Bestand

Deutscher Orden, Ballei Sachsen (Bestand)

Enthält: Der Bestand gliedert sich in drei Teilbestände:

Enthält: 30 Urk A enthält Einsetzungsurkunden für Landkomturn (Leiter der Ballei), Statthalter (kommissarischer Leiter bei Vakanz) und Koadjutoren (Helfer des Landskomturs) der Ballei Sachsen. Die Urkunden erstrecken sich über den Zeitraum von etwa 1525-1809.

Enthält: 30 Urk B enthält Verpflichtungserklärungen (Reverse oder Gegenscheine) aufgenommener Deutschordensritter und diesbezügliche Zeugen- bzw. Bürgschaften Dritter. Soweit erkennbar wurden von den aufgenommenen Aspiranten Reverse ausgestellt, die durch Bürgschaften von Verwandten (vor allem in finanziellen Fragen) und durch Zeugen- oder Bürgschaften Externer bekräftigt wurden. Bei den Reversen handelt es sich um libellartige (Papier-)Urkunden, die Bürgschaften wurden entweder mit diesen zusammengebunden, teilweise aber auch als eigenständige Urkunden verfasst. Die Urkunden stammen fast ausnahmslos aus dem 18. Jahrhundert, ältere Stücke finden sich gebunden in NLA WO 8 N II Nr. 64. Offenbar wurden die Aufnahmebestimmungen in dieser Zeit stärker formalisiert und normiert, so dass der diesbezügliche Schriftverkehr zunahm (vgl. die Verordnungen in NLA WO 8 N I Nr. 53 sowie die Abänderungen der Reverse in 8 N II Nr. 65). Viele Stücke wurden den entsprechenden Akten zur Aufnahme der Ordensaspiranten entnommen und in den Urkundenbestand überführt.

Enthält: 30 Urk C enthält sonstige Urkunden zur Ballei Sachsen aus dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit. Die Stücke C Nr. 1-7 und 9-17 stammen aus dem Nachlass von Griepenkerl, lediglich das Testament Hans von Lossaus (Nr. 8) wurde den Akten (NLA WO 8 N) entnommen und dem Bestand hinzugefügt. Bei den Nummern 18-22 handelt es sich um die Abgabe des Deutschen Nationalmuseums. Sie beziehen sich auf das Spital zum Heiligen Geist in Aken.

Geschichte des Bestandsbildners: Die Geschichte der Deutschordensballei Sachsen ist erst in Ansätzen geschrieben und insgesamt schlechter erforscht als die vieler anderer Balleien dieses Ordens (vgl. Demel, S. 8). In der Frühzeit des Deutschen Ordens war sie noch Teil der Ballei Thüringen, aus welcher sie sich während der 1280er Jahre herausentwickelte. Sie gilt als wirtschaftlich vergleichsweise schwach und konnte nicht die Bedeutung erlangen wie beispielsweise die Balleien Franken oder Hessen. Sieht man von einigen Stücken des Teilbestandes 30 Urk C ab, so dokumentiert der vorliegende Urkundenbestand die frühneuzeitliche Geschichte der Ballei, die deshalb im Folgenden mit wenigen Sätzen umrissen werden soll.
Nach Ausbreitung der Reformation und Säkularisation des Deutschordensstaates 1525 wurde die Ballei Sachsen im Laufe des 16. Jahrhunderts zu einer der protestantischen des Deutschen Ordens und diente nicht zuletzt dem Adel zur Versorgung nachgeborener Söhne. Während mit Lucklum die Verwaltungszentrale im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel lag, verteilten sich die zugehörigen Kommenden auf zahlreiche Territorien, wie etwa Anhalt, Braunschweig-Calenberg und Kursachsen oder die Stifte Halberstadt und Magdeburg. Dies machte die Lage für die Ballei nicht einfach, wie etwa die fortgesetzten Streitigkeiten mit Kursachsen um die Kommende Bülow zeigen. Der Kontakt zum Generalkapitel, der Zentrale in Mergentheim und dem mehrheitlich katholisch gebliebenen Orden gestaltete sich mitunter schwierig, auch kam es zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Ordensstrukturen und dem welfischen Landesherrn, an den sich immer wieder Ordensbrüder wandten. Beispielsweise versuchte Herzog August der Jüngere die Gerichtsbarkeit an sich zu ziehen, weshalb das Balleikapitel des Jahres 1649 nach Halberstadt verlegt wurde. Sachsen galt daher als "innerlich und äußerlich bedrängte, ja gefährdete Ballei im mittleren und niederen Deutschland" (Demel, S. 45), die insgesamt einen schwierigen Stand hatte. Ihre Güter wurden zudem im Dreißigjährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen, so dass die Ballei unter administrativer Hilfestellung herzoglicher Beamter bis 1675 benötigte, um die Satisfaktionsgelder für die schwedischen und hessischen Truppen aufzubringen und abzubezahlen. Auch die Besetzung durch Truppen während des Spanischen Erbfolgekrieges hinterließ Spuren und belastete die Ordensprovinz. Während des 18. Jahrhunderts kam es zu Restrukturierungen und Umbauten (etwa der Teichanlagen) aber auch zu Güterverkäufen. Die Ballei entging den Maßnahmen des Reichsdeputationshauptschlusses, wurde dann aber 1809 aufgelöst und ihr Besitz verstaatlicht bzw. an Privatleute verkauft.

Bestandsgeschichte: Ähnlich wie für die Aktenüberlieferung zur Ballei Sachsen und der Kommende Lucklum (vgl. Bestandsvorwort von Hermann Kleinau zu NLA WO 8 N) lässt sich auch in Hinblick auf die beiden Urkundenbestände NLA WO 30 Urk und 31 Urk von einer bewegten Überlieferungsgeschichte sprechen. Nachdem Jérôme Bonaparte durch den Wiener Frieden von 1809 als König von Westphalen Besitzungen des Deutschen Ordens, darunter die Kommende Lucklum, erhalten hatte, ließ er diese im Jahre 1811 an den Oberamtmann Wahnschaffe verkaufen. Zwischen diesem und der herzoglichen Regierung entbrannte nach 1813 ein langjähriger Streit um das in Lucklum befindliche Akten- und Urkundenarchiv, das in Folge aufgeteilt wurde, wobei ein Großteil der Urkunden an den Gutsbesitzer Wahnschaffe fiel. Eine kleine Zahl von Urkunden verblieb in der Registratur der herzoglichen Kammer in Braunschweig und gelangte von dort ins Landeshauptarchiv in Wolfenbüttel. Dort wurden offenbar bereits die beiden Urkundenbestände angelegt (siehe weiter unten).
Wahnschaffes historisch sehr interessierter Schwiegersohn, der Braunschweiger Kammerpräsident Griepenkerl, erbte das Lucklumer Archiv während der 1840er Jahre und ergänzte es durch weitere Unterlagen zur Deutschordensballei Sachsen, die er gezielt erwarb. Er trat während der folgenden Jahre in Kontakt mit dem Braunschweigischen Landeshauptarchiv und gestattete dem Archivsekretär Ehlers, die in seinem Besitz befindlichen Urkunden nicht nur zu prüfen, sondern auch zeitweise für das Archiv zu entleihen. Interessiert an Siegeln, erwarb er über das Archiv (offenbar im Gegenzug) Siegelabgüsse. Zwischen 1878 und 1883 korrespondierte Griepenkerl mit dem Archivleiter Karl Justus Wilhelm von Schmidt-Phiseldeck über die von Ehlers entliehenen Urkunden, wobei der Archivdirektor immer wieder darum bat, die Urkunden doch seinem Haus zuzuführen, um sie langfristig erhalten zu können und der historischen Forschung zugänglich zu machen. Griepenkerl konnte sich schließlich dazu durchringen, dieser Bitte nachzukommen, stellte aber eine Reihe von Bedingungen. Vor allem sollten die Urkunden in die bestehenden Urkundenbestände überführt werden (die also bereits existierten) und im Austausch verlangte er Abdrücke der Siegel sowie weiterer Siegel von Urkunden der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Was die Abgüsse anging, so hatte er nach eigenem Bekunden eine Siegel-Ausstellung vor Augen, die 1881/82 unter Beteiligung des Landeshauptarchivs in Berlin stattgefunden hatte (vgl. NLA WO 36 Alt Nr. 269-272). Beiden Bitten wurde stattgegeben, das Archiv finanzierte die Herstellung von Gipsabdrücken sogar aus eigenen Mitteln. Griepenkerl händigte um 1884 die Urkunden aus, wobei in seinem Nachlass fünf Jahre später weitere Stücke gefunden wurden, die ebenfalls an das Landeshauptarchiv gelangten (vgl. zu diesen Ausführungen: NLA WO 36 Alt Nr. 69 und Nr. 69/1).
Während der 1970er Jahre wurde ein Zugang hinzugefügt, der aus dem Deutschen Nationalmuseum in Nürnberg zunächst an das Hauptstaatsarchiv Hannover abgegeben und von dort nach Wolfenbüttel überstellt wurde. Bereits im Jahre 1960 war das Nationalmuseum an das Archiv herangetreten und hatte auf Lucklumer Urkunden aufmerksam gemacht, die Prof. Friedrich Wilhelm August Hermann Wasserschleben am 1.2.1854 dem Museum geschenkt hatte (vgl. die Bestandsakte zu 30 Urk in der Dienstregistratur).
Im Jahre 2021/22 während der vierten Welle der Corona-Krise erschloss der Archivrat Dr. Philip Haas den Bestand in Form von Archivregesten. Dies geschah mit Hilfe des aus den 1880er Jahren stammenden Findbuchs, wobei aber insbesondere für den Teilbestand 30 Urk B auch auf die Originale zurückgegriffen wurde.

Findmittel: Handschriftliches Findbuch aus dem späten 19. Jahrhundert (nach 1884, vermutlich noch in den 1880er Jahren abgefasst), für die Teilbestände A und C mit ausführlichen Archivregesten, für Teilbestand B nur in Form einer tabellarischen Übersicht (Aussteller, Datum usw.)

Findmittel: EDV-Findbuch in Arcinsys aus dem Jahre 2021/22

Bearbeiter: Dr. Philip Haas (2021/22)

Zusatzinformationen: Abgeschlossen: Ja

Bestandssignatur
Nds. Landesarchiv, Abt. Wolfenbüttel, NLA WO, 30 Urk
Umfang
2,1 (107 Stück)

Kontext
Nds. Landesarchiv, Abt. Wolfenbüttel (Archivtektonik) >> Gliederung >> 1 Urkunden (Urk) >> 1.2 Stifte, Klöster, Ordenshäuser
Verwandte Bestände und Literatur
Literatur: Bernatzky, Monika: Der Deutsche Orden am Elm. Elmsburg, Lucklum, Reitlingstal (Beiträge zur Geschichte des Landkreises und der ehemaligen Universität Helmstedt 29), Helmstedt 2020

Literatur: Boehm, Hans G.: Die Deutschordensballei Sachsen, Bad Mergentheim 2000

Literatur: Bornstedt, Wilhelm: Elmsburg, Reitling, Lucklum und Weddingen. Ein Beitrag zur Geographie und Geschichte des Deutschen Ordens und seiner Vorstätten im Braunschweigischen, Braunschweig 1973

Literatur: Demel, Bernhard: Die Deutschordensballei Sachsen vom 13.-19. Jahrhundert. Ein Überblick. In: Ders.: Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa, Frankfurt am Main 2004

Literatur: Herwig, Alexander: Die Auseinandersetzungen um die Landkomturwürde in der Deutschordenskommende Lucklum zu Beginn des 17. Jh., Wolfenbüttel 2008

Literatur: Segeband, Henninges von: Zur Geschichte der Balley Ober- und Niedersachsen des Deutschen Ritterordens. 750 Jahre Deutschordenskommende Lucklum im Landkreis Braunschweig als Bibliographie. Auf Grund alter Forschungen Zusammengestellt, Lucklum, 1969/72

Bestandslaufzeit
1300-1804

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Letzte Aktualisierung
30.01.2023, 15:52 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1300-1804

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