Bestand

Kernforschungszentrum Karlsruhe: Kompakte Natriumgekühlte Kernenergieanlage (KNK) (Bestand)

Überlieferungsgeschichte: Bei der Kompakten Natriumgekühlten Kernenergieanlage handelt es sich um einen Versuchsreaktor, der auf dem Gelände des Forschungszentrums in Karlsruhe zunächst als thermischer Reaktor konzipiert worden war. Der vorliegende Bestand enthält die Projektakten der Kompakten Natrimgekühlten Kernenergieanlage (KNK), die in einem Raum des KNK-Gebäudes vom ehemaligen Projektleiter Willy Marth zusammengetragen worden waren. Ein Teil des Bestandes besteht sowohl aus Handakten von W. Marth, als auch aus einer privat zusammengestellten Materialsammlung zum European Fast Reactor (EFR) und zugehörigen Konferenzunterlagen, die im Findmittel als Sonderbestand Marth ausgewiesen sind. Durch den Wechsel von W. Marth am 1. Oktober 1989 zum EFR-Projekt, fanden zusätzlich EFR-Akten Eingang in diesen Bestand. Durch Hans-Jürgen Goebelbecker wurde der Wunsch nach einer raschen Bewertung und Übernahme der Akten an das Landesarchiv Baden-Württemberg-Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA). herangetreten. Ende September 2012 erfolgte die Einlieferung in das GLA. Bei der Kompakten Natriumgekühlten Kernenergieanlage handelt es sich um einen Versuchsreaktor, der auf dem Gelände des Forschungszentrums in Karlsruhe zunächst als thermischer Reaktor konzipiert worden war. Die Geschichte der Versuchsanlage lässt sich grob in fünf Phasen einteilen (Anm. 1). In den Jahren 1957-1974 wurde die Planung, Konzeption und Errichtung der Anlage erarbeitet. In diese erste Phase fällt auch die Einbindung in das Projekt Schneller Brüter (PSB). Der von der Firma Interatom seit 1960 entworfene KNK-Reaktor mit einer geplanten Leistung von 20 MWe wurde von Anfang an als bedeutsam für das PSB angesehen, "da an ihm die Natriumtechnologie als eine der wichtigsten Kühlmöglichkeiten für einen schnellen Brüter unter vollen Arbeitsbedingungen, erprobt werden und ein Corekonzept realisiert werden könnte, das bereits verschiedene nicht nukleare Züge künftiger schneller Reaktoren in sich trägt" (Anm. 2). Ab 1964 erwog man, die Anlage nach einer gewissen Betriebszeit auch zur Brennelementerprobung für das PSB zu nutzen, indem unter anderem zahlreiche Bestrahlungsversuche durchgeführt wurden. Hierbei wurde neben Mischoxid auch Karbidbrennstoff eingesetzt. Nach der Erteilung des Lieferauftrages für die Anlage 1966, wurde diese Ende 1969 fertig gestellt. Anschließend begann die Inbetriebnahmephase, die mit dem erstmaligen Hochfahren der Anlage auf 100 % Leistung 1974 abgeschlossen wurde. Im Jahr 1973 übernahm die Kernkraftwerk-Betriebsgesellschaft mbH (KBG), eine Tochtergesellschaft des Energieversorgers Badenwerk AG, die Verantwortung für die Betriebsführung. Im September 1974 kam es zur Abschaltung der KNK, um die Anlage auf die geplante Umrüstung vorzubereiten. Die zweite Phase (1968-1977) markiert den Umbau der nun KNK I benannten Anlage zur KNK II, um ihre Betriebsbedingungen durch die Umrüstung mit einem schnellen Kern den Anforderungen des PSB anzunähern. Bei der Brüterentwicklung war man zunehmend auf die Nutzung von Versuchsreaktoren angewiesen, um diese als Testbett für die Brennelemententwicklung und -erprobung einsetzen zu können. Die KNK II-Durchführbarkeitsstudie wurde seitens der Projektleitung sehr begrüßt, sah man doch den Einsatz eines schnellen Cores in der KNK als eine wesentliche Voraussetzung bei der Entwicklung von Brutreaktoren an. Bereits in dieser frühen Umrüstungsphase waren die Anforderungen an die Sicherheit der Anlage und die Auflagen der genehmigenden Behörden erheblich gestiegen. So wurde u.a. der Umbau von KNK I auf KNK II seitens der Genehmigungsbehörden wie der Bau einer Neuanlage gehandhabt. Daraus ergaben sich massive Zeitverzögerungen für den regulären Betrieb der Anlage. Im Juni 1974 konnte mit der Firma Interatom der KNK II-Liefervertrag abgeschlossen werden. Die Brennelemente wurden durch die Fa. Alkem und die Reaktor Brennelement Union GmbH (RBU) hergestellt. Der nukleare Betrieb mit dem Erstkern KNK II (KNK II/1) stellt die dritte Phase des Projektes von 1977-1983 dar. Am 3. März 1979 erreicht die Anlage zum ersten Mal Volllast und wurde am 6. November 1980 von der Firma Interatom an das Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) übergeben, die wiederum erneut die KBG mit der Überwachung und Regelung des Betriebs beauftragte. Nach Erreichen der Volllast wurde die KNK II mit Teillast und Schieflast gefahren, und erzielte wichtige Erkenntnisse zur Lokalisierung defekter Brennelemente. Mit diesen defekten Elementen wurde ein breit angelegtes Versuchsprogramm durchgeführt und einzelne Elemente im Anschluss in der Pilotanlage Millitonne (MILLI) der Wiederaufarbeitung zugeführt. Für die notwendige Entsorgung der Kerne der KNK II schloss man im Dezember 1980 eine Vereinbarung mit dem Commissariat à l'Énergie Atomique (CEA) für deren Wiederaufarbeitung in Marcoule. Nachdem die Anlage 1981 den vertraglich vereinbarten Zielabbrand erreicht hatte und Reaktivitätsreserven zur Verfügung standen, beantragte man bei den Genehmigungsbehörden eine Standzeitverlängerung. In die vierte Phase (1983-1991) fiel der Betrieb des Zweitkerns KNK II (KNK II/2). Während des Prozesses der Auslegung und Fertigung des Zweitkerns kam es zu umfangreichen Spezifikationsveränderungen, so dass sich die neue Kernauslegung erheblich von den bisher Erprobten unterschied. Dem Hüllmaterial für die Brennstäbe wurden im Rahmen des Versuchsprogrammes "Hüll- und Strukturwerkstoffe" große Aufmerksamkeit gewidmet. In diese Phase viel auch eine breit angelegte Entwicklung neuer Fertigungsverfahren für Brüterbrennstoff durch die Firma Alkem. Der Betrieb der KNK ergab weiterhin wichtige Anreize und Impulse für die Arbeiten des PSB. Durch auftretende Probleme im Zusammenhang mit dem Schwingungsverhalten von Brennelementen im Kern geriet der Betriebsverlauf immer wieder ins Stocken. Zusätzlich kam es in den letzten Betriebsjahren wiederholt zum Betriebsstillstand, der zum einen durch notwendige Instandhaltungsarbeiten und zum anderen durch Handhabungsprobleme ausgelöst worden war. Zusätzlich verursachten nicht eintreffende Genehmigungen weitere Stillstandszeiten. Die Schlussphase des Projektes vfiel in die Jahre von 1989-1991. Das Alter der Anlage, die Erfüllung der gestellten Aufgaben, die steigenden Sicherheitsanforderungen durch die Genehmigungsbehörden sowie anhängige Klagen gegen weitere Standzeitverlängerungen beeinflussten die Überlegungen über die Zukunft der Anlage. Die Beendigung des PSB und die Einstellungen der Arbeiten am Schnellen Natriumgekühlten Reaktor (SNR 300) führten, zusammen mit einer veränderten Förderpolitik und Schwerpunktsetzung für die deutsche Kernforschung auf Landes- und Bundesebene schließlich zum Beschluss, die KNK-Anlage stillzulegen. Am 23. August 1991 kam es zur endgültigen Abschaltung. Sonderbestand Marth: In Europa begann die Zusammenarbeit zur Errichtung von Brutreaktoren mit über 1000 MWe Leistung im Jahr 1973. In diesem Jahr wurde die sogenannte EVU-Konvention zwischen EdF, RWE und ENEL unterzeichnet. In ihrer Folge wurde mit der Errichtung des SUPERPHENIX-Reaktors und den Planungen zum Bau und Betrieb des SNR 2 begonnen. Im Jahr 1977 kam es zu einer Kooperation der Reaktorhersteller und Forschungs- und Entwicklungsorganisationen in den Ländern Frankreich, Deutschland und Italien, sowie Belgien und den Niederlanden. Nach dem Beitritt der Engländer im Jahr 1984 wurde 1988 mit der Planung des EFRs, einem Brüterkraftwerk mit 1500 MWe, begonnen. Die technische Konzeption der Anlage erstreckte sich über 5 Jahre. Speziell Deutschland, Frankreich und England sicherten vertraglich zu, das Projekt durch die Bereitstellung von Forschungsergebnissen auf eine möglichst breite Basis zu stellen. So sollten beispielsweise die zukünftigen Arbeiten im Rahmen von PSB vorwiegend zur Entwicklung des europäischen Großbrüters beitragen. Die Finanzierung des Reaktorprojektes wurde durch die European Fast Reactor Utility Group (EFRUG)-Partner gewährleistet, die sich allerdings nicht zu einer Finanzierung über die wirtschaftlichen Bewertungsphase und sicherheitstechnischen Analyse hinaus verpflichtet hatten. Zudem hatten sich England und Deutschland seit Beginn der 1990er Jahre aus der Finanzierung des F+E-Programms zurückgezogen. Die Ablehnung der Industriepartner, weitere Mittel für das F+E-Programm zur Verfügung zu stellen, blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Karlsruher Forschungszentrum, das im Jahr 1993 sämtliche Arbeiten zum EFR-Projekt einstellte.

Inhalt und Umfang: Der Bestand umfasst 950 Verzeichnungseinheiten und enthält im Wesentlichen Akten zur Planung sowie zum Bau und Betrieb der Versuchsanlage. Dieser Bestand dokumentiert beispielsweise durch Errichtungs- und Konzeptgutachten, Abnahmeprotokolle und Bauberichte in großer Ausführlichkeit die Planung und Errichtung der Anlage und die begleitenden Prozesse. Der Verwaltungsbereich sowie die interne und externe Organisation des Projektes werden unter anderem durch den Schriftwechsel der Verwaltungs- und Entscheidungsebenen und der Beteiligung in Ausschüssen abgebildet. Innerhalb des im Generallandesarchiv Karlsruhe archivierten KfK-Materials zu den Versuchsanlagen ist die Dokumentation der Planungs- und Bauphase der KNK in diesem Umfang einmalig. Eine weitere Besonderheit der KNK-Anlage stellt die besonders problematische Genehmigungssituation dar. In der hier vorliegenden Überlieferung werden die von den Behörden geforderten umfangreichen Genehmigungsverfahren für alle Phasen des Projektes deutlich. Des Weiteren geht aus dem Bestand deutlich hervor, inwieweit die KNK durch ihre Anbindung an das PSB innerhalb des Forschungszentrums sowie durch die Kooperation mit der Industrie und internationalen Versuchsanlagen zum wissenschaftlich-technologischen Kenntnisaustausch beitrug. Die Dokumentation der Versuchsprogramme und der Brennelemententwicklung unterstreicht dies. Ebenso ausführlich dokumentiert ist der Bereich der Wiederaufarbeitung. Einerseits wurden die aus dem Betrieb der Anlage abgebrannten Brennelemente zur Wiederaufarbeitung nach Marcoule in Frankreich transportiert, andererseits geht aus einem kleinen Teil der Akten hervor, in welchem Umfang man sich mit der Wiederaufarbeitung in eigenen Projekten des Forschungszentrums, wie beispielsweise in der MILLI und der Wiederaufarbeitungsanlage (WAK), beschäftigte. Im Zusammenhang mit der Stilllegung der Anlage kam es zur ausführlichen Beschäftigung mit Entsorgungskonzepten und Fragen der Abfallbehandlung. In diesem Kontext ist die Kooperation mit der Industrie ebenfalls gut dokumentiert (siehe das Schrottprogramm der Fa. Alkem).

Anmerkungen: (1) Marth, Willy: Die Geschichte von Bau und Betrieb des deutschen Schnellbrüter-Kernkraftwerkes KNK II. Karlsruhe 1993. (2) GLA 69 KfK-VA Nr. 160; Aufsichtsratssitzung am 2.12.1963, Beschlussfassung über das KNK-Projekt, S.1.

Reference number of holding
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 KfK-KNK
Extent
950 Nummern

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03.04.2025, 11:03 AM CEST

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