
Licht in der Zeit, in der er im Flehinger Erziehungsheim für Jungen
wirkte, mit seiner Familie wiederholt in der Gastwirtschaft Ochsen
in Zaisenhausen einkehrte, die die Familie Barthlott betrieb.
Gertrud Licht besuchte von 1926 bis 1932 die Oberrealschule in
Bretten, danach ein Jahr die Mädchenschule Bruchsal bis zur
Primareife und absolvierte am Karlsruher
Hauswirtschafts-Lehrerinnenseminar von 1933 an eine Ausbildung zur
Hauswirtschaftslehrerin, die sie im März 1935 mit der Note "gut"
abschloss. Das Paar lernte sich lieben, wie der Schriftverkehr der
beiden bezeugt. 1933, noch vor der ab 1936 gesetzlich
vorgeschriebenen Pflichtmitgliedschaft, trat Gertrud Licht in den
weiblichen Zweig der HJ, den Bund Deutscher Mädel (BDM), ein, 1936
leistete sie in Enzberg als Arbeitsmaid den Reichsarbeitsdienst
(RAD) ab. Nach einem zweimonatigen Kurs an der
RAD-Führerinnenschule im Schloss des oberhessischen Ortes
Bingenheim kehrte Gertrud Licht in ihren Beruf zurück und
unterrichtete ab 1. Juli 1937 an der Haushaltungsschule in
Marxzell. Am 1. Januar 1938 wechselte sie als Lehrerin an ein
Mädchenpensionat in Marburg und arbeitete vom 15. Mai 1938 bis nach
ihrer Heirat am Karlsruher Kinderkrankenhaus. Im darauffolgenden
Jahr trat sie mit 24 Jahren auch der NSDAP bei. Am 29. Juli 1939
vermählten sich Wilhelm Barthlott und Gertud Licht standesamtlich
und traten in der Bruchsaler Hofkirche vor den Traualtar. Das junge
Paar bezog im Frühjahr 1940 in Mosbach eine Wohnung und gründete
einen gemeinsamen Hausstand. Am 24. September 1940 kam die
gemeinsame Tochter Uda Ingrid Roswitha im Bezirkskrankenhaus der
Odenwaldstadt zur Welt. Nach der Trauung traten beide Partner aus
ihren jeweiligen Kirchen aus und bezeichneten sich als
"gottgläubig" . Der bereits 1936 gemusterte Wilhelm Barthlott
erhielt 1941 nach mehreren Uk-Rückstellungen seine Einberufung und
rückte am 3. Mai 1941 zum Dienst in die zweite Kompanie des
Infanterie-Ersatz-Bataillons 80 in die Heidelberger
Großdeutschlandkaserne ein, wo er seine militärische
Grundausbildung erhielt. Daneben erfuhr Barthlott eine
Spezialausbildung zum Fernsprecher bzw. -melder und Blinker. Am 21.
Juni 1941, einen Tag vor dem Überfall auf die Sowjetunion, wurde
Barthlott der vierten Kompanie des erst tags zuvor aufgestellten
Infanterie-Ersatz-Regiments 612 unterstellt, mit der er an seinem
28. Geburtstag über Darmstadt in das Generalgouvernement verlegt
wurde. Barthlotts Schilderungen der Bevölkerung in Polen, der
Ukraine und Russland stellen verbreitete rassistische und
antisemitische Stereotype dar, die aus der NS-Gesellschaft in den
Krieg getragen wurden und die er als ideologisch gefestigter
Nationalsozialist verinnerlicht hatte. Seine Frau Gertrud spiegelte
diese Wahrnehmungs- und Deutungsmuster in ihren Briefen wider.
Anfang 1942 rückte Barthlott mit seiner Truppe in das Kampfgebiet
östlich des Dnepr ein, wo er als Melder im Kompanietrupp eingesetzt
wurde. Am 3. Februar 1942 wurde er gegen 9 Uhr durch einen
Granatvolltreffer schwer verletzt und erlag rund sieben Stunden
später auf dem Verbandsplatz im ostukrainischen Petropawliwka den
Verletzungen, die ihm die Splitter des Sprenggeschosses zugefügt
hatten.
2. Überlieferung, Inhalt und
Bearbeitung: Der Nachlass gelangte im Februar 2016 als Schenkung
von Frau Uda Kuhn, Pforzheim, in das Generallandesarchiv Karlsruhe.
Die lose Briefsammlung wurde nach Korrespondenzpartnern geordnet
und erschlossen. Die Unterlagen wurden in die Rubriken "Dokumente",
"Schreiben von und an Wilhelm Barthlott", "Schreiben von und an
Gertrud Barthlott, geb. Licht" sowie "Diverses" gegliedert.
Darunter stellen die Korrespondenzserien Gertrud und Wilhelm
Barthlotts den Großteil der Verzeichnungseinheiten. Den
überwiegenden Teil der Korrespondenzen machen die Briefe Wilhelm
Barthlotts an seine spätere Frau Gertrud aus. 166 der 248 Nummern
stammen aus der Feder Wilhelm Barthlotts, sie beginnen im Jahr 1932
und enden zehn Jahre später mit dem letzten Brief vor dem Tod im
Russlandfeldzug am 3. Februar 1942. Der Wilhelm Barthlott
zuzuordnende Überlieferungskorpus lässt sich zeitlich und
inhaltlich in zwei Abschnitte unterteilen: der erste liegt in den
sogenannten Friedensjahren des NS-Regimes und dauert bis zur
Eheschließung 1939, der zweite umspannt die Kriegsjahre 1939 bis
1942, in denen das Ehepaar im Frühjahr 1940 beruflich bedingt nach
Mosbach umzog und einen gemeinsamen Hausstand gründete, die Geburt
der Tochter Uda im September 1940 sowie die fast zweijährige
Trennung der jungen Familie, die mit der Einberufung Wilhelm
Barthlotts zum 1. Mai 1941 einsetzte und bis zum Tod Wilhelm
Barthlotts anhielt. Der erste Korrespondenzteil beinhaltet vor
allem das Kennenlernen sowie private Mitteilungen Wilhelm
Barthlotts an Gertrud Licht, thematisiert aber auch den beruflichen
Werdegang und das politische Engagement des jungen Mannes in der
NS-Bewegung, besonders in der Hitler-Jugend. Der zweite Abschnitt
handelt von der Einberufung Wilhelm Barthlotts, seiner
militärischen Ausbildung zum Feldsprecher und Blinker, sowie seinen
Erlebnissen auf den Stationen des militärischen Vormarsches im
Russlandfeldzug, der Wihelm Barthlott über den Dnepr bis nach
Petropawliwka in der Ostukraine führte. Zeitlich umfasst die
Korrespondenz Wilhelm Barthlotts die Jahre 1932 bis 1942. Die
Korrespondenz Gertrud Barthlotts ist enger gefasst. Sie reicht von
1938 bis 1942 und weist ihren Schwerpunkt in den Jahren 1941 und
1942 auf. Thematisch liegt der Fokus auf den Erlebnissen der jungen
Mutter mit ihrer Tochter in Mosbach nach der Einberufung Wilhelm
Barthlotts. Neben der Sorge um ihren Mann und dessen Versorgung mit
Post und Päckchen, die im Februar 1942 abreißt, enthält dieser
Überlieferungskomplex noch die Kondolenzschreiben zum Tod Wilhelm
Barthlotts. Thematisch ergeben sich Querbezüge zu weiteren
Beständen des Generallandesarchivs. Die Personalakten Wilhelm
Barthlotts befinden sich im Bestand 466-2 Regierungspräsidium
Karlsruhe: Personalakten (Signatur: 466-2 Nr. 407, 466-2 Nr. 408).
Seine Versorgungsakte liegt im Bestand 466-22 Regierungspräsidium
Karlsruhe: Versorgungsakten (Signatur: 466-22 Nr. 9260) und seine
Spruchkammerakte im Bestand 465 h Spruchkammer Mosbach-Eberbach
(Signatur: 465 t Nr. 13374), wo auch die Spruchkammerakte seiner
Frau Gertrud zu finden ist (Signatur 465 t Nr. 13161). Zudem weist
der Bestand 465 c Document Center eine Akte zu Wilhelm Barthlott
auf (Signatur: 465 c Nr. 5905); aus diesem Bestand ist noch die
Liste von 121 Parteianänwärtern, Partei- und Volksgenossen der
NSDAP-Ortsgruppe Bretten und ihrer Untergliederungen an das
Organisationsamt der NSDAP-Kreisleitung Karlsruhe vom 12. März 1938
zu nennen, in der Wilhelm Barthlott als "Politischer Leiter seit
1937" und als zu vereidigender NSV-Walter angeführt wird (Signatur:
465 c Nr. 1340). Karlsruhe, im November 2022 Dr. Peter
Exner
3. Literatur: Ingrid U.
Barthlott / Wilhelm A. Barthlott (Hgg.), Wilhelm Barthlott. Briefe
aus den Jahren 1933 bis 1943, Aachen 2003. Ingrid U. Barthlott
(Hg.), Kriegsjahr 1941/42 in Mosbach. Briefe meiner Mutter, Aachen
2008. Peter Exner: "Zumal ich ja auch ihr viel zu verdanken habe":
Aufstieg über die Partei. Wilhelm Barthlott ¿ einer von zehn
Millionen Parteigenossen Hitlers, in: Zeitschrift für Geschichte
des Oberrheins 171 (2023) [zum Druck angenommen].
- Reference number of holding
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, N Barthlott
- Extent
-
248 Archivalien (Nr. 1-250)
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nichtstaatliches Archivgut >> Nachlässe >> Andere Nachlässe >> Barthlott
- Related materials
-
Ingrid U. Barthlott / Wilhelm A. Barthlott (Hgg.), Wilhelm Barthlott. Briefe aus den Jahren 1933 bis 1943, Aachen 2003.
Ingrid U. Barthlott (Hg.), Kriegsjahr 1941/42 in Mosbach. Briefe meiner Mutter, Aachen 2008.
Peter Exner: "Zumal ich ja auch ihr viel zu verdanken habe": Aufstieg über die Partei. Wilhelm Richard Barthlott ¿ einer von zehn Millionen Parteigenossen Hitlers, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 171 (2023) [zum Druck angenommen].
- Indexentry person
-
Barthlott, Wilhelm Richard; NSDAP-Mitglied, HJ-Führer, Verwaltungsbeamter, Soldat; 1913 - 1942
Stahl, Gertrud Maria Amalia, geborene Licht, verwitwete Barthlott, 1915 - 2003
- Date of creation of holding
-
1931-1949, 2006
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
03.04.2025, 11:03 AM CEST
Data provider
Landesarchiv Baden-Württemberg. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1931-1949, 2006