Bestand

Joseph Süß-Oppenheimer, Geheimer Finanzrat - Inquisition, Prozeß, Beweismaterial / Vermögenserfassung und -abwicklung als Konkursverfahren - (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
"Jud Süß'sche CrimalprozeßAkten de 1737 / 1738" - Überarbeitete Fassung anhand der Registraturhilfsmittel (u.a. "Directori[a] Actorum in causa der Inquisitions Commission contra den Jud Süß Oppenheimer") zum Findbuch aus der Zeit um 1820 (Nachträge für Zugänge bis 1971 und Erwerbungen 2011/12 )


1. Zur Bestandsgeschichte: Die Bestandsgeschichte ist in den unten angegebenen Veröffentlichungen von Robert Kretzschmar dargestellt (vgl. Literaturverzeichnis). Kretzschmar behandelt detailliert die Entstehung des Archivbestands und erläutert, welche Stellen vor der Abgabe an das Archiv an der Formierung der Akten, ihrer Strukturierung, Umsortierung, an Entnahmen und Kassationen und nicht zuletzt an ihrer Beschlagnahmung beteiligt waren: Gerichts- und sonstige württembergische Behörden und Kommissionen, aber auch der Frankfurter Magistrat. Sie alle griffen auf die Unterlagen in den Stuttgarter und Frankfurter Verwaltungen/Kanzleien und Registraturen des Residenten, Kabinettfaktors, Geheimen Finanzrats bzw. des Inhabers von Handels- und Geschäftshäusern Joseph Süß Oppenheimer zu. Die jeweiligen verschiedenen Zielsetzungen der beteiligten Stellen bestimmen nicht nur Inhalte einzelner Schriftstücke, sondern auch die jeweilige Formierung der Akten in sich und ihre Formierung zu strukturierten Mengen von Akten oder auch die Entscheidungen über Kassationen. Kretzschmar geht auch ausführlich auf die für eine Auswertung des Bestands über diesen selbst hinaus zu beachtenden Archivbestände und auf weiterführende Forschungsansätze ein. Hier sei aus dieser für die weitere Auswertung des Bestands grundlegenden Darstellung nur kurz die Abfolge der einzelnen Abgaben an das zuständige württembergische Archiv - das heutige Hauptstaatsarchiv Stuttgart - wiedergegeben: 1820 wurden die Büschel Nr. Bü 1 - Nr. 63 abgegeben, Scheffer war der Autor des zugehörigen archivischen Findbuchs "Jud Süss'sche CriminalproceßAkten de 1737/38". 1829 erfolgte die Abgabe der Büschel 64 - 98 aus dem Archiv des Innern, 1834 die Abgabe der Büschel 99 - 112 aus der Hofdomainenkammer - Kammerschreiberei. Beide Ablieferungen wurden von Lotter bearbeitet (Ergänzung des vorhandenen Findbuchs durch weitere Titelaufnahmen, Angaben über durchgeführte Kassationen). Ab 1900 wurden nur noch Einzelstücke angefügt, Bü 113 - 115; teilweise unzusammenhängend in ein Büschel zusammengefasst. Eine Ausnahme davon war die noch folgende Abgabe von Akten, die alle aus der Frankfurter Geschäftsregistratur Joseph Süß Oppenheimers, stammten: 1926/7 kamen die Büschel 116 - 121 zum Bestand. Das Preußische Staatsarchiv in Koblenz hatte sie 1889 vom Frankfurter Stadtarchiv erhalten, konnte sie aber keinem der vorhandenen dortigen Bestände zuordnen und gab sie deshalb schließlich ab.

2. Arbeitsbericht zum Stand und Umfang der Überarbeitung - Januar 2007: Bei der für Ende Januar 2007 fertigzustellenden Konvertierung des vorhandenen Findbuchs für den Bestand A 48 F "Joseph Süß Oppenheimer, Geheimer Finanzrat", mit der im Dezember 2006 begonnen werden konnte, stellte es sich heraus, dass erheblich höhere Anforderungen an diese Arbeit nötig waren als dies für eine sonst durchzuführende "Retrokonversion" von vorhandenen Findbüchern üblich ist. Allein schon der für eine Internetpräsentation unerlässlichen Übersichtlichkeit wegen, waren die vorhandenen ausführlichen Beschreibungen zu den einzelnen Büscheln (Archivalieneinheiten, denen jeweils eine eindeutige Bestellnummer zuzuordnen ist) zumindest in eine Angabe zum Titel (Oberbegriff) und in darunter zu subsummierende einzelne "Enthält-Vermerke" zu untergliedern. Zur Erfüllung dieser Aufgabe erwies es sich als unabdingbar, jede einzelne der vorgegebenen Verzeichnungseinheiten zu sichten. Dasselbe galt für die Ermittlung vieler Laufzeiten der Akten. Die Sichtung zeigte, dass eine ganze Reihe einzelner Büschel verschiedenartige Bestandteile aufwiesen, nämlich Teilmengen an Ordnungseinheiten oder Einzelstücke, die erfahrungsgemäß meist auf Unachtsamkeiten hindeuten, wie sie bei der Benutzung lose aufeinandergelegter Blätter nicht vermeidbar zu sein scheinen. Beim Versuch, solche äußerlichen Fehler im hier vorliegenden Fall zu korrigieren und die Akten wieder in sich selbst zu ordnen, fiel aber auf, dass diese sogenannten Fehlsortierungen meist dann vorkamen, wenn verschiedene Nummernangaben auf ein und demselben Schriftstück angegeben waren und wenn von solchen Doppelnummerierungen ganze Schichten von Schriftstücken erfasst waren. Ebenso häufig kam es vor, dass innerhalb ein und desselben Aktenbüschels mehrfach gleichartige Nummernfolgen für verschiedene Teilmengen von Akten auftauchten. Ersteres (Doppelnummern auf ein und demselben Schriftstück) ist ein eindeutiges Indiz für Entnahmen aus früheren Zusammenhängen; letzteres (mehrfache Nummernfolgen mit gleichen Zahlen, also z. B. 1 - 29, 1- 50) weist ebenso auf vorherige Ordnungssysteme hin, die zusammengefügt wurden, nur wurde in diesem Fall auf neue durchgängig vergebene Ordnungsnummern je Schriftstück verzichtet. Generell weist die Vergabe von solchen Einzelnummern je Schriftstück, besonders innerhalb württembergischer Aktenbüschel (Quadrangeln, meist oben rechts je Schriftstück angegeben), darauf hin, wie sorgfältig bei der Formation einer Akte zur jeweiligen Zeit verfahren wurde. Es war damit erforderlich, viele der Akten in sich neu zu ordnen und die vorgegeben früheren Zusammenhänge, soweit erkennbar, wiederherzustellen. Die Kriterien dafür fanden sich im Findbuch, in den "directoria", anhand von Aktenumschlägen der abgebenden, zuletzt tätigen Verwaltungsstellen und aus Aktenumschlägen, die erst nach Übernahme ins Archiv angelegt wurden. Die häufig auch innerhalb einer -zu belassenden- Verzeichnungseinheit wechselnden Ordnungseinheiten und verschiedenen Zufügungen werden in der Regel im Enthält-Vermerk ausgewiesen und im jeweiligen "Büschel" durch eigene Umschläge innerhalb des Büschels kenntlich gemacht. Auch offenkundige Fehlzuordnungen, übergreifend über mehrere Büschel, waren gemäß Findbuch zu korrigieren. Neu anzulegen waren einzelne Titelaufnahmen bzw., "Enthält-Vermerke" für die Büschel 87 - 102, wo im Findbuch bis zu 10 Archivalieneinheiten mit einer einzigen, zwar ausführlichen, aber doch für die Bestellung von Archivalien nicht sehr praktikablen Titelaufnahme erfasst waren. Die nach der Überarbeitung angegebenen Titelaufnahmen je Bestellsignatur umfassen Archivalieneinheiten mit einem Umfang bis maximal 10 cm; schließlich soll für die Benutzung wenigstens ungefähr mengenmäßig angegeben werden, was an Arbeitsumfang zu erwarten ist.

Völlig neu aufgenommen, aber immer in Anlehnung an vorgegebene Beschriftungen der entsprechenden Teilmengen/ Faszikel wurden die sogenannten "Koblenzer Akten", zutreffender: Akten aus dem Frankfurter Geschäftshaus des Joseph Süß Oppenheimer. Ihre Auswertung ermöglicht ein gründlicheres Bild der vorbildlich korrekten Leistungen Joseph Süß Oppenheimers auf seinem Gebiet, dem eines überregional tätigen Kaufmanns und Finanziers mit Geschäftshäusern in Heidelberg, Frankfurt und Stuttgart; mit Aufträgen, die er für den kurfürstlich kölnischen Territorialstaat, für Hessen-Darmstadt, für die Kurpfalz und Württemberg in Folge ausübte, und wo er gewohnt war, einer recht sachkundigen jeweiligen Kammer Rechnung zu legen. Es ist auffallend -und für den bearbeitenden Archivar wohltuend- wie sorgfältig und sachbezogen diese Akten und Schriftstücke registriert, durchnumeriert und geordnet waren, solange Joseph Süß Oppenheimer sie verwaltete. Es blieb der Beschlagnahmung und den späteren mit der Verwahrung befassten Stellen vorbehalten, auch hier die geordnete Aktenfolge zu verändern und z.B. auch noch die alphabetisch angeordneten Kundenakten in eine andere Reihenfolge zu bringen (vgl. Bü 118 ff). Auch in diesem offenkundigen Fall wurde die Zuordnung der "Endprovenienz", also der letzten an den Akten und mit ihnen tätig gewordenen "Verwaltung" mit dokumentiert. Möglicherweise lag der neuen Zuordnung eine Zielsetzung zu Grunde, die durchaus informativ sein kann. Zum Beispiel hatte der Frankfurter Magistrat schon kurz nach Verhaftung Joseph Süß Oppenheimers eine Konkursverwaltung eingesetzt, die noch im März 1737 begann sein Frankfurter Geschäftshaus zu inventarisieren und Stücke zum Kauf anzubieten. Wäre die Annahme nicht zutreffend, dass dabei auch gezielte Maßnahmen dieser Stelle zu Umsortierungen führten, so ist bei der hier angewendeten Methode des "quieta non movere" dennoch die ursprüngliche Ordnung der Süß-Oppenheimer'schen Registratur ebenso gut erkennbar. Die vorgefundene Struktur des Bestands und ihre darin enthaltenen vorausgehend strukturierten Teilmengen sowie deren den Zwecken der letzten verwaltenden Stelle entsprechende neue Zusammenfügung aufgrund einer Autopsie der Akten mit darzustellen, war als Ziel der Neubearbeitung mit einzubeziehen. Dieses Ziel konnte nur erreicht werden, wenn zunächst auf eigene, vordergründig manchmal sich aufdrängende (vgl. alphabetische Anordnung von Kundenakten) verzichtet und dokumentarisch jede der überlieferten Ordnungseinheiten mit festgehalten wurde. Um diese Methode transparent zu machen und als Hilfe für gezielte Bestellungen klarzustellen, wurden historische Begriffe, ja ganze Formulierungen und Gliederungsabschnitte, Oberbegriffe, wo irgend möglich und wenn nicht eben irreführend, wörtlich übernommen (und als Zitate gekennzeichnet). Dabei wurde im Zweifel Formulierungen aus der Zeit, in der die jeweilige Teilmenge zuletzt vor Abgabe ans Archiv geordnet worden war, der Vorzug gegeben. Für untergeordnete Teilmengen waren entsprechende Ordnungseinheiten im Enthält-Vermerk mit aufzunehmen, auch wenn übergeordnet die beschlagnehmende "Behörde", "Kommission" etc. und ihre Neuformierungen einzubeziehen waren.

Der Bestand wird aus Gründen der Datenbank-Systematik bzw. der damit verbundenen Verknüpfungen ab sofort unter der Bestandsnummer A 48/14 erfasst. Der Grund liegt darin, dass für die Retrokonvertierung die einzelnen Prozesse, die unter der Bestandssignatur A 48 zusammengefasst worden waren, einzelne Bestandssignaturen erhalten mussten, wenn ein einzelner Bestand aus der Gesamtmenge in die Internetpräsentation systematisch eingebracht werden sollte. Entsprechend waren alle 15 politischen Kriminalprozesse einzeln mit neuen Nummern zu erfassen, wozu zur Vereinfachung die alphabetische Abfolge nach Namen der Angeklagten zugrundegelegt wurde. Auf die hier zu beachtende Altsignatur A 48 F, die mit dem Prozess gegen Joseph Süß Oppenheimer direkt zusammenhängende Verfahren ausgewiesen hat, und mit der zusätzlich zur Signatur auch bisher schon für jede Bestellung zusätzlich die Namen der Beschuldigten anzugeben waren, wird hier ausdrücklich hingewiesen. Die entsprechenden Bestände sind künftig unter den Bestandssignaturen A 48/1 (Bühler), A 48/6 (Hallwachs), A 48/8 (Hobbhahn), A 48/9 (Mez), A 48/13 (Scheffer), A 48/14 (Süß-Oppenheimer) einzeln ausgewiesen. Der Bestand A 48/14, Joseph Süß-Oppenheimer, Geheimer Finanzrat, umfasst dabei 8 laufende Regalmeter Akten und Bände. [Die gesamte Bestandsgruppe A 48/1 bis A 48/15 umfasst 25 Regalmeter.] Der Zeitraum der Entstehung der Schriftstücke in den Akten ("Laufzeit") umfasst die Jahre 1728 - 1772. Weiterhin gültig bleiben die Nummern der Büschel aus dem alten Repertorium (1 - Nr. 121), wobei Ziffern wie z.B. 121/1 und 121/2 sowie die im Juni 2011 und danach zusätzlich erworbenen Einzelstücke (Bü 122 ff) dazu führen, dass bei den Ordnungsnummern bzw. den vorliegenden Bestellsignaturen jetzt insgesamt 143 Archivalieneinheiten zu berücksichtigen sind. Stuttgart, Januar 2007 (zuletzt aktualisiert April 2013) Franz Moegle-Hofacker

Literaturverzeichnis: Allgemein: Oliver Auge: Holzinger, Enzlin, Oppenheimer. Günstlingsfälle am spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hof der Württemberger. In: Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini (Hrsg.): Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, 2004 - hier auch umfangreiche weitere Literaturangaben: S. 371 f, Anm. 20. Gudrun Emberger, Robert Kretzschmar (Hrsg.): Die Quellen sprechen lassen. Der Kriminalprozess gegen Joseph Süß Oppenheimer 1737/38. Stuttgart 2009. Zur Biographie Joseph Süß-Oppenheimers: Gudrun Emberger: Joseph Süß Oppenheimer - vom Günstling zum Sündenbock / In: Politische Gefangene in Südwestdeutschland. - 2001, S. 31-52. Gudrun Emberger: Joseph Süß Oppenheimer genannt "Jud Süß" - Stationen seines Lebens und Sterbens; Ludwigsburg - Hohenasperg - Stuttgart. Freudental : Pädagogisch-Kulturelles Centrum. Ehemalige Synagoge Freudental, (Freudentaler Blätter 2) 2006. - 71 S. Hellmut G. Haasis: Joseph Süß Oppenheimer, genannt Jud Süß. Finanzier, Freidenker, Justizopfer. Reinbek 1998. Alexandra Przyrembel, Jörg Schönert (Hrsg.): "Jud Süß". Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild. Frankfurt/New York 2006 Zum Bestand und zu möglichen Forschungsansätzen: Robert Kretzschmar: Beschlagnahmte Briefschaften. Der Kriminalprozess gegen Joseph Süß Oppenheimer aus archivwissenschaftlicher und aktenkundlicher Sicht. In: Sönke Lorenz, Stefan Molitor (Hrsg.): Text und Kontext. Historische Hilfswissenschaften in ihrer Vielfalt (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte 18). Ostfildern 2011. S. 489 - 523. Robert Kretzschmar: Tradition und Überrest: Die Überlieferung zum Prozess gegen Joseph Süß Oppenheimer. In: Emberger, Kretzschmar, Die Quellen sprechen lassen (wie oben) , S. 6 - 26 . Zur Nutzung des Bestands im Dritten Reich: Robert Kretzschmar: Eine Vorlage für den Film "Jud Süß"? Die Akten zum "Kriminalprozess gegen Joseph Süß Oppenheimer" und ihre Nutzung im Nationalsozialismus. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 66 (2007) - S. 505 - 511.

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 48/14
Extent
144 Archivalieneinheiten (8 lfd. m)

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Auslesebestände über die Landesverwaltung, Kabinett und Hofbehörden >> Rechtsprechung und Polizei >> Politische Kriminalprozesse

Date of creation of holding
(1727 -) 1728 - 1764 (- 1772)

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Rights
Last update
20.01.2023, 3:09 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • (1727 -) 1728 - 1764 (- 1772)

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