Bild

Schlafzimmer des Künstlers in der Ritterstraße

Da die Maße denen des »Balkonzimmers« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 744) gleichen, könnte ein Bildpaar beabsichtigt gewesen sein. Inzwischen waren Menzels aus der Schöneberger in die Ritterstraße umgezogen; da dies im April 1847 geschah, muß das Bild wenige Monate darauf entstanden sein. Es ist in mehrfacher Hinsicht beunruhigend. Den Vordergrund besetzt – mit mächtiger, fast zudringlicher Präsenz ähnlich den Baumkronen in »Bauplatz mit Weiden« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 900) – das spartanische Lager mit der dünnen Decke, die sich den Unformen eines notdürftig zurechtgedrückten Federbettes anschmiegt und deren schleierig changierende, bleiche Farbe ein Leichentuch suggeriert: Das im Banalen eingeborgene Schauerliche der Berliner Romantik. (Die wohl etwas ältere große Zeichnung eines zerwühlten »Ungemachten Bettes« im Berliner Kupferstichkabinett zeugt von Menzels Interesse für dieses Motiv, wie für jede Art von Unordnung.) Überraschend auch, ganz im Unterschied zur entschiedenen Fokussierung des Blicks in »Balkonzimmer« oder erst recht in »Blick auf Hinterhäuser« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 1057), die gleichmäßig auf Nähe und Ferne gerichtete Aufmerksamkeit. Die ganze schmale, eilig fluchtende Strecke vom vorderen Saum der Bettdecke bis zur Kirchturmspitze am Horizont ist mit Bedeutung besetzt – eine Zumutung an den Wahrnehmenden, die die malerische Verflüchtigung der linken Wand eher noch unterstreicht. Auf dieser Tiefenstrecke muß nicht nur, hinter dem Fensterkreuz, eine Raumlücke überwunden werden – in der unsichtbaren Tiefe sind die in »Blick auf Hinterhäuser« angedeuteten Gärten und Höfe zu ergänzen –, es stoßen auch das gedämpfte Innenlicht mit seinem matten Rot, Caput mortuum und Braun und das kontrastreiche, helle Außenlicht aufeinander. So ergeben sich auch zwei unterschiedliche malerische Modi: Detailreich und vielteilig scharf wie die Gruppe der Häuser und Gärten wiedergegeben ist, erscheint sie wie einmontiert in das sonst so frei hingewischte Bild, wie ein Ausblick auf besänftigende Objektivität nach der malerischen Gespensterfahrt durch ein unheimliches Heim. Zwischen beiden Zonen ein schattenhaftes Profil, das unterschiedlich gedeutet wurde; vermutlich ist Richard Menzel, der jüngere Bruder, gemeint. Die Mitte des Bildes gehört einer Demonstration von Ungewißheit, ähnlich dem hellen Fleck an der Wand des »Balkonzimmers«. | Claude Keisch

Vorderseite | Fotograf*in: Bernd Kuhnert

Public Domain Mark 1.0

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Material/Technik
Öl auf Pappe
Maße
Rahmenmaß: 72 x 62 x 7 cm
Höhe x Breite: 56 x 46 cm
Standort
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
A I 860

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
1905 Ankauf durch Vermittlung der Kunsthandlung R. Wagner, Berlin
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
1847

Letzte Aktualisierung
08.08.2023, 11:02 MESZ

Objekttyp


  • Bild

Beteiligte


Entstanden


  • 1847

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