Bestand
304 - Emma Giesen (Bestand)
Verwaltungsgeschichte/biografische Angaben: Emma
Zurkuhlen wurde 1895 als älteste Tochter des aus
Wesel am Niederrhein stammenden Korkschneiders
Heinrich Zurkuhlen (1869-1956) und seiner Frau
Karoline geborene Lehn (1871-1952) geboren. Die
Familie mit vier Kindern (Emma *1895; Elisabeth
*1900; Karl Friedrich Heinrich, genannt Heiner
1906-1939; Karl *1908) zog häufig um und der Vater
wechselte mehrfach den Beruf. 1915 hatte die Familie
sich etabliert. Die Zurkuhlens wohnten in der
Kyffhäuserstraße 11 und Heinrich Zurkuhlen arbeitete
als Vollziehungsbeamter.
Da hatte Emma
Zurkuhlens Leben schon Fahrt aufgenommen: Gegen den
anfänglichen Widerstand ihrer Eltern begann sie 1909
nach Abschluss der Volksschule eine Ausbildung beim
Fotografen August Füller. Nach zweijähriger
Ausbildung trat sie eine Stelle bei der
Photokunstanstalt von Alphonse Schmidt in Mannheim
an, mit dem sie eine langjährige Freundschaft
verband. 1914 zog sie bei ihren Eltern aus, weil sie
ledig schwanger geworden war und damit auf wenig
Verständnis stieß. Zur Geburt ihres Kindes ging sie
nach Dortmund. Die Eltern des gefallenen Kindsvaters
adoptierten den Jungen, verhinderten aber jeglichen
Kontakt der leiblichen Mutter. Emma Giesen lernte
ihren Sohn erst im Jahr 1941 kennen, nachdem die
Adoptiveltern gestorben waren. Sie blieb allerdings
mehrere Jahre im Ruhrgebiet und arbeitete zum
Beispiel im Fotografischen Atelier Hammerschlag in
Dortmund. Weitere Erfahrungen sammelte bei den
Fotografinnen Gertrud Hesse und Toni Tepe, die ihre
Werkstätten für Kamera-Bildnisse in Dortmund und
Duisburg hatten. Auf diese Zeit geht nicht nur ihre
innovative Auffassung von Porträtfotografie zurück,
sondern hier liegen auch die Anfänge eines
langjährigen Fotografinnennetzwerks.
1923
heiratete sie den aus Repelen bei Moers stammenden
Konditor Lambert Giesen. Ihre Tochter Ursula kam
1924 zur Welt. Die Familie ging gemeinsam nach
Worms, aber ein Zusammenleben war wohl nicht
möglich. Schon im Jahr 1926 waren sie an
unterschiedlichen Adressen gemeldet. Die Ehe wurde
1930 geschieden und ein gutes Jahr später verließ
Lambert Giesen Worms. Mutter und Tochter lebten in
der Roonstraße 16 (heute: Heidenhainstraße).
1928 machte sich Emma Giesen selbstständig,
wobei sie in den ersten Jahren in einer Ecke ihrer
Privatwohnung fotografierte oder Außenaufträge
annahm. Mit ihrer modernen Auffassung des Porträts
machte sie sich schnell einen Namen und wurde zu
einer gefragten Fotografin, bei der sich die
renommierten Wormser Familien fotografieren ließen.
Zu ihren großen Stärken zählten Kinderbilder
(304/0169; 304/0556). Zeitgleich war sie eine
erfolgreiche Geschäftsfrau. 1935 bezog sie einen
Laden in der Gaustraße 37. Von ihrem Erfolg zeugen
auch die vielen Belege, die ihre Tochter in einem
privaten Fotoalbum zusammengetragen hat. Das
Geschäft florierte. Zeitweise arbeitete sie mit zwei
Angestellten - Emma Maurer und Gisela Völking - und
ihre Tochter musste mithelfen. In den späten 1930er
Jahren machte sie den Führerschein, erwarb ein Auto
und konnte sich Urlaubsreisen leisten.
Emmas Giesens Tochter Ursula ließ sich ab 1938
in Darmstadt und Kassel zur Fotografin ausbilden und
arbeitete danach im Geschäft ihrer Mutter. Im Krieg
wurde das Haus in der Gaustraße 37 durch Bomben
beschädigt. Bei dem Bombenangriff Anfang des Jahres
1945 sind auch viele Glasplattennegative zerstört
worden . Nach einer Phase, die von Materialknappheit
geprägt war, konnte der Fotobetrieb fortgesetzt
werden. Spätestens ab den 1950er Jahren lief das
Geschäft wieder so erfolgreich, dass die Familie ein
Haus im Musikerviertel erwerben konnte.
1956 trat Ursula Giesen als Teilhaberin in das
Geschäft ihrer Mutter ein. Mit 71 Jahren übergab
Emma Giesen das Geschäft ihrer Tochter Ursula, die
es gemeinsam mit ihrem Mann, dem Bildjournalisten
und Tierfotografen Helmut Orth (geb. 1916), unter
dem Namen Orth-Giesen führte. Aus der Zeit, in der
Ursula Orth-Giesen und ihr Mann das Geschäft
führten, ist allerdings nur ein einziges Bild
überliefert (304/0571), obwohl auch sie mit der
Farbfotografie Neuerungen wagten und erfolgreich
waren, wie ein Artikel aus der Wormser Zeitung vom
04.11.1978 zum 50jährigen Jubiläum belegt. Das neue
Geschäft am Neumarkt 12 mit großzügigeren Räumen
wurde im Jahr 1975 bezogen.
Der Fotograf
Klaus Dölger, der später ein Fotostudio in Lorsch
führte, übernahm den Laden am Neumarkt 12 im Jahr
1985 von Ursula Orth-Giesen. Die fotografische
Tradition in der Familie setzte sich durch Heiner
Orth, den Sohn von Ursula Orth-Giesen und Helmut
Orth, fort. Er ist als Fotograf in Hamburg tätig.
Als weitere Traditionslinie ist das Alterswerk von
Ursula Orth-Giesen, die Ausstellung "Wormser Köpfe",
zu betrachten. Die circa 50 qualitätvollen
Porträtserien in schwarz-weiß zeigen einflussreiche
Personen aus der Wormser Stadtgesellschaft und
schließen mit ihrer Ausdrucksstärke und Ästhetik an
die herausragenden Porträts von Emma Giesen aus den
1930er Jahren an. Sie sind als Unterbestand 304-1
erschlossen.
Der Name Giesen steht in
Worms für eine Fototradition, die ihren Niederschlag
in vielen Familienalben fand. Einen Teil dieser
Bilder, vor allem Negative, verwahrt das Stadtarchiv
als Bestand 304 (siehe Bestandsgeschichte) und
dokumentiert damit das Wirken dieser begabten
Porträtfotografin, die mit viel Willensstärke und
Geschäftssinn, trotz aller Widrigkeiten und
persönlichen Krisen, ein erfolgreiches Fotoatelier
aufbaute.
Vorwort: Abt. 304
- Emma Giesen
Umfang: 1033 Fotografien (=
818 Glasplattennegative, 87 Planfilme, 128 Positive)
= 682 VE Datenbank (Stand 05/2021)
Laufzeit: 1910-1913, 1919-1955, 1970
Zitierhinweis: Stadtarchiv Worms, Abt. 304 Nr.
0001-0682
Emma Giesen (1895-1982)
Geschichte des Bestandsbildners
Emma
Zurkuhlen wurde 1895 als älteste Tochter des aus
Wesel am Niederrhein stammenden Korkschneiders
Heinrich Zurkuhlen (1869-1956) und seiner Frau
Karoline geborene Lehn (1871-1952) geboren. Die
Familie mit vier Kindern (Emma *1895; Elisabeth
*1900; Karl Friedrich Heinrich, genannt Heiner
1906-1939; Karl *1908) zog häufig um und der Vater
wechselte mehrfach den Beruf. 1915 hatte die Familie
sich etabliert. Die Zurkuhlens wohnten in der
Kyffhäuserstraße 11 und Heinrich Zurkuhlen arbeitete
als Vollziehungsbeamter.
Da hatte Emma
Zurkuhlens Leben schon Fahrt aufgenommen: Gegen den
anfänglichen Widerstand ihrer Eltern begann sie 1909
nach Abschluss der Volksschule eine Ausbildung beim
Fotografen August Füller. Nach zweijähriger
Ausbildung trat sie eine Stelle bei der
Photokunstanstalt von Alphonse Schmidt in Mannheim
an, mit dem sie eine langjährige Freundschaft
verband. 1914 zog sie bei ihren Eltern aus, weil sie
ledig schwanger geworden war und damit auf wenig
Verständnis stieß. Zur Geburt ihres Kindes ging sie
nach Dortmund. Die Eltern des gefallenen Kindsvaters
adoptierten den Jungen, verhinderten aber jeglichen
Kontakt der leiblichen Mutter. Emma Giesen lernte
ihren Sohn erst im Jahr 1941 kennen, nachdem die
Adoptiveltern gestorben waren. Sie blieb allerdings
mehrere Jahre im Ruhrgebiet und arbeitete zum
Beispiel im Fotografischen Atelier Hammerschlag in
Dortmund. Weitere Erfahrungen sammelte bei den
Fotografinnen Gertrud Hesse und Toni Tepe, die ihre
Werkstätten für Kamera-Bildnisse in Dortmund und
Duisburg hatten. Auf diese Zeit geht nicht nur ihre
innovative Auffassung von Porträtfotografie zurück,
sondern hier liegen auch die Anfänge eines
langjährigen Fotografinnennetzwerks.
1923
heiratete sie den aus Repelen bei Moers stammenden
Konditor Lambert Giesen. Ihre Tochter Ursula kam
1924 zur Welt. Die Familie ging gemeinsam nach
Worms, aber ein Zusammenleben war wohl nicht
möglich. Schon im Jahr 1926 waren sie an
unterschiedlichen Adressen gemeldet. Die Ehe wurde
1930 geschieden und ein gutes Jahr später verließ
Lambert Giesen Worms. Mutter und Tochter lebten in
der Roonstraße 16 (heute: Heidenhainstraße).
1928 machte sich Emma Giesen selbstständig,
wobei sie in den ersten Jahren in einer Ecke ihrer
Privatwohnung fotografierte oder Außenaufträge
annahm. Mit ihrer modernen Auffassung des Porträts
machte sie sich schnell einen Namen und wurde zu
einer gefragten Fotografin, bei der sich die
renommierten Wormser Familien fotografieren ließen.
Zu ihren großen Stärken zählten Kinderbilder
(304/0169; 304/0556). Zeitgleich war sie eine
erfolgreiche Geschäftsfrau. 1935 bezog sie einen
Laden in der Gaustraße 37. Von ihrem Erfolg zeugen
auch die vielen Belege, die ihre Tochter in einem
privaten Fotoalbum zusammengetragen hat. Das
Geschäft florierte. Zeitweise arbeitete sie mit zwei
Angestellten - Emma Maurer und Gisela Völking - und
ihre Tochter musste mithelfen. In den späten 1930er
Jahren machte sie den Führerschein, erwarb ein Auto
und konnte sich Urlaubsreisen leisten.
Emmas Giesens Tochter Ursula ließ sich ab 1938
in Darmstadt und Kassel zur Fotografin ausbilden und
arbeitete danach im Geschäft ihrer Mutter. Im Krieg
wurde das Haus in der Gaustraße 37 durch Bomben
beschädigt. Bei dem Bombenangriff Anfang des Jahres
1945 sind auch viele Glasplattennegative zerstört
worden . Nach einer Phase, die von Materialknappheit
geprägt war, konnte der Fotobetrieb fortgesetzt
werden. Spätestens ab den 1950er Jahren lief das
Geschäft wieder so erfolgreich, dass die Familie ein
Haus im Musikerviertel erwerben konnte.
1956 trat Ursula Giesen als Teilhaberin in das
Geschäft ihrer Mutter ein. Mit 71 Jahren übergab
Emma Giesen das Geschäft ihrer Tochter Ursula, die
es gemeinsam mit ihrem Mann, dem Bildjournalisten
und Tierfotografen Helmut Orth (geb. 1916), unter
dem Namen Orth-Giesen führte. Aus der Zeit, in der
Ursula Orth-Giesen und ihr Mann das Geschäft
führten, ist allerdings nur ein einziges Bild
überliefert (304/0571), obwohl auch sie mit der
Farbfotografie Neuerungen wagten und erfolgreich
waren, wie ein Artikel aus der Wormser Zeitung vom
04.11.1978 zum 50jährigen Jubiläum belegt. Das neue
Geschäft am Neumarkt 12 mit großzügigeren Räumen
wurde im Jahr 1975 bezogen.
Der Fotograf
Klaus Dölger, der später ein Fotostudio in Lorsch
führte, übernahm den Laden am Neumarkt 12 im Jahr
1985 von Ursula Orth-Giesen. Die fotografische
Tradition in der Familie setzte sich durch Heiner
Orth, den Sohn von Ursula Orth-Giesen und Helmut
Orth, fort. Er ist als Fotograf in Hamburg tätig.
Als weitere Traditionslinie ist das Alterswerk von
Ursula Orth-Giesen, die Ausstellung "Wormser Köpfe",
zu betrachten. Die circa 50 qualitätvollen
Porträtserien in schwarz-weiß zeigen einflussreiche
Personen aus der Wormser Stadtgesellschaft und
schließen mit ihrer Ausdrucksstärke und Ästhetik an
die herausragenden Porträts von Emma Giesen aus den
1930er Jahren an. Sie sind als Unterbestand 304-1
erschlossen.
Der Name Giesen steht in
Worms für eine Fototradition, die ihren Niederschlag
in vielen Familienalben fand. Einen Teil dieser
Bilder, vor allem Negative, verwahrt das Stadtarchiv
als Bestand 304 (siehe Bestandsgeschichte) und
dokumentiert damit das Wirken dieser begabten
Porträtfotografin, die mit viel Willensstärke und
Geschäftssinn, trotz aller Widrigkeiten und
persönlichen Krisen, ein erfolgreiches Fotoatelier
aufbaute.
Bestandsgeschichte
Bestand 304 dokumentiert einen Ausschnitt aus
dem fotografischen Wirken der Wormser Fotografin
Emma Giesen (1895-1982). Die Bilder kamen aufgrund
der persönlichen Bekanntschaft zwischen Frau
Christina Kleber, einer damaligen Mitarbeiterin der
Fotoabteilung, und Frau Ursula Orth-Giesen,
Fotografin und Tochter von Emma Giesen, 2010 als
Schenkung ins Archiv. Der Übernahmevermerk vom
22.03.2010 dokumentiert eine Abgabe von ca. 90
Glasplattennegativen aus den Jahren 1928 bis 1935
(Zugang 6/2010 vom 25.02.2010) und eine Ergänzung
dieser Abgabe durch weitere Negative und Abzüge nach
einem Besuch bei Frau Orth-Giesen am 18.03.2010. Das
übernommene Material war beschriftet.
Es
handelt sich nicht um eine geschlossene
Überlieferung des Fotogeschäfts Giesen, später
Orth-Giesen (siehe Geschichte des Bestandsbildners),
sondern um ein Fragment. Es wurden weder
Geschäftsunterlagen oder Auftragsbücher noch die
Fotografien von Ursula Orth-Giesen überliefert, die
von 1956 bis 1963 gemeinsam mit ihrer Mutter das
Geschäft führte und ihr ab 1964 als
Geschäftsinhaberin folgte. Ersichtlich wird dies
sowohl an der Bestandslaufzeit als auch an den
Lücken zwischen den Auftragsnummern. Teile des
Glasplattenarchivs gingen durch den Bombenangriff
auf Worms Anfang 1945 verloren, bei dem das Haus in
der Gaustraße 37 beschädigt wurde (siehe Fotos im
Album für Heiner Orth). Die Überlieferung eines
Bruchteils des zu erwartenden Materials mag auch
daran liegen, dass Ursula Orth-Giesen nur das Werk
ihrer Mutter als künstlerisch (wertvoll) einschätzte
und möglicherweise Vorbewertungen vorgenommen hat.
Von ihrer eigenen Tätigkeit als Fotografin sind nur
wenige Spuren im Bestand, obwohl sie häufig im
Atelier mitarbeitete, also für die überlieferten
Bilder nicht verbürgt ist, wer die Aufnahme gemacht
hat.
In den Jahren 2010 und 2011 war der
Bestand als "OG - Emma Giesen und Ursula
Orth-Giesen" verzeichnet und teilweise digitalisiert
worden. Maßgeblich hierbei war die Beschriftung auf
der Verpackung. Da nicht alle Verpackungen
beschriftet waren, wurden in einigen Fällen
Sammelverzeichnungen angelegt, also mehrere Bilder
unter einer Verzeichnungseinheit zusammengefasst,
zum Beispiel 71 Fotos unter dem Titel
"Wehrmachtssoldaten und SA-Mitglieder".
Anlass für eine nähere Beschäftigung mit dem
Bestand bot die Feststellung bei einer
Magazinbegehung 2017, dass die Fotos nicht
archivgerecht gelagert waren. Sie waren stattdessen
noch in Pergaminhüllen und braunen Versandtaschen
verpackt. Um den Materialbedarf für eine
Neuverpackung zu ermitteln, wurden die Fotos nach
Trägermaterial gezählt. Die Zählung ergab, dass der
Bestand aus 1700 Fotografien besteht (darunter 818
Glasplatten). Die Differenz zwischen der Anzahl der
Fotos und der Anzahl der Verzeichnungseinheiten
(356) sowie die Erkenntnis, dass die Negative selbst
beschriftet sind, gaben den Ausschlag für eine
grundlegende Überarbeitung, die Verpackung,
Umsignierung und Neuverzeichnung umfassen
sollte.
Im Jahr 2019 wurden die Fotos
nach den neuesten archivischen Standards verpackt.
In einem weiteren Schritt folgte im Jahr 2020 die
Neuverzeichnung und Umsignierung nach dem in der
Fotoabteilung eingeführten rein numerischen Prinzip
(Abt. 304) mit vierstelligen Negativnummern. Dabei
wurden die Fotos zur Ausstellung "Wormser Köpfe" von
Ursula Orth-Giesen als Bestand 304-1 - Ursula
Orth-Giesen, Porträtserie ausgegliedert, weil sie
als eigenes Werk zu würdigen sind und die Laufzeit
1984, 1990-1994 stark von der Laufzeit des
Hauptbestands (1910-1913, 1919-1955, 1970)
abweicht.
Der Bestand 304 besteht zu zwei
Dritteln aus Porträts, für die ein
Verzeichnungsschema entwickelt wurde. Als
Ausgangspunkt dient die Beschriftung des Negativs,
die aus der Entstehungszeit stammt. Der dort
aufgeführte Name wird als Auftraggeber des Bilds
verstanden. Da er nur bedingt etwas über die
abgebildete Person aussagt, wird sie zusätzlich mit
den kunstgeschichtlichen Begriffen zur Beschreibung
von Porträts nach dem Ausschnitt erfasst. Die auf
den Negativen aufgebrachte Auftragsnummer wird im
Feld "Registratursignatur" vermerkt. Zusätzliche
Informationen und Besonderheiten sind im Feld
"Beschreibung" aufgeführt. In dieses Feld wurden
auch die Informationen aus der vorherigen
Verzeichnung übernommen, für die die Beschriftung
der Verpackung maßgeblich war. So konnte eine
adäquatere, weil nur vom Objekt ausgehende
Verzeichnung geschaffen werden, ohne einen
Informationsverlust in Kauf zu nehmen. Als Kriterium
zur Abgrenzung von Verzeichnungseinheiten dient die
Auftragsnummer, zu der in nicht wenigen Fällen zwei
oder mehr Fotos gehören. Um drei oder mehr Bilder zu
beschreiben, wird der Begriff Porträtserie
verwendet.
In Gänze betrachtet ist der
Erhaltungszustand der Negative gut, sieht man von
dem altersbedingt weit verbreiteten Phänomen der
Aussilberung ab. Da diese sich genau wie die
Ablösung der Trägerschicht von den Bildrändern her
ausbreitet, ist der Bildinhalt wenig gefährdet,
zumal bei einem Porträt der Kopf meist in der Mitte
ist. Einzig die Randbeschriftung ist mitunter
verschwunden oder unleserlich. In diesen Fällen
wurde sich mit der Formulierung "Auftraggeber nicht
identifiziert" beholfen. Dies betrifft 80 Bilder,
d.h. 16 % der im Bestand enthaltenen Porträts.
Eine Besonderheit bei der Porträtfotografie von
Emma Giesen sind die Hintergründe. Durch den Auftrag
von Mattierleim auf dem Glas sind Sicht- und
Trägerseite äußerst schwer zu unterscheiden. Dadurch
sind bei der Digitalisierung 2010/11 viele Bilder
spiegelverkehrt abgelegt worden. Dieser Umstand und
die mittlerweile verbesserten
Digitalisierungsstandards rechtfertigen eine erneute
Digitalisierung ebenso wie der Zuwachs an
Verzeichnungseinheiten durch die Auflösung der
Sammelverzeichnungen. Für diese waren immer nur ein
oder zwei Digitalisate beispielhaft angefertigt
worden.
Emma Giesen passte sich bei der
Gestaltung ihrer Porträts dem sich wandelnden
Zeitgeschmack an, der sich an den überlieferten
Fotos ablesen lässt. Bei den Fotos aus den 1920er
und frühen 1930er Jahren sind die Inszenierungen der
modernen Frau (304/0078; 304/0282) hervorzuheben.
Die Porträts aus der NS-Zeit werden von Uniform
tragenden Männern dominiert [junge Männer mit
Stahlhelm (304/0549), Familienväter in Uniform
(304/0074), bei deren Inszenierung das
Martialisch-Männliche oder Heroisierende
hervorsticht. Die Bilder der Nachkriegszeit weisen
eine Betonung des Zivilen auf. Die Aufnahme zog vom
Atelier ins heimische Interieur und inszeniert die
vermeintlich harmlose Bürgerlichkeit der 1950er
Jahre (304/0554). Parallel zu den herausragenden
Porträts wurden auch die Resultate des
Alltagsgeschäfts im Fotogeschäft von Emma Giesen
partiell überliefert, darunter Passfotos (304/0667),
sich ähnelnde Einschulungs-, Konfirmations- oder
Hochzeitsbilder. Zusätzlich sind einige größere
Auftragsarbeiten für ortsansässige Unternehmen, zum
Beispiel den Lebensmittelgroßhändler Braunwarth und
Gebhard (304/0019-0030 und 304/0338-0362),
überliefert, die für wirtschaftsgeschichtliche
Fragestellungen herangezogen werden können. Der
Bestand wird abgerundet von Bildern aus dem privaten
Umfeld von Emma Giesen, deren Überlieferung als
Zeichen des dem Archiv entgegengebrachten Vertrauens
seitens der Schenkerin gewertet werden kann. In eine
ähnliche Richtung geht die Möglichkeit, das private
Album über das Leben von Emma Giesen, das Ursula
Orth-Giesen für ihren Sohn Heiner Orth zum 40.
Geburtstag angefertigt hat, zu digitalisieren. Es
ist nicht frei zugänglich, lieferte aber wertvolle
Informationen für die Geschichte des
Bestandsbildners und konnte bei der Einordnung und
Datierung von Fotos herangezogen werden.
Da hauptsächlich Negativmaterial überliefert
ist, lässt sich anhand des Bestands nicht nur der
fototechnische Wandel von der Glasplatte zum
Planfilm nachvollziehen, sondern auch die
Bearbeitung des Einzelstücks. Es finden sich
Platten, die matt geleimt und später mit Eosinrot
angerieben wurden, oder Platten mit aufgespritztem
Hintergrund, die die Aufnahme vom Tageslicht
unabhängig machten. Als Beispiel für eine aufwendige
Retusche kann die Fotoserie zum Wormser
Naturfreundehaus in Reichenbach/Odenwald
(304/0040-0048) herangezogen werden.
Der
Wert des Bestands beruht zum einen darauf, dass die
Bilder von hoher Qualität sind und im Bereich der
Bildgestaltung als exemplarisch für die innovative
Porträtfotografie der damaligen Zeit gelten können.
Zum anderen sind unter den Auftraggebern bekannte
Namen aus dem Wormser Bürgertum, sodass sich für die
1930er bis 1950er Jahre eine dichte Überlieferung
bei der Personenfotografie ergibt. Im Frühjahr 2021
wurde der Bestand von einer studentischen Hilfskraft
vollständig digitalisiert. Um die Ästhetik der
Bilder zu präsentieren und die Nutzbarkeit zu
verbessern, wurden die Digitalisate April/Mai 2021
in der Archivdatenbank eingebunden.
Stand: Mai 2021, Dorothee
Kirchgäßner
Zitierhinweis:
304/0001 - 304/0682
- Bestandssignatur
-
Stadtarchiv Worms, 304
- Kontext
-
Stadtarchiv Worms (Archivtektonik) >> Fotoabteilung
- Bestandslaufzeit
-
1910 - 1913, 1919 - 1955, 1970
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
15.12.2023, 14:57 MEZ
Datenpartner
Stadtarchiv Worms. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1910 - 1913, 1919 - 1955, 1970