Bestand
Reichsgruppe Industrie (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Mit dem "Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen
Wirtschaft" vom 27. Feb. 1934 "Wiederaufbaugesetz" (RGBl I 1934 S. 185f)
wurde die rechtliche Grundlage für die Umgestaltung des bisherigen freien
Verbandswesens geschaffen. § 1 des Gesetzes ermächtigte den
Reichswirtschaftsminister:
1. Wirtschaftsverbände
als alleinige Vertreter ihres Wirtschaftszweiges anzuerkennen
2. Wirtschaftsverbände zu errichten, aufzulösen oder
miteinander zu vereinigen
3. Satzungen und
Gesellschaftsverträge von Wirtschaftsverbänden zu ändern und zu ergänzen,
insbesondere den Führergrundsatz einzuführen
4.
die Führer von Wirtschaftsverbänden zu bestellen und abzuberufen
und
5. Unternehmer und Unternehmungen an
Wirtschaftsverbände anzuschließen.
Die am 13. März
1934 durch Reichswirtschaftsminister Schmitt bekanntgegebene
Organisationsstruktur der Organisation der gewerblichen Wirtschaft (OGW)
sah eine Gliederung der Wirtschaft in zwölf Hauptgruppen vor, davon
sieben für die verschiedenen Industriezweige:
I
Bergbau, Eisen- und Metallgewinnung
II
Maschinenbau, Elektrotechnik, Optik, Feinmechanik
III Eisen-, Blech- und Metallwarenindustrie
IV Steine und Erden, Holz-, Bau-, Glas- und keramische
Industrie
V Chemische, Papier- und Papier
verarbeitende Industrie
VI Leder-, Textil- und
Bekleidungsindustrie
VII
Nahrungsmittelindustrie.
Die am 27. Nov. 1934 vom
Reichswirtschaftsminister erlassene Erste Verordnung zur Durchführung des
Gesetzes vom Feb. 1934 (RGBl I 1934 S. 1194) beseitigte diese
Zersplitterung der Industrie durch die Zusammenfassung der sieben Gruppen
in der Reichsgruppe Industrie, in die der Reichsstand/Reichsverband der
Deutschen Industrie durch Anordnung des Reichswirtschaftsministers am 12.
Jan. 1935 überführt wurde. Aus den übrigen Hauptgruppe VIII Handwerk, IX
Handel, X Banken und XI Versicherungen wurden ebenfalls
Reichsgruppen.
Die Reichsgruppe Industrie war
zugleich ein Teil der Organisation der gewerblichen Wirtschaft, die dem
Reichswirtschaftsministerium unterstand. Zusammen mit den übrigen
Reichsgruppen Handwerk, Handel, Banken, Versicherungen,
Energiewirtschaft, Fremdenverkehr (fachlich) und den Wirtschaftskammern
(regional) bildete sie die Untergliederung der Reichswirtschaftskammer.
Sie war nach Bezirken untergliedert in 26 Industrieabteilungen, die die
Verbindung zwischen der Reichsgruppe Industrie und den
Industrie-Unternehmungen herstellten. Den einzelfachlichen Unterbau der
Reichsgruppe Industrie bildeten die Wirtschaftsgruppen, die in einer
Anordnung des Reichswirtschaftsministers als alleinige Vertreter ihres
Fachzweiges anerkannt wurden. Die auf dem jeweiligen Fachgebiet tätigen
Unternehmen waren ihnen als Pflichtmitglieder angeschlossen, die
Reichsgruppe Industrie selbst hatte keine Einzelmitglieder.
Die Geschäftsführung der Reichsgruppe bestand 1941 aus
folgenden 13 Abteilungen unter der Leitung des Hauptgeschäftsführers Dr.
Karl Guth
Abt. I Organisation und
Rechtswesen
Abt. II Innere Verwaltung,
Verkehrswesen, Gewerbe-, Wasser- und
Verwaltungsrecht, Judengesetzgebung
Abt. III
Steuern
Abt. IV Außenhandel
Abt. V Absatzförderung, Patent-, Muster- und Zeichenwesen
Abt. VI Wehrwirtschaft, Rohstoffbewirtschaftung,
Industrieausbau
Abt. VII Werkluftschutz,
Werkschutz und Industrieschutz, Kolonialfragen
Abt. VIII Marktordnung und Betriebswirtschaft
Abt. IX Kartellaufsicht
Abt. X
Sozialwirtschaft
Abt. XI Industrieelle
Qualitätsarbeit
Abt. XII Bank-, Kredit- und
Finanzierungsfragen, Gemeinschaftshilfe, privates
Versicherungswesen
Abt. XIII Statistik und
Wirtschaftsbeobachtung
Angegliederte
Dienststellen: Ausfuhrgemeinschaft für Kriegsgerät (AGK)
Ab 6. Jan 1944 galt folgende neue Gliederung
Generalreferat für Industrieabteilungen
Abt. Z Innere Verwaltung, Haushalt, Gemeinschaftshilfe,
Versicherungsfragen
Abt. I Organisation und
Recht
Abt. II Innere Wirtschaft
(Rohstoffbewirtschaftung, allgemeine Produktion,
Wehrwirtschaft, Wasser und Energie, Verkehr, Ostwirtschaft,
Technisches
Referat
Abt.
III Marktordnung und Betriebswirtschaft
Abt. IV
Steuern und Finanzfragen
Abt. V Sozialeirtschaft,
Kriegsschäden
Abt. VI Außenwirtschaft einschl.
Industrieverschleppung, Messe- und Ausstellungswesen, Werbung
Abt. VII Werkluftschutz
Abt. VIII
Statistik und Wirtschaftsbeobachtung
Angeliedert:
Nachrichtenstelle und Ausfuhrgemeinschaft für Kriegsgerät
Leiter der Reichsgruppe Industrie waren:
bis Dez. 1934: Gustav Krupp von Bohlen-Halbach
ab Dez. 1934: Ewald Hecker, Leiter der
Reichswirtschaftskammer
1935: Ernst Trendelenburg,
Aufsichtsratsvorditzender der Vereinigten Industrie-Unternehmnungen AG
und der Reichskreditgesellschaft AG
ab Dez. 1936:
Gottfried Dierig, Christian Dierig AG und Leiter der Wirtschaftsgruppe
Industrie
ab Nov. 1938: Wilhem Zangen,
Generaldirektor der Mannesmann-Röhrenwerke
Als
beratende Gremien der Reichsgruppe fungierten neben dem im Gesetz
vorgesehenen Beirat der sogenannte Große Beirat und zahlreiche
Ausschüsse. Dem Großen Beirat gehörten neben den Beiratsmitgliedern die
Leiter der Wirtschaftsgruppen und Industrieabteilungen sowie die
Vorsitzenden der 24 (1941) Ausschüsse an. Die Geschäfsführung der
Ausschüsse lag bei den jeweils fachlich zuständigen
Abteilungen.
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Der größte Teil der Akten des
Bestandes R 12 I Reichsgruppe Industrie entstammt einem
Schriftgutkomplex, der nach 1945 von den amerikanischen
Besatzungsbehörden im Ministerial Collecting Center (MCC) in
Hessisch-Lichtenau und Fürstenhagen angelegt wurde. Die dort
zusammengetragenen Akten wurden im Auftrag der Amerikaner von deutschen
Beamten und Angestellten in sogenannten Working Groups oder Sections neu
erschlossen und bearbeitet. Von der Arbeitsgruppe XIX
Wirtschaftsorganisation (Section Economics Organization) wurden auf diese
Weise u. a. Akten der Reichswirtschaftskammer und der Reichsgruppe
Industrie bearbeitet. Über das Verwaltungsamt für Wirtschaft in Minden
und später die Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt/M. gelangten die
Unterlagen schließlich 1951 stark dezimiert in die Zuständigkeit des
Bundeswirtschaftsministeriums nach Duisdorf und wurden dann nach einer
ersten Sichtung, Vorordnung und Aussonderung nicht archivwürdiger
Unterlagen im Juni 1952 an das Bundesarchiv abgegeben.
1962 wurden weitere 128 Aktenbände aus dem Berlin Document Center
übernommen.
Archivische Bewertung und
Bearbeitung
Die 1952 aus dem
Bundeswirtschaftsministerium übernommenen Unterlagen wurden 1966 bzw.
1968 von Archivinspektorin A. Wagener (Teil 1) und Archivinspektor A.
Loos (Teil 2) verzeichnet und vorläufige Archivverzeichnisse angefertigt.
Teil 1 enthielt dabei vorwiegend Unterlagen der Abteilungen V
Sozialwirtschaft, VIII Statistik und Wirtschaftsbeobachtung sowie Z
Gemeinschaftshilfe der Wirtschaft. Bei Teil 2 handelte es sich um eine
Sammlung von Handakten des stellvertretenden Abteilungsleiters der Abt. V
Sozialwirtschaft und Leiter des Kriegsschädenreferats Dr. Wilhelm
Reuss.
Die 1962 vom Berlin Document Center
übernommenen Akten wurden 1977 bearbeitet und als Teil 3 verzeichnet. Da
die Akten zum großen Teil ungeordnet waren und sich häufig mehrere
Betreffe ohne sachlichen Zusammenhang in einem Aktenband befanden, war
eine komplette Neuordnung und Neuformierung von Bänden/Bandfolgen
notwendig. Inhaltlich betrafen diese Akten ebenfalls vorwiegend die Abt.
V Sozialwirtschaft.
Bei der 2009 erfolgten
Neubearbeitung des Bestandes mit der Verzeichnungsdatenbank Basys-S des
Bundesarchivs sind in erster Linie die vorhandenen drei Teilbestände
aufgelöst und die Klassifikation als Gesamtbestand vorgenommen worden.
Die vorher als Teil 2 zusammengefassten Handakten des Dr. Reuss bilden
dabei bis auf wenige Ausnahmen jetzt die Klassifikationsgruppe
Kriegssachschädenregelung. Die Verzeichnungsangaben der bisherigen
vorläufigen Verzeichnisse wurden zum großen Teil ohne weitere Prüfung von
Einzelakten übernommen. In Einzelfällen mussten allerdings Anpassungen
von zu langen Aktentiteln und unübersichtlichen Enthält-Vermerken
vorgenommen werden.
Inhaltliche Charakterisierung:
Vorhanden sind vorwiegend Unterlagen der Abteilungen V Sozialwirtschaft,
VIII Statistik und Wirtschaftsbeobachtung, Z Gemeinschaftshilfe der
Wirtschaft und eine Sammlung von Handakten des stellvertretenden
Abteilungsleiters der Abt. V Sozialwirtschaft und Leiter des
Kriegsschädenreferats Dr. Wilhelm Reuss.
Erschließungszustand:
Online-Findbuch (2009)
Zitierweise: BArch R
12-I/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 12-I
- Umfang
-
380 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Wirtschaft, Rüstung, Landwirtschaft
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Amtliche Druckschriften (der Provenienzstelle)
Marktordnungsgrundsätze der Reichsgruppe Industrie (um 1935)
Gliederung der Reichsgruppe Industrie, hg. von der Geschäftsführung, 1936, 1939, 1941
Literatur (zur Provenienzstelle)
Guth, Karl: Die Reichsgruppe Industrie. Standort und Aufgaben der industriellen Organisation, Berlin 1941 = Schriften der Hochschule für Politik, Neue Folge, Teil 2: Schriften zum Staatsaufbau, Bd. 55/56
Barth, Eberhard: Wesen und Aufbau der Organisation der gewerblichen Wirtschaft, Hamburg 1939
Reinhold, Günter: Die Rechtsform der Wirtschaftsgruppen des organischen Aufbaus der gewerblichen Wirtschaft, Dresden, 1939
Eckert, Rainer: Die Leiter und Geschäftsführer der Reichsgruppe Industrie, ihrer Haupt- und Wirtschaftsgruppen, Teil 1 und 2, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1979 T. IV und 1980, T. I, Berlin, 1979 und 1980
Kahn, Daniela: Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im nationalsozialistischen Deutschland. Das Beispiel der Reichsgruppe Industrie, Berlin 2006
- Provenienz
-
Reichsgruppe Industrie, 1934-1945
- Bestandslaufzeit
-
1930-1945
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
Bundesarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Reichsgruppe Industrie, 1934-1945
Entstanden
- 1930-1945