Die Verbindung der Sozialen Arbeit zu Recht, Ethik und Religion

Abstract: Fast jede Soziale Arbeit beginnt mit der Frage: Aufgrund welcher (inneren und äußeren) Norm ist der Klient in solch eine Situation geraten? Warum wurde er obdachlos, süchtig? Warum hat sich niemand seiner angenommen? Der Ausgangspunkt dieser Frage ist in den Normen zu finden, die unser aller Leben bestimmen. Im sozialen Bereich mag es jedoch ungewöhnlich erscheinen, anstatt lediglich die Ethik der Sozialen Arbeit zu behandeln, die Verbindung der drei grundlegenden Normsysteme zu untersuchen, nämlich Recht, Ethik und Religion. Wir gehen folglich davon aus, dass es unzureichend ist, sich lediglich auf die Ethik zu fokussieren, da wir den Kontext keines dieser Normsysteme ignorieren sollten. Recht, Ethik und Religion können gemeinsam einen Einfluss auf die Gesellschaft haben. Dies trifft zu, wenngleich die Menschen dazu tendieren, diese Normsysteme getrennt voneinander zu behandeln oder, was noch gravierender ist, diese zu verwechseln. Es ist die Hauptverantwortung des Sozialarbeiters oder des Sozialmanagers, sich der drei Normsysteme, der relevanten Gesetzgebung, der verhaltenskontrollierenden Ethik, sowie der religiösen Regeln bewusst zu sein und diese sowohl persönlich als auch in der Gesellschaft gleichzeitig anzuwenden.
Die gegenwärtige Untersuchung hilft Fragen zu beantworten, wie zum Beispiel: Welche Rolle sollte ein Ethikkodex in einer sozialen Einrichtung einnehmen? Wie kann man als Sozialarbeiter eine Beziehung zu den Bedürfnissen und Anforderungen eines religiösen Klienten herstellen? Sollten rechtliche, moralische oder religiöse Überlegungen berücksichtigt werden? Welche Rolle nimmt nationales Recht in einer internationalen sozialen Organisation ein?
Die Studie liefert keine detaillierten Antworten, dafür aber Aspekte, anhand derer man die Regeln des Recht, der Moral und der Religion voneinander trennen kann.
Lassen Sie uns mit einigen Beispielen beginnen.
Während das Händeschütteln vor einer Besprechung in den meisten europäischen Ländern eine gängige Verhaltensnorm im täglichen Leben war, wurde diese Norm während der Covid-19 Pandemie aufgegeben.
In der Eingangshalle des Freiburger Münsters lässt sich eine eingravierte Form eines Brotlaibs erkennen. Die Größe des Umrisses diente als Maßstab zur Bestimmung der Brotlaibe, die in den Bäckereien der Stadt verkauft wurden. Passten diese nicht in den Umriss bzw. füllten sie diesen nicht aus, so erfüllten sie folglich nicht die Norm. Die Bäcker mussten daher die Norm erfüllen, denn die Kunden hatten das Recht, sich zu beschweren, wenn das von ihnen erworbene Brot nicht genau den Maßen entsprach. Daneben ist an der gleichen Wand eine kleinere Form eingraviert. Sie wurde später im Laufe einer Wirtschaftskrise hinzugefügt. Die Norm der Brotlaibe wurde angepasst. Zwar war der Preis für das Brot der gleiche, aber seine Größe war verkleinert worden. Nun hatten die Brotlaibe in die kleinere Form zu passen bzw. sich der neuen Norm anzupassen.
Im deutschen Sozialsystem hat jeder Bürger das Recht auf ein Mindesteinkommen, im geläufigen Sprachgebrauch „Hartz IV“ genannt, das ihm ein Mindestmaß an würdevollem Leben gewähren soll. Ein grundlegendes Werkzeug zur Berechnung eines Standards des Mindesteinkommens ist der durchschnittliche Bedarf an Lebenshaltungskosten für die Dauer eines Monats. Dieser wird zusammengesetzt aus dem Lebensmittelbedarf, sowie dem Bedarf an Kleidung, Hygieneartikel, Haushalt, Elektrizität und anderen Erfordernissen zur Teilhabe an einem sozialen und kulturellen Leben.
In der Pädiatrie kontrollieren Ärzte (gemeinsam mit den Eltern) normalerweise die Entwicklung des Organismus des Kindes und die in einem bestimmten Zeitraum zu erwartenden Fähigkeiten, um eine gesunde Entwicklung zu gewährleisten. Die Zeiträume bieten eine Orientierung gemäß der statistischen Mehrheit der Fälle, um gewisse Orientierungspunkte der Entwicklung des Kindes abzuarbeiten.
In christlichen Glaubensgemeinschaften pflegen die Menschen das sogenannte „Vaterunser“- Gebet täglich zu verrichten. In muslimischen Glaubensgemeinden gibt es die Regel, fünf Mal am Tag bestimmte Gebete zu verrichten.
Als Sozialarbeiter findet man sich fast ausschließlich in Situationen wieder, in denen man die Gesetzgebung, Moralität und oft auch Aspekte der Religion zugleich berücksichtigen muss. Dies ist jedoch alles andere als einfach, sondern ungefähr vergleichbar mit der Antwort eines Anwalts, eines Ethik-Studenten oder eines Theologen auf die Frage: Was sehen Sie, wenn Sie aus dem Fenster sehen?
Der Rechtsanwalt sieht eine juristische Person und Gegenstände. Der Ethiker sieht jemanden, mit dem man in Kontakt kommen kann. Der Theologe sieht die Geschöpfe Gottes.
Wie können folglich diese Aspekte in Einklang gebracht werden? Um dies zu beantworten, müssen wir verstehen, was Normen sind und in welcher Beziehung sie zueinanderstehen.
Die Menschen gestalten ihr Leben anhand von Regeln. Diese Regeln, wir werden sie Normen nennen, können der Überzeugung des Einzelnen oder der Verordnung einer Gemeinschaft entstammen. In dieser Abhandlung werden drei Gruppen von Normen unterschieden, die jeweils Einfluss auf die Entscheidung des Individuums nehmen: Recht, Ethik, Religion. Es wäre jedoch ein Irrtum, davon auszugehen, dass sie nicht klar voneinander abgegrenzt werden könnten oder anzunehmen, dass sie nicht ineinandergreifen. Die Normen des Rechts, der Ethik und der Religion zu vermengen, kann zu Fanatismus führen, ihre gegenseitige Verbindung zu leugnen, könnte jedoch zu absoluter Ungerechtigkeit führen (summum ius summa iniuria)

Location
Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main
Extent
Online-Ressource
Language
Deutsch

Keyword
Religion
Rechtsethik
Sozialarbeit
Ethik
Moralität
Recht
Theologie
Spiritualität
Sozialarbeit
Ethik
Normenbegründung

Event
Veröffentlichung
(where)
Freiburg
(who)
Universität
(when)
2021
Creator
Birher, Nándor

DOI
10.6094/UNIFR/222770
URN
urn:nbn:de:bsz:25-freidok-2227707
Rights
Kein Open Access; Der Zugriff auf das Objekt ist unbeschränkt möglich.
Last update
25.03.2025, 1:53 PM CET

Data provider

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  • Birher, Nándor
  • Universität

Time of origin

  • 2021

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