Bestand
Generaldirektion der Staatseisenbahnen: Streckenakten (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Der Bestand enthält die sog. Streckenakten der Bahn, die bei den verschiedenen württembergischen Zentralbehörden (1843-1851: Eisenbahn-Kommission, daneben ab 1851 Zentralbehörde bzw. Generaldirektion für Verkehrsanstalten bzw. Eisenbahndirektion, seit 1891 Generaldirektion der Staatseisenbahnen) angefallen sind. Der Bestand ist die zentrale Quelle für die Entwicklung des württembergischen Eisenbahnnetzes. Die Unterlagen entstanden im Zusammenhang mit dem Grunderwerb für den Streckenbau bzw. die Anlage von Bahnhöfen und sonstigen Betriebsgebäuden. Sie sind nach Orten alphabetisch strukturiert. Neben Besitzstands- und Grunderwerbsverzeichnissen, Kauf- und Schätzungsprotokollen und Unterlagen über die Kaufverhandlungen findet sich auch umfangreiches Planmaterial in dem Bestand.
Zwischennrn.: Bü 1 a; 12 b-12 c; 33 b-33 c; 56 a; 80 b; 106 a; 107 a-107 b; 111 a; 112 a-112 b; 124 a-124 b; 127 a-127 b; 135 a; 136 a-136 b; 300 a; 314 a; 343 a; 364 a; 372 a-372 b; 409 a; 414 a; 435 a; 444 a-444 c; 545 a; 550 a; 585 a-585 b; 587 a; 662 a; 691 a; 766 a-766 b; 773 a; 774 a-774 e;
861 a-861 b; 861-1 ¿ 861-3; 887 a-887 d;937 II; 975 a; 1031 a; 1059 a; 1092 a-1092 b; 1132 a; 1186 a; 1203 a-1203 c; 1215 a; 1233 a; 1249 a; 1264 a; 1271 a; 1272 a; 1273 a; 1323 a; 1362 a; 1385 a; 1478 a; 1533 a-1533 l (ohne ¿j¿); 1545 a; 1563 a; 1577 a; 1586 a-1586 c; 1616 a; 1652 a-1652 g; 1787 a; 1889 a;
Bestellnummern Bü 461-463; 610; 767; 775-781; 862-863; 894-896; 1205-1207; 1253 sind nicht belegt.
1. Entstehungsgeschichte: Das Angebot eines neuen Verkehrssystems, das Produktions- und Absatzmöglichkeiten schaffen konnte, bot für das rohstoffarme Württemberg die ernsthafte Aussicht auf einen dringend notwendigen wirtschaftlichen Aufbau. Einen Fehlschlag mit der neuen Technologie, deren Realisierung jeden bisherigen Finanzhaushalt (zumindest in Friedenszeiten) sprengte, konnte sich das Land dabei jedoch nicht leisten. Es darf daher nicht verwundern, dass der württembergische Staat erst nach einer langen Planungsphase - und auch erst nach Versuchen mit einer Privat-Aktiv-Bahn (1836-1838) - 1844 endgültig mit dem Eisenbahnbau begann. Durch Auswerten der Erfahrungen in anderen Ländern, v.a. natürlich in England, konnten die Risiken kalkulierbarer gemacht werden. In der langen Zeit der Vorplanungen und Erkundungen wurden verkehrstechnische Notwendigkeiten und technisch-finanzielles Risiko abgewogen; etwa "die Verbindung des Rheins und der Donau mittels des Kochers und der Brenz, zweckmäßigerweise aber durch die Anlage von Eisenbahnen". Schon nach 1836 war u.a. die Strecke Bad Cannstatt-Ulm vornehmlich von englischen und österreichischen Ingenieuren eingemessen worden. Das außerordentlich sorgfältig erarbeitete Eisenbahngesetz vom 18. April 1843 stellte klar, dass Betrieb und Bau der Hauptstrecken Staatsaufgabe sei, dass jedoch für Nebenstrecken auch Privatgesellschaften zugelassen werden konnten. Richtung und Ziel der Hauptstrecken wurden in der Weise festgelegt, dass Stuttgart-Bad Cannstatt als Zentralort einerseits mit Ulm-Friedichshafen, andererseits mit der westlichen Landesgrenze sowie in nördlicher Richtung mit Heilbronn verbunden werden sollte. Die Bauzeit wurde trotz der schwierigen Bedingungen möglichst verkürzt. Der Betrieb sollte bald aufgenommen werden können und Erträge zur Kreditfinanzierung einbringen. Am 26. Juni 1844 wurde mit dem Bau des Pragtunnels begonnen, am 22. Oktober 1845 wurde als erste die Strecke Cannstatt-Untertürkheim eröffnet; im November wurde sie bis Esslingen erweitert. Am 15. Oktober 1846 war die Strecke Cannstatt-Ludwigsburg fertiggestellt und damit auch Stuttgart einbezogen. Schon 1847 konnte die erste Auslandsverbindung, nämlich die zur Schweiz, mit der Strecke Ravensburg-Friedrichshafen erreicht werden. Am 19. Juli 1848 war Heilbronn angeschlossen und am 29. Juni 1850 konnte die Gesamtstrecke Heilbronn-Friedrichshafen eingeweiht werden. Württemberg, das den Eisenbahnbau später als die anderen Staaten angefangen hatte, wurde mit seiner Hauptbahn zuerst fertig. Der wichtige Anschluß an Bayern und Baden musste beiden Nachbarstaaten in zähen Verhandlungen abgerungen werden. Bayern verlangte den Anschluß nicht bei Ulm, sondern bei Nördlingen (und regte so die Rems-Brenz-Linie an). Gegen die verbindliche Zusage, die Verbindung nach Westen werde hergestellt, war Bayern schließlich bereit, den Anschluß Ulm-Augsburg zu bauen (Staatsvertrag vom 25.4.1850; Fertigstellung der Strecke am 1.6.1854). Nach 12-jähriger Verhandlungsdauer konnte der verlangte Anschluß nach Westen begonnen werden. Baden verzichtete auf seine Breitspurbahn (1,60 m statt 1,435 m) und den ursprünglich verlangten Anschluß in Pforzheim (Staatsvertrag vom 4.12.1850). Württemberg konnte die Strecke bis Bruchsal, die kürzeste Verbindung zum Rhein-Ruhr-Gebiet und zur See bauen (Fertigstellung 1.10.1853). 1878 kaufte Baden schließlich den Abschnitt Bretten-Bruchsal zurück.
2. Behördengeschichte: Während der Planungsphase bis zum Baubeginn war für die Eisenbahnverwaltung in Württemberg das Ministerium des Innern (Verkehrswesen) zuständig. Ab Baubeginn mußte zunächst eine technisch verwaltende Zentralbehörde eingerichtet werden, die "Eisenbahn-Kommission". 1844 dann legte die Gewichtung der anstehenden Aufgaben eine Umressortierung zum Finanzministerium nahe. Nach Übernahme der Thurn- und Taxis'schen Post wurde schließlich 1851 die "Zentralbehörde für Verkehrsanstalten" geschaffen. Sie umfasste die Eisenbahn-, die Post- und die Telegraphendirektion. Innerhalb der Eisenbahndirektion, die erstmals Bauleitung, Betrieb und Verwaltung in einer Behörde zusammenfasste, wurde die Leitung von Neubauten der "Eisenbahn-Kommission" übertragen. Jede der drei Direktionen war der Oberfinanzkammer als Abteilung angegliedert. Die "Zentralbehörde" (ihr gehörten v.a. die Leiter der drei Direktionen an) wurde demgegenüber nur bei Bedarf vom Minister einberufen. Ab Nov. 1858 wurde die Zentralbehörde als III. Abteilung der Oberfinanzkammer geführt mit den Sektionen Eisenbahnbaukommission, Eisenbahn-, Post- und Telegraphendirektion, die jeweils für sich selbständige Behörden bildeten. 1864, nach dem Thronwechsel von König Wilhelm I. zu König Karl, wurde die Eisenbahnverwaltung erneut umressortiert und gehörte nunmehr zum Geschäftsbereich des Ministerium des Auswärtigen. 1875 wurde aus der Zentralbehörde die Generaldirektion der Verkehrsanstalten gebildet, die 1881 wiederum in die "Generaldirektion der Staatseisenbahnen" und die Generaldirektion der Posten und Telegraphen aufgeteilt wurde. Die Generaldirektion der Staatseisenbahnen war in drei Abteilungen gegliedert, die Betriebs-, die Rechts- sowie die Verwaltungs- und Bauabteilung. Entsprechend der Reichsverfassung von 1919 übernahm mit Staatsvertrag vom 31.3.1920 das Reich die württembergischen Staatseisenbahnen einschließlich Bodensee-Schiffahrt und -Anlagen. Die Aufgaben der württembergischen Generaldirektion übernahm die Eisenbahn-Generaldirektion, später Reichsbahndirektion. 1924, unter Druck des Versailler Vertrages, wurde die Reichsbahn zur "Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft" umgebildet, die als selbständige wirtschaftliche Unternehmenseinheit für Reparationszahlungen herangezogen werden konnte. Die Verpflichtungen gegen die Länder (für die übernommenen Eisenbahnbetriebe) blieben hingegen beim Reich, dessen Finanzen eine Abfindung der Länder nicht zuließen. 1934 schließlich wurden die Ansprüche der Länder kraft Reichsgesetz aufgehoben. Am 30.1.1937 wurde die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft unter dem Namen "Deutsche Reichsbahn" wieder der Hoheit der Reichsregierung unterstellt. Nach dem endgültigen Zusammenbruch unterstand der Bahnbetrieb für Württemberg bis 31.12.1945 der amerikanischen Armee, ab 1.1.1946 der Gesamtleitung der Reichsbahndirektion. Zuständiges Ministerium war das württembergische Verkehrsministerium. Am 29.5.1946 wurde auf Befehl der Besatzungsbehörde ein Generaldirektor für die Reichsbahndirektion mit Sitz in Esslingen ernannt. Als oberste Behörde für alle Eisenbahnen in der US-Zone wurde ein Transport-Direktorium in Frankfurt eingesetzt. Alle in der französischen Zone gelegenen Strecken waren an die Reichsbahndirektion Karlsruhe abzugeben. Nach Art. 87 GG wurden dann ab 7.9.1949 die Eisenbahnen der drei Westzonen zur Deutschen Bundesbahn mit Hauptverwaltung in Offenbach vereinigt.
3. Bestandsgeschichte: Die Akten des Bestands E 79 I wurden im Sept./Okt. 1981 aus der Altregistratur der Bundesbahndirektion Stuttgart durchgängig als "Streckenakten" unter dem Aktenzeichen II BB cc geführt. Die Entstehungsgeschichte der Akten entspricht dem Verlauf der o.a. Behördengeschichte (Eisenbahn-Kommission; Eisenbahn-Baukommission, die aber bereits in die Eisenbahndirektion integriert war, etc.). Für die Umlagerung ins Staatsarchiv wurden die einzelnen Faszikel bzw. Aktenbüschel listenmäßig nach Orten erfasst, entsprechend der angelegten Ordnung. Vorarchivische Findmittel lagen nicht vor.
4. Bearbeiterbericht: Der Bestand musste zunächst Akte für Akte von klebrig-öligen Staubschichten gesäubert werden, die sich bei der Lagerung auf dem Dachboden des Direktionsgebäudes bis 1981 angesammelt hatten. Das Ordnungsprinzip für die ansonsten gleichförmigen Sachakten, alphabetische Reihenfolge nach Orten, wurde durchgängig hergestellt. Damit konnte auf eine Indizierung bzw. ein Inhaltsverzeichnis verzichtet werden. Für die Ordnung der einzeln behandelten Streckenabschnitte zur Gesamtentwicklung des Eisenbahnnetzes in Württemberg wird auf die Karte X, 4 des Historischen Atlasses von Baden-Württemberg verwiesen. Die Ortsbezeichnungen folgen der historischen Vorlage. Die Zugehörigkeit der einzelnen Orte zu Verwaltungssprengeln, die sich während der Laufzeit der Akten z.T. erheblich geändert haben, ist im Zweifel anhand der im Literaturverzeichnis angegebenen Hilfsmittel festzustellen; im übrigen ergibt sich die für die Eisenbahnverwaltung maßgebliche Zuordnung aus dem jeweils in Klammern angegebenen Streckenverlauf. Bei der Bedeutung der Unterlagen wurde von Kassationen abgesehen. Es handelt sich um Akten, die im Rahmen des Grunderwerbs für den Streckenbau z.T. auch für die Bahnhofserweiterungen bzw. für Betriebsgelände, angelegt wurden. Sie enthalten Besitzstands- und Grunderwerbsverzeichnisse, Kauf- und Schätzungsprotokolle, Verhandlungen über Güter-Käufe mit Privatpersonen und Industriebetrieben. Zu den einzelnen Grunderwerbungen ist in der Regel entsprechendes Planmaterial enthalten; Situationspläne der jeweiligen Orte bzw. Markungen, Pläne über Streckenverläufe, Wege und Straßen. Diese durchgängigen Bestandteile der einzelnen Akten wurden nicht in besonderen Vermerken erfasst. Der Bestand ist im Rahmen der Benutzungsordnung für die staatlichen Archive Baden-Württembergs benutzbar. Bei der näheren Auswertung, z.B. für Untersuchungen zur Entwicklung der Eisenbahnen in Württemberg, ist insbesondere auch auf folgende Archivbestände zu achten: StAL E 226/51 Eisenbahnhauptkasse: u.a. Hauptbücher 1844 - 1909; Betriebshauptbücher 1846 - 1909. StAL E 226/55 Dampfschiffahrtsverwaltung Friedrichshafen: Monatsberichte der Betriebsgesellschaft 1839 - 1854; Hauptbücher der Dampfschiffahrtsverwaltung 1854 - 1910. StAL K 411 Reichs- bzw. Bundesbahndirektion Stuttgart: Akten verschiedener Hauptgruppen des Aktenplans (unvollständig) 1922 - 1978. StAL K 412 I und II Reichs- bzw. Bundesbahndirektion Stuttgart: Katasterpläne (Streckenführung, Grundstücke Gebäude) 1867 - 1956 StAL K 413/1 und K 413/2 Reichs- bzw. Bundesbahndirektion Stuttgart: Signalpläne, Technische Unterlagen ca. 1888 - 1920, 1938 - 1974. StAL Oberamts- bzw. Landratsamtsakten über Eisenbahnplanungen sowie Akten anderer mittelbar beteiligter Verwaltungen. HStA Stuttgart Ministerialakten, v.a. E 10, E 146, E 150, E 152 b Ministerium des Innern. Die Verzeichnung erfolgte zwischen Herbst 1981 und März 1983 v.a. unter Anleitung von Archivinspektor Herkert sowie des Unterzeichneten. Beteiligt waren darüber hinaus Frau Paula Lepold (Zeitangestellte), Jochen Schmidt (Werkstudent), Rolf E. Reiff (Archivinspektor). Der Bestand umfasst 128,6 lfd. m bzw. Büschel 1-1801. Die Abschlussarbeiten besorgte der Unterzeichnete. Gez. Dr. Mögle-Hofacker
5. Literaturverzeichnis: Dehlinger, Alfred: Württembergs Staatswesen. 1-2. 1951-1953 Feyer, Ute: Entwicklung des Eisenbahnnetzes. Beiwort zur Karte X, 4 des Histor. Atlas von Baden-Württemberg; 1. Lieferung 1972. Hess, Ottmar: Das Eisenbahnwesen in Württemberg. In: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde in Baden-Württemberg (Heft 3/1956) S. 284-300. Historischer Atlas von Baden-Württemberg Karte X. 4; 1. Lieferung 1972. Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, Band II: Die Gemeinden vor und nach der Gebietsreform. Landeskundlich-statistische Grunddaten. Hrsg. Von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg 1975. Morlok. G.V.: Die Königlich württembergischen Staatseisenbahnen. Rückschau auf deren Erbauung während der Jahre 1835 - 1889, 1890. Mühl, Albert und Seidel, Kurt: Die Württembergischen Staatseisenbahnen. 1970 (Mit ausführlichem Literaturverzeichnis). Oberreuter, Margarete: Die Eisenbahnen in Württemberg (Stuttgarter Geographische Studien, Reihe A 39/40), 1933. Staatshandbuch für Baden-Württemberg. Wohnplatzverzeichnis 1961. Hrsg. vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. 1964.
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 79 I
- Umfang
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2063 Büschel (139,7 lfd. m)
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Ober- und Mittelbehörden 1806-um 1945 >> Geschäftsbereich Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und Staatsministerium
- Bestandslaufzeit
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1816-1936, 1949-1952
- Weitere Objektseiten
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- Rechteinformation
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Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Letzte Aktualisierung
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18.04.2024, 10:40 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1816-1936, 1949-1952