Bestand
St. Aegidien (Bestand)
Vorwort: 1227 erstmals erwähnt, wurde St. Aegidien als letzte Kirchspielskirche in Lübeck errichtet. Zur Gemeinde gehörten weniger gut begüterte Bürger, Handwerker und Ackerbürger. Dem Domkapitel inkorporiert, befand sich St. Aegidien seelsorgerisch in stärkerer Abhängigkeit vom Dom als die übrigen Pfarrkirchen der Stadt. 1531 mit der Kirchenordnung Bugenhagens und der Besetzung des Amts des Superintendenten 1532 erhielt der Rat der Stadt die Kirchenhoheit. Von nun an leiteten die Vorsteher, die aus zwei Ratsherren (einer davon Bürgermeister) und zwei im Kirchspiel ansässigen Bürgern (diese auf Lebenszeit) bestanden, die Verwaltung. Die geistliche Leitung lag beim Pastor (Hauptpastor). Zusätzlich gab es einen Prediger. Mit der Kirchengemeindeordnung von 1860 wurden die Aufgaben der Vorsteher auf die Gemeinde übertragen. St. Aegidien besaß Anteile an Lüneburger Salzpfannen. Zudem wurde an der Aegidienkirche 1342 eine Kalandsbruderschaft mit Maria als Patronin gegründet, die 1396 in den Besitz des halben Dorfs Krumbeck gelangte.
Das Archiv der Kirchengemeinde befand sich in der Sakristei. Von älteren Verzeichnungen sind vier Hefte des Copiarius Aegidianus 1771/72 (6.1-4, 60-62, 473) sowie der Index rerum Aegidianorum des Hinrich Brokes von 1773 (6.1-4, 49) mit Liste der Bücher und Schriften (1-154) zu erwähnen. Die Archivalien des Kalands und des Konvents waren schon damals mit dem Schriftgut der Kirche vermischt. Mit Einführung der Zivilstandsregister durch die Franzosen 1811 erhielt das Archiv der Stadt die älteren Kirchenbücher. Die Urkunden (Sacra A3) gelangten 1863/65 an das Staatsarchiv, darunter auch die der Kalandsbruderschaft. 1908 wurden die Akten an das Staatsarchiv abgeliefert und dort nach dem 1897 vom Kirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirche im lübeckischen Staat empfohlenen Schema verzeichnet.
Der Bestand der St. Aegidienkirche zu Lübeck im Archiv der Hansestadt Lübeck, der aufgrund der kriegsbedingten Auslagerung 1942 und den anschließenden Umlagerungen bisher ungeordnet im Archiv der Hansestadt Lübeck gelegen hat, konnte nun nach archivischen Grundsätzen geordnet, verzeichnet und archivgerecht verpackt werden und steht nun der Be-
nutzung zur Verfügung. Er umfasst acht laufende Regalmeter mit 543 Verzeichnungseinheiten. Die ältesten Unterlagen (zur Calven-Kapelle in der Aegidienkirche) beginnen 1441, die jüngsten Schriftstücke reichen bis 1917, wobei diese häufig Anordnungen und Durchführungen von Kollekten in der Aegidienkirche zum Inhalt haben.
Aus der Anfangszeit der Aegidienkirche zwar keinerlei Unterlagen erhalten, dafür je-doch der Index rerum Aegidianorum, die von Hinrich Brokes um 1773 gesammelten Nachrich-ten von der Aegidienkirche sowie ein, ebenfalls von Hinrich Brokes angelegter, vierteiliger Kopiar, in dem ältere Schriftstücke in Abschriften erhalten geblieben sind. Zudem ist ein Kopiar, darin Abschriften zu der Aegidienkirche und der Aegidien-Kalandbruderschaft, von ca. 1530 erhalten. Neben vereinzelten Akten aus dem 16. Jahrhundert (z.B. ein Stein- und Kirchenstuhlbuch sowie ein Hauptbuch) setzt die Überlieferung vor allem im Laufe des 17. Jahrhunderts ein.
Der Bestand setzt sich zusammen aus zahlreichen Rechnungsunterlagen, die Wochenrechnungen und Jahresabrechnungen recht vollständig in Serie, Anordnungen seitens des Kirchenregiments, des Senats und des Kirchenrats an die Aegidienkirche, Unterlagen zum Perso-nal und den Gottesdiensten sowie weiteren Amtshandlungen und den Kollekten in der Kirche. Daneben stehen Akten zum Kirchhof und Begräbniswesen, der Gräber und Kapellen in und um die Aegidienkirche. Des Weiteren finden sich Unterlagen zu Stiftungen, Legaten und testamentarischen Verfügungen zu Gunsten der Kirche; der Bestand enthält auch Prozesse um das Kirchenvermögen sowie Akten zu Kapitalien, Grundbesitz usw. samt Bausachen im Be-stand. Zu dem Dorf Krumbeck, dass zu gleichen Teilen dem Heiligen-Geist-Hospital und der Aegidienkirche zugehörig war, finden sich Verwaltungsunterlagen sowie Gerichtssachen, vor allem Zivilsachen. Ähnliches gilt für die Curauer Kirche, wobei es hier primär um die Kostenverteilung oder Anteile an den Grablegen geht. Schließlich sind Abrechnungen der Lünebur-ger Saline Teil des Bestands sowie Schulsachen und Akten zur Einrichtung und Leitung des Chores erhalten.
Insgesamt ist der Zustand der Archivalien trotz der kriegsbedingten Auslagerung 1942 recht zufriedenstellend, wenngleich insbesondere die großformatigeren Rechnungsbücher doch größere Schäden aufweisen - es sind 44 zum Teil sehr starke Beschädigungen festzustellen, die häufig mit einem Schriftverlust einhergehen. Ein Teil der Bücher konnte im letzten Jahrzehnt bereits dank einer Privatstiftung restauriert werden.
Soweit es mit Hilfe des alten Findbuchs festgestellt werden konnte, sind zudem einige Akten verlorengegangen (teilweise sind nur noch die alten Archivmappen ohne Inhalt vorhanden), andere Unterlagen scheinen nicht mehr vollständig vorzuliegen. Ein nicht unerheblicher Teil an vollständigen Akten oder Einzelblättern wurde während der Verzeichnungsarbeiten des Bestands des Heiligen-Geist-Hospitals in diesem gefunden und wieder dem der Aegidienkirche zugeführt. Auch gibt es z. T. Parallelüberlieferungen, da einige Dorfschaften in gleichen Teilen diesen beiden Einrichtungen zugehörig waren - zu nennen ist hier u.a. der Fall des verwundeten dänischen Musketiers durch den Schneider Geisler 1771 in Krumbeck, welcher als Gerichtsakte in beiden Beständen vorhanden ist. Hier wurde mit Quervermerken zwischen den Beständen gearbeitet. Es kann vermutet und gehofft werden, dass noch fehlende Unterlagen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten im Rahmen weiterer Erschließungen in anderen Beständen im Archiv aufgefunden werden könnten.
Das vorliegende Findbuch wurde 2016 von der Doktorandin Frau Jeannette Jaekel erarbeitet.
- Bestandssignatur
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06.1-4
- Kontext
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Archiv der Hansestadt Lübeck (Archivtektonik) >> 06 Religionsgemeinschaften >> 06.1 Evangelisch-lutherische Kirchengemeinden in Lübeck
- Bestandslaufzeit
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1441-1917
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
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30.06.2025, 10:12 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1441-1917