Bestand
Heilborn Kerzen- und Seifenfabrik / VEB Oderna (Bestand)
Verwaltungsgeschichte/biografische Angaben: Bestandsnummer: StAFF 2-217
Bestandsbezeichnung: Heilborn u. Co Kerzen- und Seifenfabrik / Dreiring Werke AG Betriebsteil Frankfurt (Oder) / VEB Oderna
Bestandslaufzeit: 1863-1960
Bestandsumfang: Schriftgut 0,6 lfd. Meter = 17 VZE
Zitierweise:
Bestandsnummer zzgl. Archivaliensignatur, bspw.: StAFF 2-217 BA I Tit. 31 Nr. 60
Bestandsbeschreibung:
Die "Märkische Kerzenfabrik Heilborn und Co." war 1895 von Leopold Heilborn in der Großen Müllroser Straße 53 gegründet worden. 1910 erweiterte sich der Betrieb durch den Anschluss der Seifenproduktion. Das Unternehmen erwarb das Grundstück der 1863 gegründeten Ofen- und Tonwarenfabrik in der Küstriner Straße und zog dorthin um. Die um 1850 erbaute Fabrikantenvilla nutzte seit 1919 Dr. Walter Heilborn als Kontor seiner Fabrik. 1924 stellte Heilborn vor allem Kern- und Schmierseife, Seifenpulver sowie "fein parfümierte Toilettenseifen" her. Die Fettseife "Basalt" mit markanter, pyramidaler Form zur Körper- und Haushaltspflege wurde in Frankfurt (Oder) hergestellt. Die Feinseifen gingen in den Export nach Osteuropa und Amerika.
Seit 1933 werden der Chemiker Dr. Alfred Glücksmann und der Rechtsanwalt Siegfried Glücksmann als Inhaber genannt. Ab 1938 war die Fabrik, vermutlich im Zuge einer Arisierung, ein Betriebsteil der Krefelder Dreiring Werke AG. Die Dreiring-Werke waren ein Wirtschaftsunternehmen zur Produktion chemischer Erzeugnisse, insbesondere Feinseifenstücke, Rasierseife und -creme. Am 16.09.1945 wurde der Betriebsteil zunächst unter "deutsche Verwaltung" gestellt, um 1947 zum "VEB Kerzen- und Seifenfabrik" verstaatlicht und 1953 erfolgte die Umbenennung in "VEB Oderna". Die Fabrik produzierte Seifenflocken zur Reinigung empfindlicher Wäsche (Seide), aber hauptsächlich Produkte zur Körperpflege. Die Seifenvielfalt für die damaligen schwierigen Umstände ist exzeptionell. Neben Terpentin-Benzinseife, Flüssigseife, Schmier- und Kernseife, Handwaschpaste mit Mandelparfümierung vertrieb die Fabrik feine Seifen namens "Oda", "Seerose" und "Alt Frankfurt". Die rechteckige "Blütentraum" passte in jede Seifendose, eine hautfreundliche "Kamille" und zart duftende Seifen mit Jasmin oder Sandelholz ergänzten das Sortiment. Die quadratische "Favorit" gab es in Gelb und Rosa. Die klassische "Fichtennadel" sowie eine belebende "Sport" Seife erweiterten das Sortiment. Ein wenig Luxus und Exotik versprachen Seifen mit verlockenden Namen und einer besonderen Ellipsenform wie "Cha" und "Vineta". Letztere wurde in Geschenkpackungen mit einem kleinen Fläschchen Kölnisch Wasser und zwei Stück Feinseife aus Frankfurter Produktion vertrieben. Auch die exquisiten Badeseifen in den Farben Creme, Gelb und Rosa wurden in besonderen Kartonagen ausgeliefert. Vervollständigung erfuhr das Sortiment mit Seifen, die eigens für Kinder produziert wurden. Diese waren mit einem "Märchenbild" bestückt, welches "bis zum völligen Verbrauch der Seife erhalten" blieb - so versprach es jedenfalls der Hersteller. Im Jahr 1960 erfolgte die Umstellung der Produktion auf Gummierzeugnisse (Gasmasken, Wathosen, Autofrontscheibenabdeckungen), die Seifenproduktion wurde an den "Konsum Seifenwerk" im sächsischen Riesa angeschlossen. Dort entstand das Zentrum der Kern-, Hand- und Feinseifenherstellung in der DDR.
Anfang der 1990er Jahre gab es Bemühungen, den Betrieb als Niederlassung "Oderna" der Gummiwerke Elbe GmbH zu privatisieren. Die Treuhandanstalt wickelte den Betrieb jedoch ab. Nur 17 Unterlageneinheiten sind vom Gummiwerk VEB Oderna am 15.04.1968 übernommen worden. Der Verbleib der Unterlagen ab 1960 ist unklar.
Der Bestand ist als Splitterüberlieferung lückenhaft. Er enthält eine Akte zur Betriebsgründung und zum Betriebsgrundstück mit der Laufzeit 1863-1932. Einige Akten dokumentieren die Produktion während des Zweiten Weltkriegs mit einer Aufforderung zum Festungseinsatz vom 1. Februar 1945. Überliefert sind zudem Anweisungen der sowjetischen Militäradministration sowie Unterlagen zur Leitung des Betriebes nach der Gründung der DDR, darunter Abrechnungen und Betriebspläne u. a. zum Export zwischen 1951 und 1960. Weil die Überlieferung nach 1960 fehlt, sind ergänzend die Bestände "StAFF 2 122 Rat der Stadt Frankfurt (O) 1952 1990" hinzuziehen, dort sind Kommunalverträge, Geschäftsberichte und Baumaßnahmen überliefert. In den Beständen "StAFF 5-120 Stadtverwaltung Frankfurt (O) ab 1990" sowie "StAFF 5-110 Stadtverordnetenversammlung Frankfurt (O) ab 1990" befinden sich einige Quellen zur Abwicklung des Betriebes und Nachnutzung des Geländes. Ferner sind zahlreiche Zeitungsartikel zum Betrieb publiziert worden, darunter auch zur Abwicklung durch die Treuhandanstalt.
Der Bestand ist 1968 von Gertrud Müller bearbeitet worden. In den 1990er Jahren sind die Verzeichnungseinheiten in die Archivdatenbank übertragen worden. In den Jahren 2020 und 2021 erfolgten redaktionelle Überarbeitungen durch Karin Jünger und Dr. Denny Becker. Im Zuge dessen wurde die nach Gesellschaftssystemen getrennte Überlieferung wieder zusammengeführt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums Viadrina Dr. Sonja Michaels trug aus ihrer Forschungsarbeit zum Betrieb wesentliche Textpassagen zu dieser Findbucheinleitung im Oktober 2021 bei.
Frankfurt (Oder), im Oktober 2021
Dr. Denny Becker
(Wissenschaftlicher Archivar)
- Reference number of holding
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StAFF 2-217
- Context
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Stadtarchiv Frankfurt (Oder) (Archivtektonik) >> Private und volkseigene Wirtschaftsbetriebe
- Other object pages
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- Last update
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01.04.2025, 1:49 PM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand