Bestand
Prüfungsamt für Gewerbeaufsichtsbeamte (Bestand)
Findmittel: Datenbank; Findbuch, 1 Bd.
Vorbemerkung
Behördengeschichte:
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Preußen die staatliche Gewerbeaufsicht, da aufgrund der zunehmenden Industrialisierung die Notwendigkeit des Arbeits-, Unfalls- und auch Umweltschutzes deutlich wurde. Seit 1853 wurden zur Aufsichtsführung Fabrikinspektoren als staatliche Organe eingesetzt, die ab 1879 den Titel "Gewerberat" trugen. Eine feste Organisation erfuhr der Gewerbeaufsichtsdienst durch den "Allerhöchsten Erlass vom 27.4.1891 betr. die Anstellung von Regierungs- und Gewerbeschulräten und die Organisation der Gewerbeinspektion" (GS 1891, S. 165). 1892 folgte eine genaue Dienstanweisung (Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung, 1892, S. 160). Die Regierungs- und Gewerberäte wurden auf Vorschlag des Ministers für Handel und Gewerbe vom König ernannt, die assistierenden Gewerbeinspektoren vom Minister direkt. Zugangsvoraussetzungen waren nicht formuliert.
Die weitere Ausweitung und Ausdifferenzierung der Gewerbeaufsicht machte in der Folge auch eine Normierung der Ausbildungs- und Zugangsvoraussetzungen für den Gewerbeaufsichtsdienst notwendig. Die ersten Vorschriften hierzu ergingen am 7.9.1897 mit der "Vorbildungs- und Prüfungsordnung für die Gewerbeaufsichtsbeamten" des Ministers für Handel und Gewerbe (Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung", 1897, S. 221), der am 13.11.1897 eine Ausführungsanweisung folgte (Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung, 1898, S. 32).
Die Zugangsvoraussetzungen für den mindestens anderthalbjährigen Vorbereitungsdienst waren folgende:
· ein mindestens dreijähriges technisches Studium an einer deutschen Hochschule
· eine bestandene Abschlussprüfung als Regierungsbauführer im Maschinenbaufach, als Bergreferendar, Hütteningenieur, Maschineningenieur oder als Chemiker
· wenigstens ein Jahr praktische Arbeit in einem Betrieb.
Zum Vorbereitungsdienst wurde der Aspirant einer Gewerbeinspektion zugewiesen, bei der ein anderthalbjähriger praktischer Dienst abzuleisten war. Zunächst sollte der Aspirant den Dienstgeschäften beiwohnen und über diese Bericht erstatten, im letzten Drittel des Vorbereitungsdienstes jedoch bereits einige gewerbliche Revisionen und Dampfkesselprüfungen selbstständig vornehmen. Am Ende des Vorbereitungsdienstes hatte der Aspirant eine größere Probearbeit zu einem von dem Regierungs- und Gewerberat ausgewählten Thema aus dem Dienstbereich seiner Gewerbeinspektion vorzulegen.
Anschließend hatte er ein anderthalbjähriges Studium der Rechts- und Staatswissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der Gewerbeverwaltung, der Gewerbehygiene und der Wohlfahrtspflege zu absolvieren.
Zur Ableistung der zweiten Prüfung (Hauptprüfung) meldete sich der Aspirant bei dem zuständigen Regierungspräsidenten an, der die Vollständigkeit der beizubringenden Unterlagen zu prüfen hatte. Über die Zulassung zur Prüfung entschied das Ministerium für Handel und Gewerbe, das dann dem Prüfungsamt für Gewerbeaufsichtsbeamte einen entsprechenden Auftrag erteilte. Die Prüfung bestand aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Im schriftlichen Teil hatte der Prüfling je eine Ausarbeitung aus dem Tätigkeitsgebiet des Gewerbeaufsichtsdienstes und eine aus dem Gebiet der Volkswirtschafts- bzw. Verwaltungslehre vorzulegen. Für die Ausarbeitung bestand eine Frist von sechs Wochen. Waren die Arbeiten mindestens mit genügend bewertet, wurde der Prüfling zur mündlichen Prüfung zugelassen; in dieser waren Kenntnisse in den technischen Fächern, einschließlich Gewerbehygiene sowie im öffentlichen Recht, der Volkswirtschaftslehrer und aus dem praktischen Gewerbeaufsichtsdienst nachzuweisen. Des Weiteren war ein Vortrag aus den Akten zu halten.
Nach bestandener Prüfung, die einmal wiederholt werden konnte, wurde der Bewerber durch den Minister für Handel und Gewerbe zum Gewerbeinspektionsassistenten ernannt. Im Ministerialblatt der Handels- und Gewerbeverwaltung wurden jährlich summarisch die Prüfergebnisse veröffentlicht.
Das Prüfungsamt für Gewerbeaufsichtsbeamte erhielt 1901 eine feste Organisation und wurde erstmalig im Jahrgang 1902 des Handbuchs für den preußischen Hof und Staat im Ressort des Ministers für Handel und Gewerbe Personal mit Dienstsitz beim Ministerium (Leipziger Str. 2) und Personal (zugleich leitende Beamte im Ministerium für Handel und Gewerbe) eingetragen.
Vorsitzender des Prüfungsamtes für Gewerbeaufsichtsbeamten war 1901-1906 Ministerialdirektor Dr. Neuhaus, von 1907-1909 Unterstaatssekretär Dr. Richter, von 1910-1913, Unterstaatssekretär Schreiber, dann wieder Dr. Neuhaus im Jahr 1914, von 1915-1930 Ministerialdirektor von Meyeren und von 1930-1933 Ministerialrat Dr. Ulrichs.
Nachdem die Prüfungsbestimmungen wegen zahlreicher inzwischen eingetretener Änderungen unübersichtlich wurden, sich v.a. auch die Aufgaben des Gewerbeaufsichtsdienstes gewandelt bzw. sehr erweitert hatten, wurde am 14. März 1932 eine neue "Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die höheren Gewerbeaufsichtsbeamten" nebst Ausführungsanweisung erlassen, welche zum 1. April 1932 in Kraft trat. (Ministerialblatt der Handels- und Gewerbeverwaltung, S. 55 ff).
Seit 1933 führte das Amt die Bezeichnung "Prüfungsamt für höhere Gewerbeaufsichtsbeamte".
Bestandsgeschichte:
Bei Verzeichnungsarbeiten im Jahr 1996 an dem "unbearbeiteten Rest" der Repositur GStA PK, I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe sind zahlreiche Prüfungsakten aufgefunden worden. Der überwiegende Teil wurde der bereits existierenden Repositur GStA PK, I. HA Rep. 125 A Technisches Oberprüfungsamt für höhere bautechnische Verwaltungsbeamte zugeordnet. Für weitere 75 Akten wurde der neue Bestand GStA PK, I. HA Rep. 125 B Prüfungsamt für Gewerbeaufsichtsbeamte gebildet.
Die aus den Zeitraum 1900 bis 1934 stammenden Prüfungsakten sind über eine der letzten Abgaben des Reichs- (bis 1938: und preußischen) Wirtschaftsministeriums 1944 (Akzession 39 b/44) als preußisches Behördenschriftgut an das Geheime Staatsarchiv gelangt und wurden mit der Überlieferung des Ministeriums für Handel und Gewerbe ebenso wie der Großteil der Bestände des Geheimen Staatsarchivs in die mitteldeutschen Salzwerke ausgelagert. Eine Bearbeitung bzw. Trennung vom Ministerialbestand ist nicht mehr erfolgt. Die Akten sind dann nach Verwahrung im Zentralen Staatsarchiv der DDR, Abt. Merseburg (Preußen) nach dessen Auflösung 1993 wieder zurückgelangt.
Sonstige Akten des Prüfungsamtes, darunter alle Organisationsakten, sind nicht mehr zur Abgabe an das Archiv gelangt und daher im Krieg vernichtet worden. Näheres hierzu lässt sich jedoch aufgrund der spärlichen Hinweise in der Dienstregistratur des Geheimen Staatsarchivs nicht mehr nachweisen.
Im Bestand GStA PK, I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe (Aktengruppe BB VII 4 b) befinden sich zahlreiche Personalakten von Gewerbeaufsichtsbeamten. Korrespondierende Akten sind durch Verweis kenntlich gemacht.
Im 2019 wurde der Bestand durch die Fachangestellte Anna-Maria Underhill unter Aufnahme der Themenstellung der Prüfungsarbeiten neu verzeichnet und signiert. Die Spannbreite der zu bearbeitenden Prüfungsthemen gibt dabei einen guten Einblick in das breite Aufgabenspektrum und die Vielfalt der nachweisenden Kenntnisse des zukünftigen Gewerbeaufsichtsbeamten.
Benutzte Literatur:
Handbuch über den Preußischen (Hof und) Staat
Ministerialblatt der gesamten inneren Verwaltung Preußens
Ministerialblatt der Handels- und Gewerbeverwaltung
Buck-Heilig, Lydia: Die Gewerbeaufsicht. Entstehung und Entwicklung. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1989.
Michael, Karl: Fabrikinspektoren in Preußen. Das Personal der Gewerbeaufsicht 1854-1945. Rheinfelden: Konstanz, Univ., Diss., 1988.
Formalangaben:
Letzte vergebene Nummer: 75
Umfang (in laufenden Metern): 2,5
Lagerungsort : Außenmagazin Westhafen
Die Akten sind auf gelben Leihscheinen wie folgt zu bestellen:
I. HA Rep. 125 B, Nr. ##
Zitierweise:
GStA PK, I. HA Rep. 125 B Prüfungsamt für Gewerbeaufsichtsbeamte, Nr. #
Berlin, im Oktober 2019
Brandt-Salloum, AOAR Underhill, AAng.
Zitierweise: GStA PK, I. HA Rep. 125 B
- Reference number of holding
-
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 125 B
- Extent
-
Umfang: 2,5 lfm (75 VE); 2,5 lfm (75 VE)
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Tektonik >> STAATSOBERHAUPT UND OBERSTE STAATSBEHÖRDEN, MINISTERIEN UND ANDERE ZENTRALBEHÖRDEN PREUSSENS AB 1808 >> Wirtschaft und Verkehr >> Handel, Gewerbe und Bergbau
- Date of creation of holding
-
Laufzeit: 1900 - 1934
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
28.03.2023, 8:52 AM CEST
Data provider
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- Laufzeit: 1900 - 1934