Bestand
Rechnungsserien der markgräflichen Rentämter (Bestand)
Überlieferung: Bei der
Säkularisation der Reichsabtei Salem Ende 1802 bestand nicht nur der
Konvent als "Kommunität" noch bis 1804 weiter, sondern eine "General
Ökonomie Administration" unter Vorsitz des Abtes versah im Auftrag der
badischen Kommissare kurzzeitig auch den Wirtschaftsbetrieb. Mit der
Abrechnung dieser Administration setzt die Reihe der Salemer Rechnungen
ein. In Salem wie bei den Rentämtern Herdwangen, Hilzingen und
Petershausen verblieben aber zunächst wohl nur die Konzepte zu den
Rechnungswerken; die Reinschriften gingen zur Revision nach Karlsruhe, wo
die Markgräflich-badische bzw. seit 1818 Großherzogliche, ehemals
markgräflich-badische Domänenkanzlei ein eigenes Rechnungsarchiv
einrichtete. Erst seit den 1870er Jahren ließ die Domänenkanzlei die
Rechnungsserien aller Ämter nach Salem zurücktransportieren, und da etwa
gleichzeitig das Schriftgut der Klosterzeit von Salem nach Karlsruhe zum
Generallandesarchiv gebracht wurde, war in den wandfest eingebauten
Schränken des großen Salemer Archivraums genügend Platz, um die
Gesamtüberlieferung der Rechungsserien aufzunehmen; jüngere Bände wurden
in den Fensternischen-Regalen des Bibliothekssaales aufgestellt. Es muss
dabei zwar auch Kassationen gegeben haben, da einige Serien vor allem des
frühen 19. Jahrhunderts nur fragmentarisch erhalten sind (wie etwa
Rechnungen der Salemer Landschaft oder des Armenhauses in Wespach). Im
Ganzen hat sich hier jedoch eine eindrucksvolle, homogene Überlieferung
gebildet, wie sie für Adelsarchive des 19. Jahrhunderts zwar typisch,
nach Umfang und Wirtschaftskraft des Salemer Herrschaftsbezirks aber doch
auch wieder herausragend ist. 2014 hinterlegte das Haus Baden gemeinsam
mit dem Aktenschriftgut auch die Rechnungsserien unter Eigentumsvorbehalt
im Generallandesarchiv Karlsruhe.
Inhalt: Die Rechnungen
repräsentieren den gesamten Wirtschaftsbereich einer großen
Standesherrschaft. Darüberhinaus enthalten sie bedeutende Quellen etwa
zur Bau- und Kunstgeschichte: der Abbruch des Salemer Münsterturms von
1807 ist z.B. bis zum Einzelverkauf der Glocken nachgewiesen, ähnlich gut
dokumentiert ist die Umnutzung der Klostergebäude in Petershausen;
zugleich reichen die Beilagen zur Abrechnung der Salemer
Münsterrestaurierung der 1880er Jahre bis zu Detailzeichnungen. Trotzdem
stehen natürlich die wirtschaftsgeschichtlichen Unterlagen im Zentrum,
etwa die besonders geschlossen erhaltenen Serien zum Weinbau.
Sozialgeschichtlich herausragendes Quellenmaterial enthalten die
Rechnungen der Salemer Waisenkasse, die als eigentliche Sparkasse im
ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wichtige ländliche
Finanzierungsaufgaben innehatte. Auch innerhalb des fürstlichen Familie
lassen sich strukturelle Verschiebungen nachvollziehen, etwa in den
Partikularrechnungen für Großherzog Ludwig, der auch während seiner
Regierungszeit Ansprüche auf Einkünfte aus dem Bodensee-Fideikommiss
durchsetzte. Zeitlich reichen die Rechnungen von einigen wenigen
beigebundenen Heften des 18. Jahrhunderts in der Regel bis zum Anfang des
20. Jahrhunderts; seltener erfassen sie auch die Jahre nach dem ersten
Weltkrieg und nur in wenigen Ausläufern - etwa beim Markgräflichen
Pensionsfonds - die späten 1940er und die 1950er Jahre.
Ordnung und Verzeichnung: Der
Bestand wurde im Rahmen eines Inventarisierungsprojekts der Stiftung
Kulturgut Baden-Württemberg, das sich auf die gesamte Salemer
Überlieferung bezog, neu erschlossen. Dabei war zunächst über die
Bestandsbildung zu entscheiden: die durch die Formatvorgabe - stehende
Bände - als Einheit überlieferte Gattung konnte als solche erhalten
bleiben, ließ sich aber auch provenienzgerecht in die jeweiligen
Aktenbestände einarbeiten. Aus pragmatischen Gründen wurde der Bestand
als Einheit belassen, da eine Vorsortierung angesichts des großen Umfangs
weder vor Ort in Salem noch im Karlsruher Archiv möglich, ein großer Teil
der Bände bei der Räumung der Salemer Bibliothek bereits ohne archivische
Beteiligung verpackt worden war und für die Verzeichnung in Karlsruhe nur
angelernte Hilfskräfte zur Verfügung standen - so musste es beim sog.
Bär'schen Prinzip bleiben (Erschließung, Signaturvergabe und Verpackung
in einem Schritt), Provenienzuweisung und Klassifikation blieben Aufgabe
der abschließenden Redaktion. Auch die gleichzeitige Erfassung durch
mehrere Hilfskräfte ließ keine andere Arbeitsweise zu, ebenso erzwangen
die verschiedenen Verpackungsformate und die Ökonomie der Lagerung
technische Rücksichten. Die Bände standen in Salem unverpackt und in der
Regel seriell geordnet; der Verzicht auf ihre seriengerechte Lagerung in
Karlsruhe war schmerzlich und bedeutet wegen der Springnummern auch für
die Nutzung eine nicht unerhebliche Hürde. Eine andere Lösung war jedoch
mit den gegebenen Kapazitäten an Zeit, Raum und Personal nicht möglich.
Bei der Redaktion wurden die Provenienzen der Rentämter wiederhergestellt
(die Domänenkanzlei als Revisionsbehörde sollte in diesem Sinn nicht als
Provenienzstelle gelten). Serienspaltungen sind nach Möglichkeit
abgebildet, auch Konzepte, Reinschriften und Beilagen erhielten je eigene
Rubriken; nur bei Serienlaufzeiten von wenigen Jahren wurde darauf
verzichtet. Die exakte Unterscheidung von Konzept und Reinschrift ist
erfahrungsgemäß nicht immer leicht, in Salem sollte man besser vom
Exemplar für den eigenen Gebrauch und vom Exemplar für die
Revisionsbehörde sprechen; "Reinschrift" meint im vorliegenden Bestand
also eher das Vorhandensein von Revisionsvermerken, auch wenn diese - je
nach Bearbeiter - nicht immer in den Titelaufnahmen genannt sind. Die
Bezeichnungen der Rechnungsserien wechselten in Salem und den anderen
Amtsorten so häufig wie die Gattungsbegriffe des Schriftguts oder auch
die Wirtschaftsbegriffe selbst: die "Frucht" lagerte im Speicher oder im
"Kasten", der "Wein" (zu dem auch der Essig u.a. gehörte) im Keller,
beides zusammen wurde zu "Naturalien", unterschieden von den
"Materialien", ähnlich verhielt es sich mit Brouillon/Rapular,
Journal/Tagebuch/Kassenbuch, Amts-, Haupt-, Jahresrechnung u.a.; als
"Hauptbuch" wurde zeitweise das eigene Exemplar der Jahresrechnung
bezeichnet, im Unterschied zum Exemplar für die Revisionsbehörde. Das
Rechnungsjahr begann in der Regel an Georgi (23. April), Abweichungen
sind nach Möglichkeit vermerkt. Streng genommen datieren also die meisten
Rechnungsreinschriften aus dem Folgejahr, während vor allem die
Rechnungsbeilagen exakt kalendarisch eine zweijährige Laufzeit haben. Das
entspräche aber nicht dem Kanzleibrauch, die Rechnungen nominell auf das
erste Dreivierteljahr zu beziehen (z.B. "Rechnung von Georgi 1834 bis
dahin 1835, also für 1834"). Daher wurde bei der Verzeichnung in der
Regel nur das erste Jahr genannt; nur wenn der Bearbeiter konsequent
beide Daten genannt hat, wurde dies so belassen. Nach dem Tod des
Markgrafen Friedrich 1817 führte man für Friedrichs Witwe Christiane
"Partikularrechnungen", ebenso, wie erwähnt, für Großherzog Ludwig seit
1818. Erst seit dem Erbfall von 1830 vereinfachte sich unter der
Hochberger Linie die Rechnungsführung wieder. Etwa ab 1830 wurde es auch
seltener, dass Journale oder andere Spezialrechnungen den
Jahresrechnungen beigebunden oder in die Beilagen eingebunden wurden; die
Lücken, die in den jeweiligen Serien bestehen, sind zum Teil so zu
erklären. Im Einzelfall können solche fehlenden Hefte aber auch zwischen
die Sachakten geraten sein. Generell wurden versprengte
Rechnungsjahrgänge, die in der Aktenregistratur abgelegt worden waren,
wieder in ihre Serie eingefügt. Lediglich einige wenige geschlossene
Rechnungsserien, die versehentlich mit den Akten verzeichnet wurden,
wurden aus pragmatischen Gründen dort auch belassen; im Inventar der
Rechnungen ist jedoch darauf verwiesen. Der Bestand umfasst 5020 Nummern
in ca. 235,30 lfd.m. Karlsruhe, im Januar 2017 Konrad Krimm
- Bestandssignatur
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 Baden, Salem-7
- Umfang
-
5158 Akten (Nr. 1-5187)
- Kontext
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Dynastie und Regierung >> Bodensee-Fideikommiss
- Bestandslaufzeit
-
(1780-) 1802 - 1956
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:03 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- (1780-) 1802 - 1956