Bestand
Handakten des Staatsministers von Normann (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Philipp Christian Friedrich von Normann-Ehrenfels (1756-1817) gehörte zu den einflussreichsten Ministern in der Regierungszeit König Friedrichs I.. 1802 wurde er Staatsminister für die aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses an Württemberg gefallenen Gebiete und Präsident der 1803 gegründeten Oberlandesregierung in Ellwangen, der Zentralbehörde für die in einem eigenen Staat zusammen gefassten sogenannten neuwürttembergischen Besitzungen. 1806 bis 1812 war Normann-Ehrenfels Minister des Innern.
Inhalt und Bewertung
Der vorliegende Bestand enthält die auf Neuwürttemberg bezüglichen Handakten des Ministers, die im Wesentlichen aus Gutachten Normanns für den König bestehen. Weitergehende Unterlagen, insbesondere Abschriften aus den Akten, die dem Minister bei der Erstellung seiner Gutachten vorgelegen haben, fehlen zumeist. Die Akten selbst wanderten an das Kabinett oder die zuständige Zentralbehörde zurück. Parallel heranzuziehen sind daher insbesondere Bestand A 15 (Königliches Kabinett: Besitzergreifung und Organisation neuer Landesteile) im Hauptstaatsarchiv Stuttgart sowie D 1 (Oberlandesregierung Ellwangen) bzw. D 2 (Hofkammer Ellwangen). Die Handakten Normanns über allgemeine Landesangelegenheiten sowie altwürttembergische Betreffe wurden bereits 1924 vom Staatsfilialarchiv an das Staatsarchiv Stuttgart abgegeben (heute Bestand A 205: Handakten von Ministern).
Zur Überlieferungsgeschichte: Der 1756 als Sohn eines preußischen Offiziers im pommerischen Stresow geborene Philipp Christian Friedrich von Normann zählt zweifelsohne zu den einflußreichsten württembergischen Staatsbeamten während der Regierungszeit des späteren König Friedrichs I., die aufgrund der territorialen Verschiebungen nach dem Reichsdeputationshauptschluß und der mit der Erhebung Württembergs zum Königreich einhergehenden Umorganisation der Staatsverwaltung zu den großen Umbruchphasen der württembergischen Geschichte gehört. Normann, der nach seiner Ausbildung an der Stuttgarter Karlsschule 1778 als Regierungsrat in die Dienste des württembergischen Königs getreten war, hat in der württembergischen Verwaltung rasch Karriere gemacht und ist 1791 zunächst zum Hofgerichtspräsidenten, 1880 dann zum Geheimen Rat und Vizepräsidenten der Regierung aufgestiegen. Nachdem er seit Ende der neunziger Jahre bei den Verhandlungen in Paris und Regensburg, bei denen es nicht zuletzt um Entschädigungen für die territorialen Verluste Württembergs auf dem linken Rheinufer ging, sein diplomatisches Geschick bewiesen hatte, ernannte ihn Friedrich am 8. Dezember 1802 zum dirigierenden Staatsminister für die neuen Besitzungen, deren durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 bestätigter Anfall an Württemberg seit dem Sonderfrieden zwischen Württemberg und Frankreich im Mai 1802 in Aussicht stand. Am 1. Januar 1803 trat Normann auch an die Spitze der durch das herzogliche Organisationsmanifest vom selben Tag begründeten Oberlandesregierung in Ellwangen, mit der eine eigene Zentralbehörde für Regierungs- und Justizsachen für die zunächst nicht in die altwürttembergische Staatsverwaltung eingebundenen neuen Territorien geschaffen wurde, der eine ebenfalls von dem Staatsminister geleitete Hofkammer zur Seite gestellt wurde. Als Präsident der beiden Behörden amtierte Normann bis zu deren Auflösung im Zuge der Umstrukturierungen im württembergischen Staatsaufbau nach der Erhebung zum Königreich am 1. Januar 1806. In seiner Eigenschaft als Staatsminister für die neuen Lande gehörte Normann zusammen mit dem Außenminister und dem Kriegsminister auch dem am 7. Mai 1803 gegründeten und mehr repräsentativen Charakter tragenden Staatsministerium an, in dem Neu- und Altwürttemberg gemeinsam betreffende Fragen behandelt werden sollten. Nach der Einrichtung der Ministerialverfassung am 1. Januar 1806 übernahm der am selben Tag zum Grafen erhobene Normann das neugeschaffene Amt eines Ministers des Innern, das er bis zu seiner Pensionierung am 7. Juni 1812 innehatte. Während seiner Amtszeit als dirigierender Staatsminister hat von Normann den von ihm nominell geleiteten Zentralbehörden für Neuwürttemberg tatsächlich nur in seltenen Fällen präsidiert; da die Behörden in der Regel direkt mit dem König, der als absolutistischer Fürst weitgehend aus dem Kabinettregierte, kommunizierten, beschränkte sich Normanns Tätigkeit zumeist darauf, dem Herzog bzw. Kurfürsten in all den Fällen, in denen dieser von ihm einen mündlichen Ratschlag oder ein schriftliches Gutachten einforderte, als Berater zuzuarbeiten. Als solcher ist er im Laufe seiner Amtszeit freilich zu immer größerem Einfluß gelangt. Was sich als sog. "Handakten" des Staatsministers aus den Jahren 1802 bis 1806 erhalten hat, ist damit das typische Ergebnis einer absolutistischen Regierung aus dem Kabinett. Die Überlieferung spiegelt daneben die Sonderstellung wider, die Normann in seiner Funktion als Staatsminister für die neuen Lande innerhalb des Behördenaufbaus Gesamtwürttembergs einnahm. Ob diese Überlieferung dem klassischen Verständnis von "Handakten" entspricht, erscheint zumindest zweifelhaft. Da von Normann in den Jahren 1802 bis 1806 für das absolutistisch regierte Neuwürttemberg Aufgaben wahrnahm, die in Altwürttemberg dem Geheimen Rat oblagen, und die in dem Bestand vereinigten Akten im Rahmen dieser Tätigkeit entstanden, also kein zusätzlich zu besonderen Zwecken angelegtes Schriftgut darstellen, könnten sie, zumindest soweit sie neuwürttembergische Belange betreffen, auch einer Provenienz "Staatsministerium für die neuen Lande" zugeordnet werden, für die eine gesonderte Überlieferung ansonsten nicht existiert, aufgrund von Normanns Stellung auch gar nicht existieren kann. Die in dem Bestand vereinigten Vorgänge bestehen in den allermeisten Fällen nur aus wenigen Schriftstücken, zu denen in der Regel die Kabinettsordre des Herzogs bzw. Kurfürsten, mit der der Staatsminister zur Abgabe eines Gutachtens - nicht selten zu einem von einer neuwürttembergischen Zentralbehörde an den Landesfürsten gerichteten "Anbringen" - aufgefordert wurde, das Konzept der Stellungnahme Normanns sowie eine weitere Kabinettsordre gehörte, mit der dem Staatsminister die in den meisten Fällen dem Gutachten folgende Entscheidung des Fürsten mitgeteilt wurde. Die dem Minister zunächst meist ebenfalls vorgelegten Vorakten gingen nach Erledigung normalerweise an das Kabinett bzw. die betreffende Zentralbehörde zurück, ohne daß für die Registratur des Staatsministers Abschriften angefertigt wurden, so daß in den Akten Normanns in vielen Fällen lediglich der Schriftwechsel zwischen Herzog Friedrich und dem Minister dokumentiert ist. Allerdings sind in den Akten auch Vorgänge enthalten, in denen Normann direkt, also ohne Einschaltung des Fürsten, mit einzelnen Behörden Neuwürttembergs in Verbindung trat. Als Gegenüberlieferung ist daher in jedem Fall auch das Schriftgut des Königlichen Kabinetts (vgl. HStA Stuttgart, Bestand A 15: Königliches Kabinett, Akten der Besitzergreifung und Organisation neuer Landesteile (18021807) und der neuwürttembergischen Zentralbehörden (StA Ludwigsburg, Bestände D 1: Oberlandesregierung und D 2: Hofkammer heranzuziehen. Die Akten spiegeln in ihrer Gesamtheit die vielfältige Tätigkeit Normanns als Staatsminister wider; sie dokumentieren dabei nicht zuletzt die anhand einzelner Entscheidungen ablesbaren Kräfteverhältnisse am Hof des absolutistisch regierenden Friedrichs I. und stellen damit eine wichtige Quelle für die württembergische Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts dar.
Zur Bestandsgeschichte: Die "Handakten" des Freiherren bzw. Grafen von Normann-Ehrenfels wurden im Dezember 1845 von der Registratur des Ministers des Innern an das Archiv des Innern abgegeben, "mit dem Vorhaben, sachgemäßerer Eintheilung dieses Aktenmaterials, vollständigerer und richtigerer Verzeichnung und Judicirung". Das Schriftgut, von dem Reste allem Anschein nach im Ministerium verblieben, war zu diesem Zeitpunkt in acht Fächer, diese wiederum in verschiedene Faszikel eingeteilt, wobei die Aufteilung der einzelnen Faszikel auf die verschiedenen Fächer offensichtlich nicht nach inhaltlichen Kriterien vorgenommen worden war. Wie eines der erhaltenen Geschäftstagebücher des Staatsministers belegt, hatte man in dessen Registratur ursprünglich eine Reihe von Betreffsakten gebildet. Diese muß bereits in der Registratur des Innenministeriums aufgelöst worden sein, denn die auf den Aktenumschlägen angegebenen Titel decken sich nicht mit den in dem Journal genannten; darüber hinaus tragen die Faszikel als Signatur in der Regel nur eine Nummer (in arabischen Ziffern), zu der in einigen Fällen auch die des betreffenden Fachs (in römischen Ziffern) tritt (= Vorsignatur 1). Der 1845 in das Archiv des Innern gelangte Bestand wurde schon kurz nach der Ablieferung anhand der Aktenaufschriften verzeichnet und geordnet, so daß bereits 1846 ein Findbuch vorlag. Dabei hat man das gesamte Schriftgut auf fünf Abteilungen (Allgemeine Landesangelegenheiten, Altwürttembergische Gegenstände, Neuwürttembergische Gegenstände im Allgemeinen und im Besonderen sowie Miszellen) aufgeteilt, wobei die Generalia zu Neuwürttemberg wiederum in neun Unterabteilungen, die Spezialia alphabetisch nach einzelnen Orten untergliedert wurden. Nachdem der Bestand 1908 mit dem Archiv des Innern in das nunmehrige Staatsfilialarchiv Ludwigsburg eingegliedert worden war, ist im Jahr 1924 das Schriftgut der Abteilungen A (Allgemeine Landesangelegenheiten) und B (Altwürttembergische Gegenstände) mit Ausnahme von vier Faszikeln an das Stuttgarter Staatsarchiv abgegeben worden, wo es heute einen Teil des Mischbestandes A 205 (Handakten von Ministern) bildet. 1982 wurde im Staatsarchiv Ludwigsburg damit begonnen, die hier verbliebenen Akten neu zu verpacken und zumzusignieren, wobei die alten dreiteiligen Signaturen (Abteilung, Unterabteilung, Faszikelnummer = Vorsignatur 2) durch eine laufende Büschelnummer ersetzt wurden. Die damals gebildeten Büschel entsprachen im wesentlichen den alten Faszikeln; lediglich wo Subfaszikel bestanden, wurden diese, wenn auch nicht konsequent, mit einer eigenen Büschelnummer versehen. Angesichts des unbefriedigenden Erschließungszustands und der wenig glücklichen Ordnung des Bestands wurde dieser im April/Mai 1991 von dem Unterzeichneten vollständig neu verzeichnet und geordnet. Da eine Rekonstruktion der Ordnung, die das Schriftgut in der Registratur des Staatsministers erhalten hatte, nicht mehr möglich war, und die Akten nach der Abgabe aller Gesamt- und Altwürttemberg betreffenden Vorgänge nahezu ausschließlich auf Neuwürttemberg bezügliche Archivalien umfassen, lag eine Klassifizierung des Aktenmaterials nach den Aufgaben derjenigen Behörden nahe, denen Normann als dirigierender Staatsminister nominell vorstand. Da Normann als Präsident von Oberlandesregierung und Hofkammer letztlich für sämtlich Neuwürttemberg betreffenden Belange zuständig war, entspricht die entstandene Gliederung im Grunde den Geschäftsbereichen der klassischen Ministerien (mit Ausnahme von Auswärtigem und Militärwesen). Diese wurden etwa durch die Herauslösung eines eigenen Bereichs "Forst- und Jagdsachen" (entsprechend dem Forst- und Jagddepartement für Neuwürttemberg) der spezifischen Gegebenheiten Neuwürttembergs angeglichen. Weitgehend aufgelöst wurde bei der Neuverzeichnung der nach der 1845 geschaffenen Ordnung die meisten Akten umfassende Komplex der neuwürttembergischen Spezialia. Um der Einheitlichkeit willen wurde als Verzeichnungseinheit der einzelne Vorgang zugrunde gelegt, weswegen alle Faszikel, die mehrere Subfaszikel (=Vorgängen) enthielten, konsequent aufgeteilt wurden. So ist Büschel 41 jetzt unter den Bestellnummern 324 bis 329, und Büschel 95 auf die Bestellnummern 301323 zu finden. Schon bei der Umsignierung im Jahr 1982 ist eine Serie von Reinkonzepten, zu denen in einigen Fällen bereits eigene Vorgänge mit dem Konzept existierten, aufgelöst worden. Um die alten Ordnungszusammenhänge nicht zu verwischen, sind die Reinkonzepte, zu denen bereits ein Vorgang vorlag, diesem nicht beigeordnet, sondern als separate Büschel beibehalten worden. Ein in Büschel Nr. 240 enthaltener Faszikel aus der Registratur der Oberlandesregierung wurde in den Bestand D 1 (Bü. Nr. 1334a) eingereiht. Der Bestand umfaßt nunmehr 328 Archivalieneinheiten = 1,8 lfd. m. Ludwigsburg, September 1991 Dr. Müller
Literatur: Max Müller: Die Organisation und Verwaltung von Neuwürttemberg unter Herzog und Kurfürst Friedrich. Stuttgart, Berlin 1934. Friedrich Wintterlin: Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg. Erster Teil. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1902. Paul Sauer: Der schwäbische Zar. Friedrich - Württembergs erster König. Stuttgart 1984. Eugen Schneider: Normann, Philipp Christian Friedrich, Graf von. In: ADB 24 (1887) S. 20. Churfürstlich-Würtembergisches Adreß-Buch, auf das Jahr 1803. Nebst einem Anhange der Etate einer freien Reichsritterschaft in Schwaben. Stuttgart o.J. Churfürstlich-Würtembergisches Adreß-Buch, auf das Jahr 1804. Nebst einem Anhange der Etate einer freien Reichs-Ritterschaft in Schwaben. Stuttgart o.J. August Ludwig Reyscher (Hrsg.): Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der württembergischen Gesetze. Bd. 14. Tübingen 1843.
Konkordanz: Bestellnr. Ordnungnr. 1 1 2 2 3 3 4 4 5 178 6 256 7 27 8 50 9 17 10 26 11 51 12 28 13 25 14 18 15 29 16 158 17 239 18 42 19 99 20 15 21 14 22 16 23 30 24 22 25 326 26 47 27 74 28 45 29 311 30 315 31 53 32 12 33 13 34 43 35 75 36 317 37 72 38 32 39 169 40 19 42 54 43 56 44 59 45 76 46 63 47 77 48 58 49 189 50 109 51 111 52 68 53 78 54 44 55 46 56 48 57 224 58 119 59 57 60 176 61 180 62 177 63 183 64 186 65 204 66 52 67 221 68 205 69 207 70 208 71 232 72 209 73 222 74 223 75 88 76 308 77 314 78 31 79 244 80 133 81 259 82 316 83 275 84 36 85 276 86 81 87 269 88 270 89 235 90 236 91 234 92 225 93 313 94 318 96 253 97 142 98 243 98a 254 99 255 100 246 101 328 102 268 103 167 104 8 105 213 106 10 107 11 108 288 109 9 110 319 111 5 112 7 113 6 114 165 115 161 116 66 117 162 118 166 119 164 178 300 179 301 180 112 181 113 182 20 183 21 184 215 185 172 186 152 187 273 188 23 189 227 190 230 191 228 192 229 193 151 194 247 195 70 196 287 197 263 198 64 199 283 200 284 201 103 202 65 203 293 204 153 205 231 206 106 207 295 208 323 209 266 210 251 211 24 212 37 213 168 214 134 215 69 216 285 217 226 218 175 219 262 220 264 221 305 222 192 223 98 224 154 225 194 226 240 227 241 228 217 229 218 230 114 231 286 232 216 233 67 234 170 235 155 236 292 237 182 295 203 296 252 297 110 298 237 299 214 300 325 301 86 302 90 303 125 304 91 305 93 306 95 307 96 308 100 309 130 310 127 311 94 312 137 313 115 314 116 315 117 316 118 317 83 318 82 319 121 320 129 321 131 322 123 323 135 324 55 325 61 326 80 327 62 328 60 329 79
- Reference number of holding
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, D 10
- Extent
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328 Büschel (2,0 lfd. m)
- Context
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Behörden der Übergangszeit um 1803-um 1817 >> Staatliche Behörden in Neuwürttemberg 1803-1806
- Date of creation of holding
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1802-1806 (Na bis 1845/46)
- Other object pages
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- Rights
-
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- Last update
-
16.08.2024, 4:40 AM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1802-1806 (Na bis 1845/46)