Bestand
Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH i.L. (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH (kurz WiFo) wurde am
24. August 1934 in Berlin errichtet. Die wahre Ausrichtung der WiFo
wurde bei ihrer Gründung nach außen verschleiert; dem
zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrag zufolge sollte sie
-hauptsächlich durch wissenschaftliche Tätigkeit - die Wirtschaft
fördern und neue Unternehmen ins Leben rufen. Die ihr eigentlich
zugedachten bzw. tatsächlich zugewiesenen Kernaufgaben bestanden
jedoch in der "Überwindung von Engpässen in der kriegswirtschaftlichen
Versorgung" (Beschaffung und/oder Herstellung von Schmier- und
Treibstoffen zur Gewährleistung des Einsatzes von Fahrzeugen und
Kriegsgerät) und der "Durchführung von Bauten (Bereitschaftsanlagen)
und Bevorratungen". Gesellschafter der WiFo waren im Auftrag des
Deutschen Reichs die Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG
(Öffa) sowie die I.G. Farbenindustrie AG. 1935 trat die Deutsche Bau-
und Bodenbank AG als Gesellschafter an die Stelle der I.G.
Farben.
Die WiFo baute und betrieb
hauptsächlich Groß- und Zwischentanklager zur Lagerung und zum
Umschlag von Mineralöl sowie zur Mischung von Treibstoff, besaß u.a.
Kesselwagen und Lokomotiven für den Bahntransport und errichtete zudem
mehrere Fabriken für die Herstellung von Sprengstoffen und deren
Vorprodukten. Darüber hinaus unterhielt sie 15 Wohnsiedlungen. Die
WiFo gliederte sich in mehrere Hauptabteilungen; 1943 waren dies die
Abteilungen H (Hauptverwaltung), M (Mineralöl), F (Fabriken), B (Bau)
und T (Transport).
Nach dem Zweiten Weltkrieg
erklärten die Alliierten die WiFo zur Kriegsgesellschaft. Die
Militärregierung betraute ihr unmittelbar unterstellte
Treuhandverwaltungen mit der Verwaltung der WiFo. Nachdem im Juli 1951
die Bundesrepublik Deutschland Gesellschafterin der WiFo geworden war,
trat am ersten August 1951 der vom Bundesministerium der Finanzen
gewählte neue Aufsichtsrat erstmalig nach Kriegsende zusammen. Kurze
Zeit darauf, am 30. Oktober 1951, beschloss die
Gesellschafterversammlung der WiFo deren Liquidation. Das bis dahin
noch aktive Geschäft mit Kesselwagen, Tanklagern und den chemischen
Fabriken in Lüneburg-Embsen und Langelsheim wurde von der Liquidation
getrennt, indem man es zwei neu gegründeten Tochtergesellschaften der
Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) übertrug: Dies waren die
Vereinigte Tanklager und Transportmittel GmbH (VTG) und die
Norddeutsche Chemische Werke GmbH (Nordchemie).
Die WiFo-Tanklager wurden zumeist aufgegeben oder durch die
alliierten Streitkräfte genutzt; 1955 wurde der in Liquidation
befindlichen WiFo hierfür auch eine Nutzungsvergütung zugestanden,
deren Höhe streitig war.
Der Rechtssitz der
Gesellschaft war seit jeher Berlin. Die Hauptverwaltung hatte man
jedoch noch vor Kriegsende nach Unterpfaffenhofen bei München
verlagert. Gemäß dem Gesetz über die Abwicklung von
Kriegsgesellschaften vom 9. Mai 1960 wurden alle Gläubiger
aufgefordert, ihre Ansprüche spätestens bis zum 31. Dezember 1960
anzumelden. Umgekehrt hatte auch die WiFo (i.L.) noch offene
Forderungen gegenüber Schuldnern, für die es nach Kriegsende jedoch
vielfach (zunächst) keine Rechtsnachfolger gab.
Bis zu ihrer endgültigen Abwicklung 1970 bestand die frühere
Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH als Wirtschaftliche
Forschungsgesellschaft mbH in Liquidation (i.L.) fort.
Bestandsbeschreibung: a)
Bestandsgeschichte
Das Ende des Zweiten
Weltkrieges brachte unkontrollierte Aktenverluste im Hinblick auf die
bis zu diesem Zeitpunkt angefallene Überlieferung der elf Jahre alten
GmbH mit sich. Einige Akten gelangten in amerikanischen Gewahrsam und
wurden später zumindest in Teilen an das Bundesarchiv-Militärarchiv
abgegeben. In diesem Zusammenhang sei auf den amerikanischen
Microfilm-Guide, Nr. 7 (Akten des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes
über die WiFo) hingewiesen.
Weitere Akten
verwahrte ab 1970 die Oberfinanzdirektion München (Bundesvermögens-
und Bauabteilung).
1991 erfolgte eine Übernahme
von dort seitens des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München. Bestimmte
Personalakten wiederum wurden ans Bundesverwaltungsamt Köln abgegeben.
Ab 2005 plante und vollzog man die inzwischen abgeschlossene
Beständebereinigung zwischen dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv München
und dem Bundesarchiv.
b) Archivische Bewertung
und Bearbeitung
Das Bundesarchiv bildete schon
vor Jahrzehnten mit Zustandekommen des Kontakts zur
Liquidationsverwaltung der WiFo mbH für erhaltene, archivwürdige
Unterlagen der WiFo für die Zeit von 1934 bis 1945 einschließlich den
zunächst 479 Einheiten umfassenden Bestand R 125 Wirtschaftliche
Forschungsgesellschaft mbH (Wifo), der in der Abteilung "Deutsches
Reich" des Bundesarchivs in Berlin betreut wird. Hierzu existiert ein
(vorläufiges) Findbuch von 1969. Schriftgut aus der Zeit nach 1945
wurde im Sommer 2009 von Berlin nach Koblenz in die Zuständigkeit der
Abteilung "Bundesrepublik Deutschland" des Bundesarchivs abgegeben und
von der Unterzeichnerin bearbeitet. Es bildet seitdem den 237
archivwürdige Einheiten umfassenden, abgeschlossenen Bestand B 464
Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH i. L.. Einige Akten im
Bestand B 464 geben Aufschluss über Anfall und Art von Schriftgut der
WiFo (i.L.), das im Laufe der Zeit an verschiedenen Standorten in und
außerhalb der WiFo (i.L.) gelagert wurde.
Von
ca. 480 bewerteten Schriftguteinheiten, die zeitlich bis zum Beginn
der 1970er Jahre reichen, wurde etwa die Hälfte als archivwürdig
übernommen und verzeichnet. Die Besonderheit einer solchen Einrichtung
wie die WiFo es (im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg) war, wurde bei
der Bewertung ebenso wie die Bewertungs(vor)entscheidungen der
Abteilung "Deutsches Reich" berücksichtigt.
Grundsätzlich für archivwürdig erklärt wurden Akten aus der
Tätigkeit des Aufsichtsrats der WiFo (i.L.), sowie mit wenigen
Ausnahmen Akten betr. die Erfüllung des Deutsch-Österreichischen
Vermögensvertrages und Akten betr. die (ehemaligen) Tanklager der
WiFo. Kassiert wurden z.B. Einzelfallakten über den Verkauf von
Siedlungshäusern, Grundbuchauszüge, Schriftwechsel in unbedeutenden
Routineangelegenheiten und überwiegend auch Akten zu
Altverbindlichkeiten. Lose abgegebene Karten und Pläne, die im Zuge
der Bewertungsarbeiten in Koblenz als archivwürdig erachtet wurden,
sollen auf absehbare Zeit in einem neu zu bildenden
B 464-Kartenbestand erschlossen werden.
Personalakten haben im Falle ihrer Archivwürdigkeit Eingang in
den Bestand PERS 101 gefunden (PERS 101, Signaturen 63213-63489). Die
entsprechenden Bewertungs- und Erschließungsarbeiten übernahm Herr
Manfred Baldus.
Archivwürdige Berichte der
Deutschen Revisions- und Treuhand AG (kurz Treuarbeit AG) über die
WiFo (i.L.) werden im Bestand B ??? Deutsche Revisions- und Treuhand
AG aufbewahrt.
Inhaltliche Charakterisierung:
Grundsatzangelegenheiten; Verwaltung von Liegenschaften; Fabrikation,
Verwaltung und Nutzung von Kesselwagen; Verwaltung von Vermögen
(Geldanlagen) und Wertapieren; Abwicklung von Forderungen und
Altverbindlichkeiten; Deutsch-österreichischer Vermögensvertrag;
Steuerangelegenheiten, Wirtschaftsprüfungen.
Umfang, Erläuterung: 237
VE
Zitierweise: BArch B
464/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch B 464
- Extent
-
558 Aufbewahrungseinheiten
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Bundesrepublik Deutschland mit westalliierten Besatzungszonen (1945 ff) >> Bundesrepublik Deutschland (1949 ff) >> Finanzen, Wirtschaft
- Related materials
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion; R 8 VII Reichsstelle für Mineralöl; R 8 VIII Reichsstelle für Chemie; R 121 Industriebeteiligungsgesellschaft mbH; R 125 Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH; R 171 Kontinentale Öl AG; R 3101 Reichswirtschaftsministerium; RW 19 Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes; RW 46 Dienststellen des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes bei Stäben des Heeres und für besondere Aufgaben; B 126 Bundesministerium der Finanzen.
Literatur: Birkenfeld, Wolfgang: Der synthetische Treibstoff 1933-1945. Göttingen 1964;
Eichholtz, Dietrich: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945, Bd. 1-2, Akademie-Verlag, Berlin (DDR), 1984/1985;
Eichholtz, Dietrich: Krieg um Öl. Ein Erdölimperium als deutsches
Kriegsziel 1938-1943;
Hopmann, Barbara: Von der Montan zur Industrieverwaltungsgesellschaft
(IVG) 1916-1951. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1996;
Karlsch, Rainer, und Stokes, Raymond G.: Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859-1974. Verlag C.H. Beck München, 2003;
Röder, Ewald: Der Deutsch-Österreichische Vermögensvertrag von 1957. Herausgegeben von Jürgen Schneider, Markus A. Denzel, Rainer Gömmel und Margarete Wagner-Braun. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Nr. 106. Franz Steiner Verlag Stuttgart, 2006.
- Provenance
-
Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft m.b.H. i.L. (WiFo), 1934-1951
- Date of creation of holding
-
ca. 1934-1970
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Associated
- Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft m.b.H. i.L. (WiFo), 1934-1951
Time of origin
- ca. 1934-1970