Bestand

304 - Emma Giesen (Bestand)

Verwaltungsgeschichte/biografische Angaben: Emma Zurkuhlen wurde 1895 als älteste Tochter des aus Wesel am Niederrhein stammenden Korkschneiders Heinrich Zurkuhlen (1869-1956) und seiner Frau Karoline geborene Lehn (1871-1952) geboren. Die Familie mit vier Kindern (Emma *1895; Elisabeth *1900; Karl Friedrich Heinrich, genannt Heiner 1906-1939; Karl *1908) zog häufig um und der Vater wechselte mehrfach den Beruf. 1915 hatte die Familie sich etabliert. Die Zurkuhlens wohnten in der Kyffhäuserstraße 11 und Heinrich Zurkuhlen arbeitete als Vollziehungsbeamter.
Da hatte Emma Zurkuhlens Leben schon Fahrt aufgenommen: Gegen den anfänglichen Widerstand ihrer Eltern begann sie 1909 nach Abschluss der Volksschule eine Ausbildung beim Fotografen August Füller. Nach zweijähriger Ausbildung trat sie eine Stelle bei der Photokunstanstalt von Alphonse Schmidt in Mannheim an, mit dem sie eine langjährige Freundschaft verband. 1914 zog sie bei ihren Eltern aus, weil sie ledig schwanger geworden war und damit auf wenig Verständnis stieß. Zur Geburt ihres Kindes ging sie nach Dortmund. Die Eltern des gefallenen Kindsvaters adoptierten den Jungen, verhinderten aber jeglichen Kontakt der leiblichen Mutter. Emma Giesen lernte ihren Sohn erst im Jahr 1941 kennen, nachdem die Adoptiveltern gestorben waren. Sie blieb allerdings mehrere Jahre im Ruhrgebiet und arbeitete zum Beispiel im Fotografischen Atelier Hammerschlag in Dortmund. Weitere Erfahrungen sammelte bei den Fotografinnen Gertrud Hesse und Toni Tepe, die ihre Werkstätten für Kamera-Bildnisse in Dortmund und Duisburg hatten. Auf diese Zeit geht nicht nur ihre innovative Auffassung von Porträtfotografie zurück, sondern hier liegen auch die Anfänge eines langjährigen Fotografinnennetzwerks.
1923 heiratete sie den aus Repelen bei Moers stammenden Konditor Lambert Giesen. Ihre Tochter Ursula kam 1924 zur Welt. Die Familie ging gemeinsam nach Worms, aber ein Zusammenleben war wohl nicht möglich. Schon im Jahr 1926 waren sie an unterschiedlichen Adressen gemeldet. Die Ehe wurde 1930 geschieden und ein gutes Jahr später verließ Lambert Giesen Worms. Mutter und Tochter lebten in der Roonstraße 16 (heute: Heidenhainstraße).
1928 machte sich Emma Giesen selbstständig, wobei sie in den ersten Jahren in einer Ecke ihrer Privatwohnung fotografierte oder Außenaufträge annahm. Mit ihrer modernen Auffassung des Porträts machte sie sich schnell einen Namen und wurde zu einer gefragten Fotografin, bei der sich die renommierten Wormser Familien fotografieren ließen. Zu ihren großen Stärken zählten Kinderbilder (304/0169; 304/0556). Zeitgleich war sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau. 1935 bezog sie einen Laden in der Gaustraße 37. Von ihrem Erfolg zeugen auch die vielen Belege, die ihre Tochter in einem privaten Fotoalbum zusammengetragen hat. Das Geschäft florierte. Zeitweise arbeitete sie mit zwei Angestellten - Emma Maurer und Gisela Völking - und ihre Tochter musste mithelfen. In den späten 1930er Jahren machte sie den Führerschein, erwarb ein Auto und konnte sich Urlaubsreisen leisten.
Emmas Giesens Tochter Ursula ließ sich ab 1938 in Darmstadt und Kassel zur Fotografin ausbilden und arbeitete danach im Geschäft ihrer Mutter. Im Krieg wurde das Haus in der Gaustraße 37 durch Bomben beschädigt. Bei dem Bombenangriff Anfang des Jahres 1945 sind auch viele Glasplattennegative zerstört worden . Nach einer Phase, die von Materialknappheit geprägt war, konnte der Fotobetrieb fortgesetzt werden. Spätestens ab den 1950er Jahren lief das Geschäft wieder so erfolgreich, dass die Familie ein Haus im Musikerviertel erwerben konnte.
1956 trat Ursula Giesen als Teilhaberin in das Geschäft ihrer Mutter ein. Mit 71 Jahren übergab Emma Giesen das Geschäft ihrer Tochter Ursula, die es gemeinsam mit ihrem Mann, dem Bildjournalisten und Tierfotografen Helmut Orth (geb. 1916), unter dem Namen Orth-Giesen führte. Aus der Zeit, in der Ursula Orth-Giesen und ihr Mann das Geschäft führten, ist allerdings nur ein einziges Bild überliefert (304/0571), obwohl auch sie mit der Farbfotografie Neuerungen wagten und erfolgreich waren, wie ein Artikel aus der Wormser Zeitung vom 04.11.1978 zum 50jährigen Jubiläum belegt. Das neue Geschäft am Neumarkt 12 mit großzügigeren Räumen wurde im Jahr 1975 bezogen.
Der Fotograf Klaus Dölger, der später ein Fotostudio in Lorsch führte, übernahm den Laden am Neumarkt 12 im Jahr 1985 von Ursula Orth-Giesen. Die fotografische Tradition in der Familie setzte sich durch Heiner Orth, den Sohn von Ursula Orth-Giesen und Helmut Orth, fort. Er ist als Fotograf in Hamburg tätig. Als weitere Traditionslinie ist das Alterswerk von Ursula Orth-Giesen, die Ausstellung "Wormser Köpfe", zu betrachten. Die circa 50 qualitätvollen Porträtserien in schwarz-weiß zeigen einflussreiche Personen aus der Wormser Stadtgesellschaft und schließen mit ihrer Ausdrucksstärke und Ästhetik an die herausragenden Porträts von Emma Giesen aus den 1930er Jahren an. Sie sind als Unterbestand 304-1 erschlossen.
Der Name Giesen steht in Worms für eine Fototradition, die ihren Niederschlag in vielen Familienalben fand. Einen Teil dieser Bilder, vor allem Negative, verwahrt das Stadtarchiv als Bestand 304 (siehe Bestandsgeschichte) und dokumentiert damit das Wirken dieser begabten Porträtfotografin, die mit viel Willensstärke und Geschäftssinn, trotz aller Widrigkeiten und persönlichen Krisen, ein erfolgreiches Fotoatelier aufbaute.

Vorwort: Abt. 304 - Emma Giesen
Umfang: 1033 Fotografien (= 818 Glasplattennegative, 87 Planfilme, 128 Positive) = 682 VE Datenbank (Stand 05/2021)
Laufzeit: 1910-1913, 1919-1955, 1970
Zitierhinweis: Stadtarchiv Worms, Abt. 304 Nr. 0001-0682
Emma Giesen (1895-1982)
Geschichte des Bestandsbildners
Emma Zurkuhlen wurde 1895 als älteste Tochter des aus Wesel am Niederrhein stammenden Korkschneiders Heinrich Zurkuhlen (1869-1956) und seiner Frau Karoline geborene Lehn (1871-1952) geboren. Die Familie mit vier Kindern (Emma *1895; Elisabeth *1900; Karl Friedrich Heinrich, genannt Heiner 1906-1939; Karl *1908) zog häufig um und der Vater wechselte mehrfach den Beruf. 1915 hatte die Familie sich etabliert. Die Zurkuhlens wohnten in der Kyffhäuserstraße 11 und Heinrich Zurkuhlen arbeitete als Vollziehungsbeamter.
Da hatte Emma Zurkuhlens Leben schon Fahrt aufgenommen: Gegen den anfänglichen Widerstand ihrer Eltern begann sie 1909 nach Abschluss der Volksschule eine Ausbildung beim Fotografen August Füller. Nach zweijähriger Ausbildung trat sie eine Stelle bei der Photokunstanstalt von Alphonse Schmidt in Mannheim an, mit dem sie eine langjährige Freundschaft verband. 1914 zog sie bei ihren Eltern aus, weil sie ledig schwanger geworden war und damit auf wenig Verständnis stieß. Zur Geburt ihres Kindes ging sie nach Dortmund. Die Eltern des gefallenen Kindsvaters adoptierten den Jungen, verhinderten aber jeglichen Kontakt der leiblichen Mutter. Emma Giesen lernte ihren Sohn erst im Jahr 1941 kennen, nachdem die Adoptiveltern gestorben waren. Sie blieb allerdings mehrere Jahre im Ruhrgebiet und arbeitete zum Beispiel im Fotografischen Atelier Hammerschlag in Dortmund. Weitere Erfahrungen sammelte bei den Fotografinnen Gertrud Hesse und Toni Tepe, die ihre Werkstätten für Kamera-Bildnisse in Dortmund und Duisburg hatten. Auf diese Zeit geht nicht nur ihre innovative Auffassung von Porträtfotografie zurück, sondern hier liegen auch die Anfänge eines langjährigen Fotografinnennetzwerks.
1923 heiratete sie den aus Repelen bei Moers stammenden Konditor Lambert Giesen. Ihre Tochter Ursula kam 1924 zur Welt. Die Familie ging gemeinsam nach Worms, aber ein Zusammenleben war wohl nicht möglich. Schon im Jahr 1926 waren sie an unterschiedlichen Adressen gemeldet. Die Ehe wurde 1930 geschieden und ein gutes Jahr später verließ Lambert Giesen Worms. Mutter und Tochter lebten in der Roonstraße 16 (heute: Heidenhainstraße).
1928 machte sich Emma Giesen selbstständig, wobei sie in den ersten Jahren in einer Ecke ihrer Privatwohnung fotografierte oder Außenaufträge annahm. Mit ihrer modernen Auffassung des Porträts machte sie sich schnell einen Namen und wurde zu einer gefragten Fotografin, bei der sich die renommierten Wormser Familien fotografieren ließen. Zu ihren großen Stärken zählten Kinderbilder (304/0169; 304/0556). Zeitgleich war sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau. 1935 bezog sie einen Laden in der Gaustraße 37. Von ihrem Erfolg zeugen auch die vielen Belege, die ihre Tochter in einem privaten Fotoalbum zusammengetragen hat. Das Geschäft florierte. Zeitweise arbeitete sie mit zwei Angestellten - Emma Maurer und Gisela Völking - und ihre Tochter musste mithelfen. In den späten 1930er Jahren machte sie den Führerschein, erwarb ein Auto und konnte sich Urlaubsreisen leisten.
Emmas Giesens Tochter Ursula ließ sich ab 1938 in Darmstadt und Kassel zur Fotografin ausbilden und arbeitete danach im Geschäft ihrer Mutter. Im Krieg wurde das Haus in der Gaustraße 37 durch Bomben beschädigt. Bei dem Bombenangriff Anfang des Jahres 1945 sind auch viele Glasplattennegative zerstört worden . Nach einer Phase, die von Materialknappheit geprägt war, konnte der Fotobetrieb fortgesetzt werden. Spätestens ab den 1950er Jahren lief das Geschäft wieder so erfolgreich, dass die Familie ein Haus im Musikerviertel erwerben konnte.
1956 trat Ursula Giesen als Teilhaberin in das Geschäft ihrer Mutter ein. Mit 71 Jahren übergab Emma Giesen das Geschäft ihrer Tochter Ursula, die es gemeinsam mit ihrem Mann, dem Bildjournalisten und Tierfotografen Helmut Orth (geb. 1916), unter dem Namen Orth-Giesen führte. Aus der Zeit, in der Ursula Orth-Giesen und ihr Mann das Geschäft führten, ist allerdings nur ein einziges Bild überliefert (304/0571), obwohl auch sie mit der Farbfotografie Neuerungen wagten und erfolgreich waren, wie ein Artikel aus der Wormser Zeitung vom 04.11.1978 zum 50jährigen Jubiläum belegt. Das neue Geschäft am Neumarkt 12 mit großzügigeren Räumen wurde im Jahr 1975 bezogen.
Der Fotograf Klaus Dölger, der später ein Fotostudio in Lorsch führte, übernahm den Laden am Neumarkt 12 im Jahr 1985 von Ursula Orth-Giesen. Die fotografische Tradition in der Familie setzte sich durch Heiner Orth, den Sohn von Ursula Orth-Giesen und Helmut Orth, fort. Er ist als Fotograf in Hamburg tätig. Als weitere Traditionslinie ist das Alterswerk von Ursula Orth-Giesen, die Ausstellung "Wormser Köpfe", zu betrachten. Die circa 50 qualitätvollen Porträtserien in schwarz-weiß zeigen einflussreiche Personen aus der Wormser Stadtgesellschaft und schließen mit ihrer Ausdrucksstärke und Ästhetik an die herausragenden Porträts von Emma Giesen aus den 1930er Jahren an. Sie sind als Unterbestand 304-1 erschlossen.
Der Name Giesen steht in Worms für eine Fototradition, die ihren Niederschlag in vielen Familienalben fand. Einen Teil dieser Bilder, vor allem Negative, verwahrt das Stadtarchiv als Bestand 304 (siehe Bestandsgeschichte) und dokumentiert damit das Wirken dieser begabten Porträtfotografin, die mit viel Willensstärke und Geschäftssinn, trotz aller Widrigkeiten und persönlichen Krisen, ein erfolgreiches Fotoatelier aufbaute.
Bestandsgeschichte
Bestand 304 dokumentiert einen Ausschnitt aus dem fotografischen Wirken der Wormser Fotografin Emma Giesen (1895-1982). Die Bilder kamen aufgrund der persönlichen Bekanntschaft zwischen Frau Christina Kleber, einer damaligen Mitarbeiterin der Fotoabteilung, und Frau Ursula Orth-Giesen, Fotografin und Tochter von Emma Giesen, 2010 als Schenkung ins Archiv. Der Übernahmevermerk vom 22.03.2010 dokumentiert eine Abgabe von ca. 90 Glasplattennegativen aus den Jahren 1928 bis 1935 (Zugang 6/2010 vom 25.02.2010) und eine Ergänzung dieser Abgabe durch weitere Negative und Abzüge nach einem Besuch bei Frau Orth-Giesen am 18.03.2010. Das übernommene Material war beschriftet.
Es handelt sich nicht um eine geschlossene Überlieferung des Fotogeschäfts Giesen, später Orth-Giesen (siehe Geschichte des Bestandsbildners), sondern um ein Fragment. Es wurden weder Geschäftsunterlagen oder Auftragsbücher noch die Fotografien von Ursula Orth-Giesen überliefert, die von 1956 bis 1963 gemeinsam mit ihrer Mutter das Geschäft führte und ihr ab 1964 als Geschäftsinhaberin folgte. Ersichtlich wird dies sowohl an der Bestandslaufzeit als auch an den Lücken zwischen den Auftragsnummern. Teile des Glasplattenarchivs gingen durch den Bombenangriff auf Worms Anfang 1945 verloren, bei dem das Haus in der Gaustraße 37 beschädigt wurde (siehe Fotos im Album für Heiner Orth). Die Überlieferung eines Bruchteils des zu erwartenden Materials mag auch daran liegen, dass Ursula Orth-Giesen nur das Werk ihrer Mutter als künstlerisch (wertvoll) einschätzte und möglicherweise Vorbewertungen vorgenommen hat. Von ihrer eigenen Tätigkeit als Fotografin sind nur wenige Spuren im Bestand, obwohl sie häufig im Atelier mitarbeitete, also für die überlieferten Bilder nicht verbürgt ist, wer die Aufnahme gemacht hat.
In den Jahren 2010 und 2011 war der Bestand als "OG - Emma Giesen und Ursula Orth-Giesen" verzeichnet und teilweise digitalisiert worden. Maßgeblich hierbei war die Beschriftung auf der Verpackung. Da nicht alle Verpackungen beschriftet waren, wurden in einigen Fällen Sammelverzeichnungen angelegt, also mehrere Bilder unter einer Verzeichnungseinheit zusammengefasst, zum Beispiel 71 Fotos unter dem Titel "Wehrmachtssoldaten und SA-Mitglieder".
Anlass für eine nähere Beschäftigung mit dem Bestand bot die Feststellung bei einer Magazinbegehung 2017, dass die Fotos nicht archivgerecht gelagert waren. Sie waren stattdessen noch in Pergaminhüllen und braunen Versandtaschen verpackt. Um den Materialbedarf für eine Neuverpackung zu ermitteln, wurden die Fotos nach Trägermaterial gezählt. Die Zählung ergab, dass der Bestand aus 1700 Fotografien besteht (darunter 818 Glasplatten). Die Differenz zwischen der Anzahl der Fotos und der Anzahl der Verzeichnungseinheiten (356) sowie die Erkenntnis, dass die Negative selbst beschriftet sind, gaben den Ausschlag für eine grundlegende Überarbeitung, die Verpackung, Umsignierung und Neuverzeichnung umfassen sollte.
Im Jahr 2019 wurden die Fotos nach den neuesten archivischen Standards verpackt. In einem weiteren Schritt folgte im Jahr 2020 die Neuverzeichnung und Umsignierung nach dem in der Fotoabteilung eingeführten rein numerischen Prinzip (Abt. 304) mit vierstelligen Negativnummern. Dabei wurden die Fotos zur Ausstellung "Wormser Köpfe" von Ursula Orth-Giesen als Bestand 304-1 - Ursula Orth-Giesen, Porträtserie ausgegliedert, weil sie als eigenes Werk zu würdigen sind und die Laufzeit 1984, 1990-1994 stark von der Laufzeit des Hauptbestands (1910-1913, 1919-1955, 1970) abweicht.
Der Bestand 304 besteht zu zwei Dritteln aus Porträts, für die ein Verzeichnungsschema entwickelt wurde. Als Ausgangspunkt dient die Beschriftung des Negativs, die aus der Entstehungszeit stammt. Der dort aufgeführte Name wird als Auftraggeber des Bilds verstanden. Da er nur bedingt etwas über die abgebildete Person aussagt, wird sie zusätzlich mit den kunstgeschichtlichen Begriffen zur Beschreibung von Porträts nach dem Ausschnitt erfasst. Die auf den Negativen aufgebrachte Auftragsnummer wird im Feld "Registratursignatur" vermerkt. Zusätzliche Informationen und Besonderheiten sind im Feld "Beschreibung" aufgeführt. In dieses Feld wurden auch die Informationen aus der vorherigen Verzeichnung übernommen, für die die Beschriftung der Verpackung maßgeblich war. So konnte eine adäquatere, weil nur vom Objekt ausgehende Verzeichnung geschaffen werden, ohne einen Informationsverlust in Kauf zu nehmen. Als Kriterium zur Abgrenzung von Verzeichnungseinheiten dient die Auftragsnummer, zu der in nicht wenigen Fällen zwei oder mehr Fotos gehören. Um drei oder mehr Bilder zu beschreiben, wird der Begriff Porträtserie verwendet.
In Gänze betrachtet ist der Erhaltungszustand der Negative gut, sieht man von dem altersbedingt weit verbreiteten Phänomen der Aussilberung ab. Da diese sich genau wie die Ablösung der Trägerschicht von den Bildrändern her ausbreitet, ist der Bildinhalt wenig gefährdet, zumal bei einem Porträt der Kopf meist in der Mitte ist. Einzig die Randbeschriftung ist mitunter verschwunden oder unleserlich. In diesen Fällen wurde sich mit der Formulierung "Auftraggeber nicht identifiziert" beholfen. Dies betrifft 80 Bilder, d.h. 16 % der im Bestand enthaltenen Porträts.
Eine Besonderheit bei der Porträtfotografie von Emma Giesen sind die Hintergründe. Durch den Auftrag von Mattierleim auf dem Glas sind Sicht- und Trägerseite äußerst schwer zu unterscheiden. Dadurch sind bei der Digitalisierung 2010/11 viele Bilder spiegelverkehrt abgelegt worden. Dieser Umstand und die mittlerweile verbesserten Digitalisierungsstandards rechtfertigen eine erneute Digitalisierung ebenso wie der Zuwachs an Verzeichnungseinheiten durch die Auflösung der Sammelverzeichnungen. Für diese waren immer nur ein oder zwei Digitalisate beispielhaft angefertigt worden.
Emma Giesen passte sich bei der Gestaltung ihrer Porträts dem sich wandelnden Zeitgeschmack an, der sich an den überlieferten Fotos ablesen lässt. Bei den Fotos aus den 1920er und frühen 1930er Jahren sind die Inszenierungen der modernen Frau (304/0078; 304/0282) hervorzuheben. Die Porträts aus der NS-Zeit werden von Uniform tragenden Männern dominiert [junge Männer mit Stahlhelm (304/0549), Familienväter in Uniform (304/0074), bei deren Inszenierung das Martialisch-Männliche oder Heroisierende hervorsticht. Die Bilder der Nachkriegszeit weisen eine Betonung des Zivilen auf. Die Aufnahme zog vom Atelier ins heimische Interieur und inszeniert die vermeintlich harmlose Bürgerlichkeit der 1950er Jahre (304/0554). Parallel zu den herausragenden Porträts wurden auch die Resultate des Alltagsgeschäfts im Fotogeschäft von Emma Giesen partiell überliefert, darunter Passfotos (304/0667), sich ähnelnde Einschulungs-, Konfirmations- oder Hochzeitsbilder. Zusätzlich sind einige größere Auftragsarbeiten für ortsansässige Unternehmen, zum Beispiel den Lebensmittelgroßhändler Braunwarth und Gebhard (304/0019-0030 und 304/0338-0362), überliefert, die für wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen herangezogen werden können. Der Bestand wird abgerundet von Bildern aus dem privaten Umfeld von Emma Giesen, deren Überlieferung als Zeichen des dem Archiv entgegengebrachten Vertrauens seitens der Schenkerin gewertet werden kann. In eine ähnliche Richtung geht die Möglichkeit, das private Album über das Leben von Emma Giesen, das Ursula Orth-Giesen für ihren Sohn Heiner Orth zum 40. Geburtstag angefertigt hat, zu digitalisieren. Es ist nicht frei zugänglich, lieferte aber wertvolle Informationen für die Geschichte des Bestandsbildners und konnte bei der Einordnung und Datierung von Fotos herangezogen werden.
Da hauptsächlich Negativmaterial überliefert ist, lässt sich anhand des Bestands nicht nur der fototechnische Wandel von der Glasplatte zum Planfilm nachvollziehen, sondern auch die Bearbeitung des Einzelstücks. Es finden sich Platten, die matt geleimt und später mit Eosinrot angerieben wurden, oder Platten mit aufgespritztem Hintergrund, die die Aufnahme vom Tageslicht unabhängig machten. Als Beispiel für eine aufwendige Retusche kann die Fotoserie zum Wormser Naturfreundehaus in Reichenbach/Odenwald (304/0040-0048) herangezogen werden.
Der Wert des Bestands beruht zum einen darauf, dass die Bilder von hoher Qualität sind und im Bereich der Bildgestaltung als exemplarisch für die innovative Porträtfotografie der damaligen Zeit gelten können. Zum anderen sind unter den Auftraggebern bekannte Namen aus dem Wormser Bürgertum, sodass sich für die 1930er bis 1950er Jahre eine dichte Überlieferung bei der Personenfotografie ergibt. Im Frühjahr 2021 wurde der Bestand von einer studentischen Hilfskraft vollständig digitalisiert. Um die Ästhetik der Bilder zu präsentieren und die Nutzbarkeit zu verbessern, wurden die Digitalisate April/Mai 2021 in der Archivdatenbank eingebunden.
Stand: Mai 2021, Dorothee Kirchgäßner

Zitierhinweis: 304/0001 - 304/0682

Bestandssignatur
Stadtarchiv Worms, 304

Kontext
Stadtarchiv Worms (Archivtektonik) >> Fotoabteilung

Bestandslaufzeit
1910 - 1913, 1919 - 1955, 1970

Weitere Objektseiten
Letzte Aktualisierung
15.12.2023, 14:57 MEZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1910 - 1913, 1919 - 1955, 1970

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