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A Rep. 226 A. Borsig Zentralverwaltung GmbH (Bestand)

Vorwort: A Rep. 226 A. Borsig Zentralverwaltung GmbH

1. Firmen- und Familiengeschichte

Am 23. Juni 1804 wurde der Unternehmer, Kaufmann und Gründer der Borsigwerke Johann Friedrich August Borsig in Breslau geboren. Der Sohn eines Kürassiers und Zimmerpoliers erlernte zunächst das Handwerk des Vaters und besuchte die Königliche Provinzial-Kunst- und Bauschule und danach das Königliche Gewerbeinstitut in Berlin. In der Neuen Berliner Eisengießerei von Franz Anton Egells sammelte er seine ersten praktischen Erfahrungen im Maschinenbau. In Waldenburg/Schlesien erledigte er den Auftrag zum Zusammenbau einer Dampfmaschine so erfolgreich, dass ihm eine Anstellung als Betriebsleiter angeboten wurde. Acht Jahre blieb er dort. Im Jahre 1828 heiratete er Louise Pahl. Dem Ehepaar wurde ein Kind, der Sohn August Ludwig Albert, geboren.
Mit seinen Ersparnissen kaufte er 1836 ein Grundstück an der Chausseestraße und gründete vor dem Oranienburger Tor, Chausseestraße/Ecke Torstraße, eine eigene Maschinenbauanstalt. Der 22. Juli 1837 wurde von August Borsig als der Gründungstag der Firma "August Borsig, Eisengießerei und Maschinenfabrik" festgelegt, da an diesem Tag der erste Guss in der Borsigschen Fabrik gefertigt wurde.
Zum Produktionsprofil des Unternehmens gehörten in der ersten Zeit Dampfmaschinen sowie Kunst- und Baugussteile. Zum Schwerpunkt wurde jedoch der Bau von Lokomotiven. 1840 fertigte er hier die erste eigene Lokomotive an. Legendär war eine Wettfahrt, bei der auf der Strecke Berlin-Jüterbog seine Lokomotive gegen die von George Stephenson antrat. Mit zehn Minuten Vorsprung gewann die "Borsig". Äußerst günstig für sein Unternehmen wirkte sich der rasche Ausbau des Schienennetzes in Deutschland aus und das Unternehmen vergrößerte sich.
Um nicht das für den Lokomotivbau benötigte Schmiedeeisen aus England beziehen zu müssen, begann man 1847 mit dem Bau des Eisenwerks Moabit, auf einem Grundstück zwischen der Elberfelder Straße, Alt-Moabit und der Stromstraße, welches 1849 seine Produktion aufnahm. Die Maschinenbauanstalt und Eisengießerei der Preußischen Seehandlungs-Societät in der Moabiter Kirchstraße 6 kam 1850 dazu. 1854 wurde die 500. Dampflok vom Unternehmen gebaut. Anlässlich dieser Feierlichkeit wurde Borsig zum Geheimen Kommerzienrat ernannt. Im selben Jahr erfolgte der zusätzliche Kauf der Kohlengruben von Biskupitz in Oberschlesien, dessen Ziel es war, in unmittelbarer Nähe ein Hochofenwerk nutzen zu können. Diese Anlage wurde 1859, nun unter der Leitung des Sohnes Albert, fertiggestellt und 1862 ein Teil der Produktion nach Schlesien verlegt.
Wie viele im Berlin der damaligen Zeit zu Ruhm und Reichtum gekommenen Unternehmer betätigte sich August Borsig in vielfältiger sozialer Weise und galt als Mäzen für Künstler. Für die in seinem Unternehmen tätigen Arbeiter richtete er eine Kranken- und Sterbekasse sowie eine Sparkasse ein. Er selbst erfüllte sich mit dem Bau der Villa Borsig in Berlin-Moabit einen langgehegten Traum.
August Borsig starb am 06. Juli 1854 in Berlin und ist auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in der Chausseestraße in Berlin beerdigt.

Sein am 07. März 1829 in Berlin geborener Sohn Albert Borsig trat 1854 in das väterliche Unternehmen ein und übernahm nach dem Tode August Borsig die Leitung der Firma. Bereits während seiner Schulausbildung, u.a. am Friedrichwerderschen Gymnasium, erlernte er in den Betrieben des Vaters die Formerei und erhielt auch dort eine umfassende praktische Ausbildung. Danach besuchte er das Königliche Gewerbeinstitut in Berlin.
Als seine Hauptleistung ist der Aufbau der Gruben und Werke in Oberschlesien zu sehen. Unter seiner Direktion steigerte sich die Produktion der Werke, die Produktionsstätten konnten vergrößert werden und man eroberte sich zunehmend den internationalen Markt. 1870 wurde das Moabiter Walzwerk nach Schlesien verlegt und die nun freigewordenen Räume für die Lokomotivbauanstalt eingerichtet, was eine weitere Steigerung der Produktion ermöglichte. Das Fertigungsprogramm beinhaltete nun auch Dampfmaschinen, Dampfkessel, Brücken, Wasserhaltungs- und Fördermaschinen.
Auch Albert Borsig machte sich um das Gemeinwohl verdient und wurde 1869 dafür mit dem Ehrentitel eines Geheimen Kommerzienrates geehrt. Für sich und seine Familie erwarb er 1866 das Gut Groß Behnitz im Havelland. Borsig ließ die vom abgerissenen Oranienburger Tor stammenden Trophäen aus Sandstein nach Groß Behnitz transportieren und ließ sie dort links und rechts des Eingangstores setzen. Auf dem Gut selbst entstand unter seiner Leitung ein agrarischer Musterbetrieb und im Park fanden exotische Bäume Platz.

Nach seinem Tode wurde die Firma bis 1894 einem Kuratorium, bestehend aus den leitenden Angestellten, unterstellt. Erst dann waren seine Söhne Ernst (geb. 13. September 1869 in Berlin, gest. 06. Januar 1933 auf Gut Groß Behnitz), Arnold (geb. 23. Juni 1867, gest. 01. April 1897 bei einem Grubenunglück in der Grube Hedwigswunsch in Schlesien) und Conrad (geb. 23. April 1873 in Berlin, gest. 13. Februar 1945, von russischen Soldaten erschossen) alt genug, die Firmenleitung zu übernehmen.
Auch Ernst Borsig erhielt, wie bereits sein Vater, eine technische Ausbildung in der Maschinenbauanstalt A. Borsig. Daran schloss sich ein Studium an der Universität Bonn und der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg an. Nach dem tragischen Unfalltod seines Bruders Arnold hatte er maßgeblichen Anteil an der Umsiedlung der Moabiter Werkstätten nach Berlin-Tegel. Ziel war es, die Berliner Produktionsstätten zu einem großen Werk zu vereinen. Anregungen zum Bau des neuen Werkes, das 1898 fertiggestellt wurde und sowohl zu Wasser als auch per Schiene bestens zu erreichen war, erhielt er bei seinen Reisen in das In- und Ausland wie England und Amerika.

Ernst von Borsig heiratete 1898 Margarete Gründler. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor, Karl Albert Arnold (geb. 1899), Margret (geb. 1900), Anneliese (geb. 1902) und Ernst (geb. 16. Oktober 1906, gest. 1945).
Sein jüngster Sohn Ernst von Borsig jun. gehörte später zur Widerstandbewegung Kreisauer Kreis. Das von ihm 1933 übernommene Gut Groß Behnitz war Treffpunkt von Mitgliedern dieser Gruppe. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurden mehrere von ihnen verhaftet und hingerichtet. Ernst von Borsig jun. blieb zwar verschont, wurde jedoch nach dem Einmarsch der Roten Armee 1945 gefangengenommen und starb im September desselben Jahres in einem Lager bei Landsberg/Warthe. Er war mit der Freiin Barbara von Müffling (gest. 19.02.1999) verheiratet.

Conrad Borsig hatte einen kaufmännischen Berufsweg eingeschlagen. In Bremen, London und auch Moskau lernte er das Bank- und Exportgeschäft kennen. Seit 1894 war er kaufmännischer Leiter des Unternehmens. Um das Jahr 1924 herum übernahm er das Gut Prillwitz in Pommern.

Die Brüder Ernst und Conrad Borsig wurden 1909 in den preußischen Adelsstand erhoben. Mit einem Vermögen von 22 Millionen Mark gehörte alleine Ernst von Borsig zu den 60 reichsten Männern Preußens. Er und sein Bruder Conrad waren gern gesehene Mitglieder zahlreicher Verbände, Ausschüsse und Clubs.

1926 erfolgte die Umwandlung der Firma in eine GmbH. Die Weltwirtschaftskrise brachte Verluste und 1931 mussten die Borsigwerke Insolvenz anmelden. Das Unternehmen konnte durch eine Fusion mit der AEG gerettet werden. Unter der Bezeichnung Borsig Lokomotiv-Werke GmbH als Tochtergesellschaft, mit einer Verlagerung des gesamten Lokomotivbaus zum AEG-Werk in Hennigsdorf, wurde es bis 1944 weitergeführt. Aktienmehrheit erhielten 1938 die Reichswerke Hermann Göring. Rheinmetall, an der die staatliche Holdinggesellschaft VIAG eine Mehrheitsbeteiligung besaß, übernahm den Rest des Unternehmens. 1935 entstand daraus die Firma Rheinmetall-Borsig AG.
Nach Kriegsende wurde 1950 die Borsig AG neu gegründet. Sie war Tochtergesellschaft der zum Bundesvermögen gehörenden Rheinmetall. 1956 erfolgte der Verkauf an die staatliche Salzgitter AG und 1967 die Umwandlung in eine GmbH. 1970 wurde das Unternehmen wiederum von der Deutsche Babcock AG übernommen worden und zur Babcock-Borsig AG fusioniert. Nachdem 2002 die Muttergesellschaft Babcock-Borsig AG in Oberhausen Insolvenz anmelden musste, war auch Borsig dazu gezwungen. Insolvenzverfahren schlossen sich an. 2003 wurde Borsig vom Management und dem Finanzinvestor capiton übernommen.

Zum Bestand gehören Unterlagen verschiedener polnischer Unternehmen, u.a. der Anfang des 19. Jahrhunderts von Antoni Zieleniewski gegründeten Maschinenfabrik, die später mit W. Fitzner & K. Gamper aus Sosnowiece (Sosnowitz) fusionierte. Diese Firma war 1880 vom deutschen Kommerzienrat Wilhelm Fitzner aus Laurahütte (Oberschlesien) und dem Schweizer Poly-Ingenieur Konrad Gamper (1849-1899) aus Stetten (Turgau) ins Leben gerufen worden. Später kam u.a. die Gießerei und Maschinenfabrik in Dombrov hinzu. Fünf Jahre später errichtete sie eine Maschinenfabrik und Hochofenwerk in Kramatorsk (Charkov). Diese drei Werke wurden 1897 in die "Gesellschaft der Kessel- und mechanischen Werke W. Fitzner & W. Gamper" überführt. Ernst Borsig war Direktor dieses Unternehmens.


2. Bestandsgeschichte

Der erste kleinere Teil des Bestandes A. Borsig Zentralverwaltung GmbH, der schon damals als unvollständig galt, wurde im Mai 1960 aus den Räumen der Chausseestraße 13 als Teilbestand in das Wirtschaftsarchiv des Stadtarchivs Berlin überführt.
Der größere Teil der Akten kam 1961 dazu. Die erste Verzeichnung erfolgte aufgrund der vorhandenen Aktenverzeichnisse.
Im August des Jahres 2008 wurde mit dem Eigentümer der Unterlagen ein Depositalvertrag abgeschlossen. Der Bestand wird für längere Zeit im Landesarchiv Berlin belassen und hier nach geltendem Archivgesetz des Landes Berlin und der Landesarchivbenutzungsordnung in der jeweils geltenden Fassung aufbewahrt und nutzbar gemacht.

Der Bestand ist vollständig erschlossen und umfasst 3169 AE (65,85 lfm). Er ist durch ein Findbuch und die Datenbank nutzbar und enthält: Familien- und Gutsarchiv (Familiennachlass Borsig, Gutsverwaltungen Groß-Behnitz und Prillwitz sowie Familiensitz Reiherwerder, Firmenbeteiligungen, Grundstücke, Reiseberichte).- Wirtschaftsarchiv (Aktien und Wertpapiere, Aufsicht über Einzelfirmen und Werke, Bilanzen, Geschäftsberichte, Interessengemeinschaft A. Borsig Zentralverwaltung, Gründung der Rheinmetall-Borsig AG, werkseigene Stiftungen, Personal).- Politisches Archiv (Finanzierung von politischen Parteien und Verbänden 1918/1919, Vertretung im Reichseisenbahnrat, in der Handelskammer Berlin und Potsdam u. a. Unternehmerorganisationen, Unterstützung gemeinnütziger Vereine u.a. Wohlfahrtsangelegenheiten).
Leider sind nicht alle Unterlagen zu datieren.

Sowohl in der Plankammer als auch in der Fotoabteilung des Landesarchivs werden zum Bestand gehörige Unterlagen verwahrt. Dazu gehören 442 Karten, Zeichnungen und Grundrisse sowie vier Fotomappen. Darin enthalten sind Aufnahmen von Gebäuden sowie Mitgliedern der Familie Borsig.

Die Akten sind, zum Teil, auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen nach § 8 Archivgesetz Berlin (ArchGB) vom 29. November 1993 i. d. F. vom 15. Oktober 2001 für die Benutzung befristet gesperrt. Nach § 8 Abs. 4 ArchGB kann eine Verkürzung der Schutzfristen auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs Berlin.

Der Bestand ist wie folgt zu zitieren:

Landesarchiv Berlin A Rep. 226 A. Borsig Zentralverwaltung GmbH, Nr. ...

3. Verweis

Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin.- Firmenarchive.- Bestand: I.2.001 - FA A. Borsig GmbH Berlin & A. Borsig Zentralverwaltung GmbH


Berlin, Juni 2009 Annette Thomas

Reference number of holding
A Rep. 226

Context
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> A Bestände vor 1945 >> A 6 Unternehmen der Wirtschaft >> A 6.2 Unternehmen der privaten Wirtschaft
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Date of creation of holding
1837 - 1945 (- 1952)

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28.02.2025, 2:13 PM CET

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  • Bestand

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  • 1837 - 1945 (- 1952)

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