Bestand

Pfarrer Dr. Dr. Johannes Wilkens (Bestand)

Bestandsbeschreibung: Pfarrer Dr. Dr. Johannes Wilkens Nikolaus August Peter Johannes Wilkens (1896-1995) wuchs in Oldenburg auf. Nach vierjährigem Kriegsdienst (zuletzt bei der Fliegertruppe) 1914-1918, Studium und Vikariat war er zunächst Studentenpfarrer in Münster (1926-1929) und Gemeindepfarrer in Lienen/Westf. (1929-1936), ehe er an die Düsseldorfer Friedenskirchengemeinde wechselte. Von 1939 an war er wieder Soldat, zuletzt als Major bei der Flugabwehr. 1946 ging er als Dozent an die Kirchliche Hochschule Wuppertal, die er 1952 zugunsten einer Pfarrstelle in Herford ref. verließ. Dort amtierte er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1964. Akzessionsdatum: 1993/2000 Inhalt: Lebenserinnerungen 1896-1984 (Manuskript); umfängliche Familienkorrespondenz 1914-1972; Unterlagen aus dem Studium; Exemplare der beiden Dissertationen ("Die Individualität der synoptischen Evangelien, erläutert am Text des Markusberichts" und "Eduard Mörike. Glauben und Dichten. Eine Untersuchung über das Religiöse in des Dichters Leben und Schaffen und seine seelische Begründung"); Predigten 1932-1968; Konflikt mit der NSDAP-Ortsgruppe Lienen 1933-1934; Besuchsdienst der Bekenntnissynode 1937-1938; Vortragsmanuskripte; Kriegsdienstverweigerung 1955-1958; Taufdebatte 1966-1969. Literatur: Wilhelm Wilkens: Lebensbild des Pfarrers Dr. Dr. Johannes Wilkens, in: MEKGR 43 (1994), S. 235-259. Einleitung des Findbuchs Biografische Skizze Nikolaus August Peter Johannes Wilkens wurde am 28.07.1896 in Oldenburg als Sohn eines Pfarrers geboren und wuchs dort als zweitältestes von fünf Kindern auf. 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und kam als Angehöriger der Reserve -Feldartillerie an die Ostfront, nach Nordpolen. Es folgte bald die Verlegung an die Westfront bei Lille und Reims. Nach einer Beinverletzung 1916 als Unteroffizier und dem damit verbundenen Lazarettaufenthalt in Langendreer absolviert Wilkens Ausbildungslehrgänge in Altengrabow und an der Feldartillerieschießschule Jüterbog. Noch im selben Jahr wird er nach Rumänien kommandiert. Seine Einheit übernimmt dort eine angeschlagene rumänische Artillerie-Befestigung, die zur Artillerie- und Flugabwehrstellung ausgebaut wird. Nach seiner Beförderung zum Leutnant 1917 wird er Werbeoffizier für Kriegsanleihen durch Feldzeichnungen in Focsani, Rumänien. Seinen jüngeren Bruder Paul, dessen Feldeinsatz bei der Artillerie bevor steht, kann er in seine Nähe, in das inzwischen ruhige Rumänien nachholen. 1918 ist er vorübergehend als Ausbilder an einer Unteroffizierlehrbatterie tätig, wird an die Nachrichtenschule Bukarest kommandiert, meldet sich schließlich kurz vor Kriegsende zur Luftwaffe und nimmt an einem Lehrgang für Luftbeobachter an der Fliegerschule Schneidmühl teil. Nach Ende des Ersten Weltkrieges nimmt er in Tübingen seine akademische Ausbildung als Student der Germanistik und Theologie auf, die er 1919 für einen Freikorpseinsatz in Fürstenfeldbruck und München unterbricht, und tritt dort der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV) bei. 1919/20 folgt ein Studienaufenthalt in Leipzig, 1920 bis 1922 in Münster. Mit einer Untersuchung zu Eduard Mörike und dessen Religiosität wird Wilkens 1923 an der Universität Münster zum Dr. phil. promoviert. Über die synoptischen Evangelien erfolgt 1926 seine theologische Promotion (Licentiat). Er wird nun als Studentenpfarrer an die Universität Münster berufen und heiratet noch im selben Jahr seine Verlobte Hildegard Störmer. 1927 wird ihr erster Sohn Wilhelm geboren, 1931 Sohn Hermann - allerdings bereits in Lienen, wo Wilkens 1929 eine Pfarrstelle angetreten hatte. Ab 1933 gerät er, der selbst der Bekennenden Kirche zugehört, zunehmend in Konflikte mit der NSDAP-Ortsgruppe und den Deutschen Christen. So wird er unter anderem 1934 wegen seiner Jugendarbeit angezeigt und durch die Gestapo verhört. Nach der Geburt der Tochter Hanna 1935 zieht die Familie 1936 nach Düsseldorf um, da Wilkens dort eine Pfarrstelle an der Friedenskirche annimmt. Ab 1936 wird er erneut, auf sein Bitten jedoch bei der Flak, militärisch aktiv, nimmt zunächst an einer Übung in Münster, 1937 als Oberleutnant der Reserve in Duisburg, 1938 in Münster und Wustrow teil. Mit Kriegsbeginn wird er in eine Flak-Stellung bei Krefeld-Uerdingen eingezogen und absolviert 1940 einen Lehrgang für Batterie-Führer in Rerik. Als nunmehr Hauptmann übernimmt Wilkens eine Batterie bei Dormagen. Diese wird bald darauf in eine neue Stellung südlich Duisburgs, anschließend bei Oberhausen verlegt. Probleme an der Gallenblase bringen ihn via Operationssaal 4 Wochen Kuraufenthalt in Bad Mergentheim. 1941 führt er eine Flak-Abteilung als Truppentransport auf dem Landweg nach Athen. Er übernimmt danach kurzzeitig eine Vertretungsstelle als Bataillonskommandeur in Neuss, wird aber bald darauf erneut versetzt und kommt nach Großkorbeta, in das mitteldeutsche Chemiedreieck. Nach Übungsplatzaufenthalt in Stolpmünde folgt 1942 mit einem weiteren Lehrgang in Rerik und an der Flak-Artillerieschule Berlin die Qualifikation zum Bataillonskommandeur, in deren Folge er 1943 zum Major befördert wird. Nachdem seine Einheit zunächst nach Osnabrück verlegt wurde, wird 1942 ein erneuter Stellungswechsel angewiesen - diesmal nach Tunis. Wilkens allerdings kommt nur bis Sizilien, dort stellt man fest, dass er aufgrund seiner fehlenden Gallenblase nicht tropendiensttauglich ist und versetzt ihn aus medizinischen Gründen wieder zurück in die Heimat. Er übernimmt so eine neue Abteilung in Recklinghausen, die kurz darauf Stellung bei Hervest-Dorsten bezieht. Anfang 1945 gerät er in US-Gefangenschaft, die er auf den Rheinwiesen bei Sinzig und danach in Attichy verbringt. Nach seiner Rückkehr noch 1945 tritt er bis 1946 wieder seine alte Pfarrstelle in Düsseldorf an, wechselt dann aber als Kurator und Dozent an die Kirchliche Hochschule Wuppertal, die er nach Unstimmigkeiten 1952 zugunsten einer Pfarrstelle in Herford verlässt. Nach seiner Emeritierung 1964 zieht er wieder nach Lienen, wohin die Familie 1942 nach der Zerstörung Düsseldorfs ausgewichen war und wo der Sohn Wilhelm eine Pastorenstelle innehat. Er verstirbt 1995 in Lienen. Wilkens darf als Prototyp eines protestantisch geprägten Konservativen gelten: Aufgewachsen in einem protestantischen Pfarrer-Elternhaus der wilhelminischen Epoche meldet er sich 1914 wie viele andere seiner Altersgenossen im Taumel des Augusterlebnisses als Kriegsfreiwilliger, der Onkel gratuliert per Post zu diesem Entschluss. Da er „nur“ noch eine Stelle bei der Artillerie bekommt, den ersten Ansturm auf die auch von ihm bevorzugten Waffengattungen Infanterie und Kavallerie kann das Militär so schnell gar nicht bedienen, ist Ihm das Glück beschieden, diesen Krieg nahezu unbeschadet zu überstehen. Aber auch ihm bleiben Leid und Todesgefahr nicht erspart, seine Briefe von der Ostfront 1914 verdeutlichen dies. Aus seinem tiefen Gottvertrauen speist sich eiserner Durchhaltewille und enorme Leidensfähigkeit, die fast in Fatalismus übergeht. Wilkens ist gern und mit Überzeugung Soldat, hofft einerseits zwar auf Frieden, entwickelt andererseits aber ein Soldatenethos, in dem die Pflichterfüllung für das Vaterland im Mittelpunkt steht. Er bemüht sich noch 1917 nach Kräften um Geldsammlung für die Kriegsanleihe durch Feldzeichnung an der Front, für die Akteure des Soldatenstreiks von 1918 vermag er kein Verständnis aufzubringen, ebenso Jahre später für die Protagonisten des Attentats auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944. Auch 1919 ist es ihm selbstverständlich, die Unruhen in München und Leipzig mit niederzuschlagen. Vor der Folie der an der Front erlebten Volksgemeinschaft, der als „Schmach von Versailles“ empfundenen Pariser Vorortfriedensverträge wie der wirtschaftlichen Katastrophe der späten 20er Jahre, verwundert es nicht, dass er zunächst dem Nationalsozialismus grundsätzlich positiv gegenüber steht, allein die NS-Kirchenpolitik lässt ihn zu einem überzeugten Gegner der neuen Machthaber werden. Auch den Antisemitismus lehnt er aus theologischen Gründen entschieden ab. Schnell kommt es zu ersten Auseinandersetzungen mit der NSDAP-Ortsgruppe in Lienen. Sein Engagement gilt fortan der Bekennenden Kirche, er ist in seinem Wirkungskreis in der Evangelischen Kirche in Westfalen schnell einer der gestaltend wirkenden Männer, beteiligt sich am Besuchsdienst in den Gemeinden, wirkt maßgeblich an der Tecklenburger Bekenntnissynode mit. Auch hierbei sind Glaubensgewissheit und Gottvertrauen Antrieb und Maßstab eines geradlinigen Handelns. Für seine zweite militärische Karriere hat er sich nicht sonderlich eingesetzt, er wurde 1936 als Reservist gemustert, ab diesem Zeitpunkt zu Übungen und 1939 in den Kriegsdienst eingezogen und wieder heißt seine Maxime Pflichterfüllung. Der Militärdienst hat ihn vor ziviler Strafverfolgung bewahrt und auch dort hat er sich in seiner Haltung nicht verbiegen lassen, sich auch mit oft kritischen Worten nicht zurückgehalten. Seine Kriegserlebnisse prägen ihn wiederum: Die Wiederbewaffnungspolitik Adenauers lehnt er ab, da er die Bundesrepublik, und somit Deutschland, nicht an der Seite der Alliierten sehen möchte, deren Luftangriffe auf die deutschen Städte er hautnah miterleben und bei denen er als Offizier in Kriegsgefangenschaft eine entwürdigende Behandlung hinnehmen musste. Der Ostpolitik Brandts steht er hingegen sehr aufgeschlossen gegenüber, setzt sich für dessen Wiederwahl 1972 in seinem persönlichen Umfeld ein. Trotz seiner überzeugten antikommunistischen Haltung sieht er zur Brandtschen Annäherungs- und Entspannungspolitik keine Alternative. Bestandsgeschichte und -struktur Der Bestand gelangte 1993 und 2000 in zwei Abgaben durch die Familie, insbesondere durch den Sohn Wilhelm, an das Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland und wurde dort zunächst kartoniert. Er war vor der Verzeichnung im März 2009 bereits provisorisch vorsortiert worden, diese Ordnung konnte weitgehend beibehalten werden. Ein Teil des Schriftgutes war dabei in älteren Klemmmappen, ein anderer Teil, namentlich die Familienkorrespondenz, in bereits archivtauglichen Schnellheftern sowie die Predigtvorbereitungen in Form loser Blätter in Archivgutbehältern überliefert. Die Archivalien wurden im Zuge der Erschließung trotz teilweise archivfähigen Verpackungen vollständig umgebettet. Dabei wurde Einschlagmappen der Vorrang geben, da insbesondere bei den Korrespondenzen aufgrund der zum Teil sehr kleinformatigen Stücke eine Benutzung in Schnellheftern im Sinne der Bestandserhaltung kaum vertretbar gewesen wäre. Auch musste ein Teil in kleinere, für die Benutzung zweckmäßigere Einheiten gefasst werden. Nach Möglichkeit wurde versucht, die ursprüngliche innere Ordnung wiederzugeben. So entsprechen zum Beispiel bei den Predigtvorbereitungen, die in Form einer Karteisammlung nach biblischen Büchern angelegt war, die einzelnen Verzeichnungseinheiten weitgehend den ursprünglichen Karteiabteilungen. Von Kassationen wurde mit Ausnahme weniger Dubletten abgesehen; die als unbeständige Kopien überlieferten Stücke wurden umkopiert und ebenfalls kassiert. Inhalt und Bedeutung Inhaltlich umfasst der Schriftwechsel mit der Familie und mit Freunden das Gros der Überlieferung. Insbesondere die Kriegskorrespondenz bildet hierbei aus nachvollziehbaren Gründen die dichteste Überlieferung. Neben erwartungsgemäß vielfach rein privaten Themen bieten diese aber auch einen sehr detaillierten Einblick in gesellschaftliche Milieus und Mentalitäten. Darüber hinaus schlagen sich vielfach seine freundschaftlichen Beziehungen zu Hermann und Johannes Schlingensiepen sowie Martin Niemöller nieder. Für die Frage des Kirchenkampfes im Tecklenburger Kirchenkreis finden sich in den Briefen der entsprechenden Zeit vielfältige persönliche Anmerkungen, die die entsprechenden Unterlagen über den Kirchenkampf und den Besuchsdienst sinnvoll ergänzen. Der westfälische Kirchenkreis Tecklenburg darf als eine Bastion der BK gelten; auch nach den von Hitler 1933 zur Stärkung der DC angeordneten Kirchenwahlen können diese kaum Erfolge verzeichnen, kann die BK ihre Mehrheit verteidigen. Von Tecklenburg ging unter Wilkens’ maßgeblicher Beteiligung die Initiative, die dann in der Westfälischen Bekenntnissynode mündete, aus. In die Geschichte der Kirche in der Bundesrepublik bieten die Unterlagen zu den Themen Wehrdienstverweigerung, die im engen Kontext zur Wiederbewaffnung stehen, sowie die Debatte der späten 60er Jahre um Kinder- oder Erwachsenentaufe einen guten Einblick. Auch die Predigtvorbereitungen nehmen vereinzelt auf aktuelle Zeitgeschehen Bezug. Über seine Tätigkeit als Kurator und Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal findet sich indes nur sehr wenig, es beschränkt sich im wesentlichen auf eine Verzeichnungseinheit mit Unterlagen und Schreiben sowie einige Anmerkungen in den Korrespondenzen und wenige Unterrichtsvorbereitungen und Referatsmanuskripte. Abschließend sei noch auf den umfangreichen autobiografischen Bericht hingewiesen. Verweise auf andere Bestände: Personalakte als Dozent der Kirchlichen Hochschule Wuppertal: 2LR 045 (KiHo Wuppertal), Nr. 341. Benutzungsbeschränkungen: Der Bestand unterliegt den Sperrfristen für personenbezogenes Archivgut gem. § 4 AGArchG.

Bestandssignatur
7NL 066

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Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland (Archivtektonik) >> 7NL Nachlässe >> 7NL 066 Pfarrer Dr. Dr. Johannes Wilkens

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Letzte Aktualisierung
23.06.2025, 08:11 MESZ

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