Archivale
Papierer-Ordnung
Regest: 1) Wenn der erwählte Vater des Handwerks das Handwerk auf eine Stunde zusammenberufen lässt, so soll eine Viertelstunde eine Uhr aufgesetzt und, wenn sie ausgelaufen ist, umgekehrt werden, wenn es an einem Feiertag geschieht, aber an einem Werktag soll sie zweimal umgekehrt werden. Er soll vorbringen, was er vorzubringen hat. Wer bei solcher gelaufenen Uhr nicht kommt, der soll, er sei Meister oder Gesell, 1 ß Heller, wenn er nicht selber von dem Meister Urlaub hat, zu Straf unnachlässlich geben.
2) Wenn einer zu dem Vater kommt und ihn anruft, ihm das Handwerk zu fordern (= einzuberufen), er sei Meister oder Gesell, ist er der Bruderschaft verwandt und einverleibt, so soll er (der Vater) alsbald das Handwerk heissen zusammenkommen. Ehe er etwas vorbringt, soll er 3 1/2 ß Heller auflegen. Wenn aber einer der Bruderschaft nicht verwandt ist, 7 ß Heller unnachlässlich erlegen. Steht einer in Arbeit, mag ihm 14 Tage geborgt werden. Solcher Artikel soll keiner etwas bevor haben +) als der Vater.
3) Wenn ein Fremder oder ein in Arbeit Stehender etwas vor dem Handwerk vorbringt, soll weder der Antworter (= Beklagte) noch irgend einer in dem ganzen Handwerk das geringste dareinreden, sondern ihm fleissig aufmerken; hernach auch dem Antworter soll weder der Kläger noch irgendeiner einreden, damit man dem Gerechten zur Wahrheit Audienz geben könne. Wenn aber einer solches überfährt (= übertritt), soll er, so oft es geschieht, immer 6 Heller unnachlässlich in die Büchse geben.
4) Wenn es sich begäbe, dass ein fremder Gesell herkäme und wollte viel nachteiliger Reden ausgiessen von einem andern, es sei Meister oder Gesell, soll ein ehrsames Handwerk nichts darauf geben, er habe denn Brief und Siegel von einer redlichen Werkstatt, Meister und Gesellen, an ein ganzes Handwerk. Wenn er aber in Arbeit einstünde 14 Tage, mag er, wenn ihm in dem Geschenk was befohlen, wohl ausrichten, wenn er dessen Geschenk wert ist, ihm nach Handwerks Gebrauch das Geschenk anzubieten. Wenn er viel Reden ausstösst in den 14 Tagen und hernach in dem Geschenk viel davon schweigt, soll er nach Erkenntnis des Handwerks gestraft werden.
5) Wenn einer einen Handel vor dem Handwerk hat und für straffällig erkannt wird, und dem Vater oder dem Handwerk aus den Händen gehen wollte oder sonst böse Reden ausstossen, so soll er mit zweifacher Straf nach Erkenntnis des Handwerks durchzogen werden.
6) Wenn man einem Gesellen, der nach Handwerks Gebrauch 14 Tage gearbeitet hat, ein Geschenk hielte, und einer dabei nicht erscheint laut unserer alten Artikel, der soll seine oder seinen Schenk-Schilling in die Zech schicken, weil (= während) das Geschenk währt, oder vor dem Handwerk, wenn man noch beieinander ist, auflegen. Wenn solches nicht geschieht, soll er morgen 3 Pfennig weiter geben zu einer unnachlässlichen Straf, es sei Meister oder Gesell.
7) Wenn das Handwerk beieinander ist und was da gehandelt wird, so einer aufsgestanden oder ausstehen müssen, hat keiner aus dem Handwerk zu schwätzen. Würde solches geschehen, so soll einer ziemlichermassen nach Erkenntnis des Handwerks gestraft werden.
8) Es trägt sich auch zu grosse Uneinigkeit mit grossen Strafen, daher grosse Feindschaften erfolgen. Dem zuvorzukommen, hat ein ehrsames Handwerk beschlossen, wenn ein Handel vorfällt, da etwan einer den andern, mit Reverenz zu melden, einen Hundsfutt oder einen Schelmen gescholten hat, es sei Meister oder Geselle, wenn es in einem Trutz oder Zorn geschieht, 1/2 fl Straf zu geben. Wenn es aber schwere Händel sind, soll ein ehrsames Handwerk nach Erkenntnis auch ein billiges Einsehen haben, damit guter Friede möge erhalten werden.
9) Wenn einer in einer Zech oder Geschenk, da das Handwerk beieinander ist, einen Zank, Hader oder Schlaghandel anfängt, so soll er vor dem Handwerk steif und härtiglich gestraft werden.
10) Wenn einer vor dem Handwerk gestraft worden ist, es sei Meister oder Gesell, der in Arbeit steht, so soll er bei Stillstehung des Handwerks die Straf in 14 Tagen erlegen, und soll ein gleiches damit gehalten werden, aber ein Fremder in puncto die Straf erlegen.
11) Es fällt auch grosse Spaltung und Abbruch den Meistern von wegen des Leimens vor, dass man so ungleich auf den Boden kommt, sowohl bei den Lehrjungen als bei den Gesellen. Solchem zuvorzukommen, haben die Meister beschlossen, dass einer, wenn er vor Mitternacht leimt, es sei Winter oder Sommer, um 7 Uhr auf dem Leimboden erscheinen soll. Wenn einer nach Mitternacht leimen will, so soll er ungefähr um 1/2 12 Uhr auf dem Boden erscheinen. Wenn solches fahrlässig geschehen würde, wird solches einem vor dem Handwerk auch nicht geschenkt (= verziehen, nachgesehen) werden.
12) Wenn ein Meister einen Gesellen oder Lehrjungen gewinnt, zu leimen und er nicht absagt, ehe man das Feuer unter den Kessel macht, es sei denn Leibes- oder Herren-Not, so soll er, es sei Bub oder Gesell, einen ganzen Wochenlohn verfallen sein. Wenn einer aber erst einen gewinnt, wenn der Leim gesotten, soll bei solchem ein Einsehen gehalten werden. Wenn aber ein Meister einem nicht absagt oder still liegen lässt und nicht werkt, so soll er oder der, dem er's befohlen, 2 Wochen geben. Auch sollen die Gesellen und die Jungen etwas fleissiger sein, als bisher geschehen.
13) Diese Ordnung soll auch wie unsere andere alten Artikel steif und fest zur Stärkung, Besserung und nützlicher Förderung des ganzen Handwerks fleissig gehalten werden.
Gegeben und vermehrt vor einem ganzen ehrlichen Handwerk der Bruderschaft allhie in Reuttlingen, geschehen den 7. August 1603
- Archivaliensignatur
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A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 3222 a
- Umfang
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12 S. Text; Quart
- Formalbeschreibung
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Beschreibstoff: Pap.
- Sonstige Erschließungsangaben
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Ausstellungsort: Reutlingen
Bemerkungen: +) Fischer: Schw. WB: bevor haben = voraus haben, einen Vorteil
Genetisches Stadium: Or.
- Kontext
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 9 Zünfte Papierer
- Bestand
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A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)
- Laufzeit
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1603 August 7, nach dem alten Kalender
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
20.03.2025, 11:14 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Archivale
Entstanden
- 1603 August 7, nach dem alten Kalender