Bestand
Nachlass des Kirchenhistorikers Philippe André Grandidier (1752-1787) (Bestand)
1. Philippe André Grandidier:
Philippe André Grandidier wurde 1752 in Straßburg als Sohn eines
Juristen geboren. Von 1762 bis 1768 besuchte er in seinem Heimatort
das Jesuitenkollegium und schloss an einen einjährigen Aufenthalt
an der Akademie in Nancy ein Studium der Philosophie und Theologie
an der katholischen Universität in Straßburg an. 1773 ernannte ihn
der Straßburger Bischof Louis Constantin de Rohan im Alter von 19
Jahren zu seinem Sekretär und Archivar, 1779 wurde er Domherr des
großen Chors in Straßburg. 1787 ernannte ihn König Ludwig XVI. zum
Historiographe de France. Bereits während des Theologiestudiums
entdeckte Grandidier sein Interesse an Geschichte und sammelte
große Mengen von Material zur Geschichte Straßburgs und des Elsass.
1776 veröffentlichte er den ersten Band seiner "Histoire de
l'Eglise et des évêques-princes de Strasbourg", die die Straßburger
Geschichte bis zum 10. Jahrhundert zum Inhalt hat. 1778 folgte der
zweite Band. In den folgenden Jahren wurden seine Publikationen
allerdings durch Louis Edouard de Rohan, der 1779 Bischof von
Straßburg wurde, stark behindert. 1782 konnte er einen Aufsatz zur
Geschichte des Straßburger Münsters veröffentlichen, 1787 den
ersten Band seiner Geschichte des Elsass. Auf einer Archivreise
erkrankte er im selben Jahr im Kloster Lützel und starb dort nach
viertägigem Fieber am 11. Oktober 1787 im Alter von nur 35 Jahren.
Der größte Teil seiner Werke ist postum erschienen. Zwischen 1865
und 1867 edierte Joseph Liblin, der Herausgeber der Revue d'Alsace,
in sechs Bänden die "Oeuvres historiques inédites". Zwischen 1897
und 1900 veröffentlichte Pater Augustin Marie Pierre Ingold fünf
Bände unter dem Titel "Nouvelles oeuvres inédites". Zu beiden
Editionen wurde unter anderem der Nachlass Grandidiers im Badischen
Generallandesarchiv benutzt. Eine Bibliographie der Werke
Grandidiers ist in Ingolds erstem Band (Seite 37-80)
enthalten.
2. Zum Bestand: Der Nachlass
Grandidiers wurde noch in seinem Todesjahr von Freiherrn Johann V.
von Türckheim in Straßburg von der Mutter des Verstorbenen,
Dorothée Grandidier, gegen Zahlung einer monatlichen Pension
erworben. Türckheim war sehr an der Geschichte des Elsass und der
Ortenau interessiert und benutzte den Nachlass intensiv. Ein
Verkauf des Nachlasses an das Kloster St. Blasien, in dessen
Auftrag Grandidier auch gearbeitet hatte, scheiterte. So blieb der
Nachlass im Besitz der Familie von Türckheim. 1893 deponierte
Freiherr Hans VIII. von Türckheim, deutscher Konsul in Guatemala,
den Nachlass im Generallandesarchiv in Karlsruhe (Vertrag vom 25.
November 1893 in Best. 230 Nr. 4). Diesem Vertrag war bereits ein
Depositalvertrag über andere Archivalien der Familie mit dessen
Vater Hans VII. vorausgegangen. Der Nachlass Grandidier umfasste
auch Teile des Archivs der Reichsritterschaft der Ortenau. Wie
diese in den Besitz Grandidiers gekommen waren, ist unklar. Die
reichsritterschaftlichen Archivalien wurden von der Familie von
Türckheim ebenfalls als Depositum an das Generallandesarchiv
abgegeben und sind im Bestand 69 von Türckheim 3 verzeichnet. 1907
und 1909 lieferte die Familie von Türckheim weitere Unterlagen
Grandidiers aus dem Familienarchiv in Mahlberg nach Karlsruhe ab.
Diese hatte Pfarrer Heinrich Neu aus Schmieheim bei seinen
Verzeichnungsarbeiten dort identifiziert und deren Übersendung nach
Karlsruhe empfohlen. Dabei handelte es sich um Manuskripte
Grandidiers mit einer Beschreibung der Diözese Straßburg (Nr.
20.1-20.4) und der Ortenau (Nr. 20.5) In den von Grandidier
gesammelten Unterlagen finden sich Abschriften zahlreicher
Urkunden, die heute nicht mehr erhalten sind. Somit bilden
Grandidiers Abschriften oft die einzige Überlieferung zur
Frühgeschichte vieler Orte und Institutionen in Straßburg, im
Elsass und darüber hinaus. Einige der Archivalien, die sich im
Nachlass Grandidier befinden , scheinen über Freiherrn Johann V.
von Türckheim dort hineingelangt zu sein. Immer wieder finden sich
zwischen den Materialien Grandidiers auch Notizen und Exzerpte von
der Handschrift Johanns V. Wenn die gesamte Verzeichnungseinheit
von Johann V. stammt, ist dieses bei der Verzeichnung vermerkt
worden (z. B. Nr. 16.5). Einzelne Notizen sind nicht gesondert
aufgenommen worden.
3. Zur Verzeichnung: Der
Nachlass Grandidier wurde erstmals 1895 von Freiherrn Wilhelm von
Türckheim, einem Cousin des abliefernden Freiherrn Hans VIII., in
Karlsruhe verzeichnet. Dieses Repertorium liegt dem Bestand unter
Nr. 20.6 bei. Später wurde die Verzeichnung von Dr. Jutta
Krimm-Beumann leicht überarbeitet und lag seitdem auch als
maschinenschriftliches Findmittel vor. 2011 wurde im Rahmen der
Verzeichnung des Familienarchivs von Türckheim auch der
Grandidier-Nachlass vom Unterzeichnenden neu bearbeitet. Dabei
wurden die Vorarbeiten von Wilhelm von Türckheim und Jutta
Krimm-Beumann als Basis verwendet. Die ursprüngliche
Klassifizierung Türckheims wurde beibehalten, auch die inzwischen
mehrfach zitierten Signaturen. Im Vergleich zu den älteren
Repertorien wurde die Verzeichnung deutlich vertieft. Im Juli 2011
Joachim Brüser
1. Literatur:
Hermann Bloch, Die Urkundenfälschungen Grandidiers; in:
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 51/1897, Seite
459-511 und 52/1898, Seite 543-546.
Philippe Dollinger,
Philippe André Grandidier; in: NDB 6/1964, Seite 743f.
J. Gaß, Grandidier et les Rohan; in: Revue catholique d'Alsace
40/1925, Seite 28-40.
Auguste Gasser (u. a. Hg.), Les
Correspondants de Grandidier, 13 Bde., Paris/Colmar/Besançon
1895-1906.
Augustin Marie Pierre Ingold (Hg.), Nouvelles
oeuvres inédites de Grandidier, 5 Bde., Colmar 1897-1900.
Augustin Marie Pierre Ingold, Grandidier poète; in: Revue
alsacienne illustrée 5/1903, Seite 121-136.
Joseph
Liblin (Hg.), Oeuvres historiques inédites de Philippe André
Grandidier, 6 Bde. Colmar 1865-1867.
Rodolphe Reuss, Les
nouvelles oeuvres inédites de l'abbé Grandidier; in: Revue
historique 80/1902, Seite 409-414.
Rodolphe Reuss,
Encore les prétendues falsifications de Grandidier; in: Revue
d'Alsace 1903, Seite 1-14.
Édouard Sitzmann,
Dictionnaire de biographie des hommes célèbres de l'Alsace, Bd. 1,
Rixheim 1910, Seite 638f.
Jürgen Voss,
Geschichtswissenschaft und katholische Aufklärung im Elsaß -
Unveröffentlichte Korrespondenz Philippe André Grandidiers
(1752-1787); in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins
122/1974, Seite 135-273 und 124/1976, Seite 253-334.
2. KFZ-Kennzeichen:
EM Emmendingen
FR Freiburg im Breisgau
GER Germersheim
LB Ludwigsburg
OG
Ortenaukreis
SP Speyer
SÜW Südliche
Weinstraße
WT Waldshut
- Reference number of holding
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 von Türckheim-4
- Extent
-
185 Archivalieneinheiten (Nr. 1.1 - 20.5)
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nichtstaatliches Archivgut >> Familien- und Herrschaftsarchive >> Adel >> von Türckheim
- Date of creation of holding
-
1728-1895
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
03.04.2025, 11:03 AM CEST
Data provider
Landesarchiv Baden-Württemberg. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1728-1895