Bestand
Menz-Nordeck: Familien-, Guts- und Herrschaftsarchiv der Milchling v. Schönstadt (Bestand)
Enthält: Familien-, Guts- und
Herrschaftsarchiv der Milchling v. Schönstadt
Aufsatz: Das Archiv der
Familie Milchling von Schönstadt gelangte 1896 als Depositum in das
Staatsarchiv Marburg. Während der umfangreiche Urkundenbestand
bereits im selben Jahr erschlossen wurde, blieb die Masse der
Amtsbücher und Akten ungeordnet. Lediglich einige wenige Akten, die
über die Familiengeschichte Auskunft geben, wurden noch im
ausgehenden 19. Jahrhundert verzeichnet.
Die
Erschließung der übrigen Archivalien erfolgte im Rahmen einer
Verzeichnungsübung des 40. Fachhochschulkurses der Archivschule
Marburg unter der Leitung von Dr. Alexandra Lutz. In der Zeit von
September bis Dezember 2003 wurden hierauf jeweils vier
Unterrichtswochenstunden verwandt. Der Bestand umfasst eine
Laufzeit von 1504 - 1887 und besitzt einen Gesamtumfang von 5,8
lfm. Ein Großteil der Amtsbücher, aber auch ein großer Teil des
Aktenbestandes bezieht sich auf die finanziellen Angelegenheiten
und die Güterverwaltung der Familie. Über die Verwaltung der Güter
und die Finanzangelegenheiten geben neben den Amtsbüchern auch die
Akten zum Rechnungswesen, zur Pacht und zum Handel Auskunft. Ein
bedeutsamer Teil der Überlieferung besteht zudem aus
Prozess-Unterlagen und Rechtstreitigkeiten, die über Erbansprüche,
Jagd- und Fischereirechte, Landbesitz, Zehnt- und
Pachtangelegenheiten, gerichtliche Zuständigkeiten bei Bestrafungen
und grundherrliche Rechte geführt wurden. Weitere Archivalien
gelangten aufgrund der Ämter, die verschiedene Vertreter der
Familie innehatten, in das Familienarchiv. Hervorzuheben sind hier
beispielsweise Unterlagen zur Verwaltung des Klosters Haina, zur
Ritterschaft und zum Landtag sowie zur Universität. Bezüge zur
Landesherrschaft finden sich durch landesherrliche Dekrete, durch
das Lehnswesen und durch Wegeangelegenheiten, aber auch durch
einige Archivalien, die in den Kontext der Landespolitik gehören.
Hervorzuheben ist hier beispielsweise der Entwurf einer
Landfriedensordnung von 1555. Bemerkenswert ist zudem die
Korrespondenz der Familie, die nicht nur aus den Briefen selbst,
sondern im ausgehenden 18. Jahrhundert auch aus Briefprotokollen
einzelner Jahre besteht. Hierin wurden Verzeichnisse der
eingehenden wie ausgehenden Briefe angelegt, denen die - nunmehr
registrierten und durchnummerierten - Briefe beigefügt wurden. Die
Briefe selbst sind sowohl privater als auch geschäftlicher Natur.
Das Familienarchiv Milchling von Schönstadt bietet somit zahlreiche
Informationen zur Lokalhistorie, zur Gutswirtschaft sowie zur
Lebenswelt des frühneuzeitlichen Landadels. Von Interesse ist auch
die Familiengeschichte selbst, zu der bislang nur wenige
Nachrichten vorliegen. Familiengeschichte Urkundlich wird die
Familie 1322 unter dem Namen 'Milchling von Michelbach' erstmals
erwähnt, der Familienname rührt vermutlich von den 'Schutzbar
genannt Milchling' her. Als weiteres Namensattribut findet sich -
neben Michelbach - in dieser Zeit 'Nordeck', 1331 tritt die
Bezeichnung als Milchling von Schönstadt erstmals in Erscheinung.
Der Zweig der Familie Milchling von Schönstadt stand von ca. 1280
bis 1806 als Lehnsmannen im Dienst der Erzbischöfe von Mainz.
Während dieser Zeit hatten sie die gesamten Mainzer Lehen im Raum
Schönstadt inne. Die Vertreter der Familie hatten die Funktion des
Amt- und Burgmanns auf den Mainzer Burgen zu Battenberg und Mellnau
inne. Ab 1464 erhielten die Milchlingeihre Burg- und Mannlehen vom
Erzbischof und vom Landgrafen von Hessen, da die Burg Mellnau und
der gesamte Burgwald auf unbestimmte Zeit an den Landgrafen von
Hessen verpfändet waren. 1480 musste die Familie ihr Burglehen zu
Mellnau vorübergehend an die Stadt Wetter abgeben. 1527 trat sie
zur evangelischen Religion über. 1531 kam es zu einer Erbteilung
zwischen den beiden Brüdern Johann und Franz Milchling von
Schönstadt, wobei Johann den Burgsitz zu Schönstadt und Franz den
Burgsitz zu Mellnau erhielt. Beide Brüder verstarben um 1550
kinderlos. Nun wurde die Familie von einem jüngeren Zweig des
Geschlechts, der seit 1544 auf dem Gut Helmighausen bei Waldeck
lebte, beerbt. Mit der Tätigkeit Johanns des Älteren als Amtmann
(1534-1567) von Eilhausen und als Gesandter des Grafen von Waldeck
beginnt die Überlieferung des Bestandes. Einer seiner Söhne, Johann
der Jüngere, trat als hessischer Hofrat unter Philipp dem
Großmütigen als Oberamtmann zu Katzenelnbogen in Erscheinung. Ein
anderer, Johann Philipp, bekleidete die Funktion eines
landgräflichen Rittmeisters. Etwa um 1600 und 1650 übten Georg der
Ältere und Georg der Jüngere die Ämter des Fürstlich Hessischen
Hofgerichtsrats zu Marburg und des Obervorstehers der Hessischen
Ritterschaft aus. Daneben waren sie als Obervorsteher der
hessischen Hospitäler tätig. Diese Ämter wurden um 1700 und 1750
von Georg Moritz und Georg Friedrich Milchling von Schönstadt
bekleidet. Georg Friedrich ließ das jetzige Schloss zu Schönstadt
errichten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die familieneigenen
Renten und Zehnten gegen eine Entschädigung abgelöst. 1865 kaufte
Ludwig Ferdinand Milchling von Schönstadt den Burgsitz zu Mellnau,
der jahrhundertelang Mainzer Lehnsbesitz gewesen war. Das Schloss
zu Schönstadt mit dem dazugehörigen Erbgut veräußerte er 1890 an
Dr. Eugen Lucius aus Frankfurt. Ludwig Ferdinand zog nun auf das
Weingut seiner Frau bei Leimen südlich von Heidelberg. Die
Burgruine zu Mellnau blieb jedoch weiterhin in seinem Besitz, so
dass er Mitglied der Althessischen Ritterschaft blieb. Von den
Söhnen Ludwig Ferdinand Milchling von Schönstadts verstarb einer im
Jahr 1900 als Kaufmann in Singapur, ein anderer 1914 als
preußischer Major in Mainz. Der dritte Sohn, Georg Dietrich, musste
sein einzig verbleibendes Grundvermögen zu Mellnau verkaufen,
nachdem er völlig verarmt als Oberst aus dem Krieg zurückgekehrt
war. Bis 1935 übte die Familie jedoch noch Patronatsrechte in den
Kirchen zu Schönstadt (mit Reddehausen, Bernsdorf und Bürgeln),
Oberrosphe und Sterzhausen aus. Mit dem Tode des Georg Dietrich
Milchling von Schönstadt am 6. September 1937 starb das Geschlecht
in der männlichen Linie aus.
Bestandsgeschichte
Ein erste Ordnung bzw. Verzeichnung des Archivs der Familie
Milchling von Schönstadt erfolgte bereits im ausgehenden 18.
Jahrhundert. Ein Vertreter der Familie, Dietrich Georg Ludwig
Milchling von Schönstadt, hatte in den Jahren von 1785 bis 1797
eine 'Untersuchung des Milchling von Schönstädtischen
Briefschaften-Schranks' angefertigt. Hierin erstellte er ein
Verzeichnis der Archivalien, die sich zu diesem Zeitpunkt in dem
Briefschaften-Schrank der Familie befanden. Er hielt jeweils das
Datum fest, an dem er die Arbeit vornahm, und notierte
anschließend, welche Archivalien sich in den 40 Schubladen des
Archiv-Schranks befanden. Ein klares Ordnungsschema lag bei den so
erfassten Schriftstücken nicht vor, so dass das
'Briefschaften-Verzeichnis' später nur bedingt für die
Ordnungsarbeiten herangezogen werden konnte. Hilfreich waren
dennoch die knappen Zusammenfassungen des jeweiligen Inhalts der
Unterlagen. Der im ausgehenden 18. Jahrhundert vorliegende
Ordnungszustand war nach der Übernahme in das Staatsarchiv Marburg
nicht mehr erhalten. Im Vorfeld der Übernahme im Jahr 1896 hatten
das Staatsarchiv, vertreten durch Herrn Reimer, und der Pfarrer
Heldmann als Vertreter der Familie Milchling von Schönstadt einen
regen Schriftwechsel geführt. Der Pfarrer Heldmann hatte eine
vorläufige Inventarisierung und Ordnung vorgenommen, von der jedoch
bei der Ankunft im Staatsarchiv am 8. Oktober 1896 nichts mehr zu
erkennen war. Die Archivalien waren anscheinend ungeordnet in
Säcken verstaut und dem Archiv in zwei Kisten und vier Säcken
übersandt worden. Die Urkunden aus dem 14. Jahrhundert wurden
zunächst durch die Familie zurückgehalten und am 27.10.1896
nachgereicht. Im Oktober desselben Jahres wurde ein
Depositalvertrag durch das Staatsarchiv Marburg aufgesetzt. Die
Endfassung des Vertrages enthält u.a. folgende Punkte: ·
Anfertigung eines ausführlichen Verzeichnisses, · Recht auf
Ausleihe der Archivalien durch die Familie und ernannte Personen
(Rückforderungsrecht durch das Staatsarchiv), · wissenschaftliche
Benutzung durch Benutzungsordnung, nicht wissenschaftliche durch
die Familie geregelt, · Ausnahmeregelungen, die der Zustimmung der
Familie bedürfen: Patronatsrechte, Grundstückssachen, · bei
Rückforderung des Bestands durch die Familie sind
Endschädigungsleistungen an das Archiv zu zahlen. Mit der
Verzeichnung der Unterlagen wurde im Jahr 1896 begonnen, dann
jedoch - wie eingangs beschrieben - abgebrochen. Am 04. September
1897 wurde ein Verzeichnis der aus dem Bestand herausgezogenen
Urkunden erstellt. Diese enthielten v.a. Lehnsangelegenheiten,
Verkäufe, Zehntsachen, Patronatsangelegenheiten und Siegelungen in
fremder Sache.
Die weitere Bearbeitung des Bestandes
erfolgte schließlich im Rahmen einer Verzeichnungsübung des 40.
Fachhochschulkurses der Archivschule Marburg. Da der Bestand sehr
ungeordnet war, mussten hierbei weitreichende Ordnungsarbeiten
vorgenommen werden. Dazu gehörte u.a., dass die auf zahlreiche
Aktenpakete verteilten Prozessunterlagen auch physisch wieder
zusammengeführt wurden. Kassationen wurden aufgrund des
Kassationsverbotes für Schriftgut bis zum Grenzjahr 1900 nicht
vorgenommen. Der Erhaltungszustand des Bestandes war zum Zeitpunkt
der Erschließung, abgesehen von Tintenfraß-, Wasser und Wurmschäden
an einigen, wenigen Stücken, gut.
Findmittel: Neuklassifikation
durch Helmut Klingelhöfer, Mai 2013.
Findmittel: HADIS-Datenbank
durch Retrokonversion einer Archivschulverzeichnung mit
Midosa.
Referent: Kli,
2002
- Reference number of holding
-
Hessisches Staatsarchiv Marburg, 340 Milchling von Schönstadt
- Extent
-
4,75 m
- Context
-
Hessisches Staatsarchiv Marburg (Archivtektonik) >> Gliederung >> Nichtstaatliche Archive und Deposita >> Familienarchive und Nachlässe >> Menz-Nordeck
- Related materials
-
Korrespondierende Archivalien: Urkunden in den Beständen Urk. 129 Milchling von Schönstadt [ehemals X 5 Milchling von Schönstadt] und Urk. 49 [ehemals A VI Milchling von Schönstadt]
Literatur: Weber, Armin, Das Gericht Schönstadt - Ein ländlicher Gerichtsbezirk in seiner Entstehung und Verfassung, Cölbe 1985.
Literatur: Die Milchlinge von Schönstadt (Teil 2), in: Hessenland - Geschichte, Landschaft und Volkstum, 10. Jahrgang, Folge 24, 1963.
Literatur: Bock, Friedrich/ Müller, Karl, Festschrift: 775 Jahre Schönstadt, Cölbe-Schönstadt 2000.
Literatur: Die Milchlinge von Schönstadt (Teil 1), in: Hessenland - Geschichte, Landschaft und Volkstum, 10. Jahrgang, Folge 23, 1963.
Literatur: Festschrift: 750 Jahrfeier Schönstadt, Cölbe-Schönstadt 1975.
Literatur: Lotzenius, Ludwig, Geschichte der hessischen Ämter Battenberg und Wetter, Band 2, Marburg 1931, Seite 246 - 249.
- Date of creation of holding
-
1541-1900
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
27.05.2024, 10:19 AM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1541-1900