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Zur Konstitution von Generationen in familienbiographischen Prozessen: Krieg, Nationalsozialismus und Genozid in Familiengeschichte und Biographie

Anhand des Beispiels einer Familie zeigt die Verfasserin, wie die familiale Vergangenheit in den Nachfolge-Generationen ausagiert wird. Der spezifische Umgang mit der Nazi-Vergangenheit und die damit verbundenen Symptombildungen sind in dieser Familie der Generationsabfolge "Erwachsenwerden im Krieg" mit den Folgen des Ersten Weltkrieges verknüpft. Indem die Kriegsverwundung des Großvaters zur Entlastung der Nazi-Vergangenheit von Großmutter und Mutter dient, etabliert sich das Muster, sich mit Krankheit, verletzter Leiblichkeit und Todesphantasien zu entlasten und selbst zu bestrafen. Damit einher geht eine Empathieverweigerung in bezug auf die erlebten Ängste vom Großvater und auch vom Vater. Im Unterschied zu unseren anderen Fallstudien, in denen die zweite Generation die Vergangenheit der Großeltern abwehrt und die dritte Generation mit der "Aufklärungsarbeit" beginnt, fällt hier die Enkelin wieder hinter die zweite Generation zurück. Typisch für den familialen Dialog in einer Familie dieser Generationsabfolge sind die noch immer spürbaren Folgen des Ersten Weltkrieges. Typisch ist auch, dass die dritte Generation die nicht erzählte Vergangenheit der ersten Generation mit Erzählungen der zweiten Generation füllen kann. In Familien der Generationsabfolge "Kindheit im Krieg" können wir das umgekehrte Verhältnis finden. Die Kriegserlebnisse der Eltern, die sich aufgrund ihres Alters kaum daran erinnern können, sondern sie vielmehr in Symptomen wie Angst vor Flugzeuglärm tradieren, können mit den Erzählungen der Großeltern gefüllt werden. Damit entsteht eine Umkehrung von Phantasie und tradierter Erfahrung. Großeltern und Eltern vermitteln den Enkeln auf der manifesten Ebene unter Umständen teilweise Ähnliches, wobei die latente Botschaft dabei recht verschieden sein kann. (ICF2)

Zur Konstitution von Generationen  in familienbiographischen Prozessen: Krieg, Nationalsozialismus und Genozid in Familiengeschichte und Biographie

Zur Konstitution von Generationen in familienbiographischen Prozessen: Krieg, Nationalsozialismus und Genozid in Familiengeschichte und Biographie | GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln

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Weitere Titel
Constituting generations in family-biographical processes: war, National-Socialism and genocide in family history and biography
Anmerkungen
Status: Veröffentlichungsversion; begutachtet
Sprache
Deutsch
Umfang
Seite(n): 489-516

Erschienen in
Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 5(4)

Bezug (was)
Sozialwissenschaften, Soziologie
Geschichte
Soziologie, Anthropologie
Erhebungstechniken und Analysetechniken der Sozialwissenschaften
Familiensoziologie, Sexualsoziologie
Sozialgeschichte, historische Sozialforschung
historische Entwicklung
Großeltern
Wahrnehmung
Judenverfolgung
Konstruktion
Zweiter Weltkrieg
Biographie
Tradition
Enkel
familiale Sozialisation
Generation
Opfer
Familie
Krieg
Einfluss
Lebensbedingungen
Drittes Reich
Vergangenheitsbewältigung
Völkermord
Gedächtnis
Generationenverhältnis
empirisch
empirisch-quantitativ
deskriptive Studie
Theorieanwendung

Beteiligte Personen und Organisationen
Rosenthal, Gabriele
Erschienen
Österreich
1994

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-59307
Rechteinformation
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Letzte Aktualisierung
24.01.2023, 06:48 MEZ

Objekttyp

  • Zeitschriftenartikel

Beteiligte

  • Rosenthal, Gabriele

Entstanden

  • Österreich

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