Bestand

Pfarreiakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1945 (Bestand)

1. Behördengeschichte
Das Jahr 1821 markierte für das Bistum Würzburg mit seiner Neuorganisation als bayerisches Landesbistum einen Neuanfang unter völlig neuen Bedingungen. Durch das Konkordat (1817) und die Zirkumskriptionsbulle (1818) waren für die katholische Kirche im Königreich Bayern klare Strukturen geschaffen worden. Zur Reorganisation des Bistums brauchte es vor allem eine funktionierende Zentralverwaltung. Als erste Amtshandlung berief Bischof Adam Friedrich von Groß zu Trockau (amt. 1821–1840) aus diesem Grund noch im Dezember 1821 alle Domkapitulare zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen, legte die künftige Struktur der Diözesanverwaltung fest und ernannte Domkapitular Kaspar Beck zum Generalvikar. Bis 1823 führte diese oberste diözesane Verwaltungsbehörde noch den Titel Generalvikariat, erst dann erhielt sie offiziell die Bezeichnung Bischöfliches Ordinariat.
Da in den einzelnen bayerischen Diözesen in den 1820er Jahren für die neu geschaffenen Zentralverwaltungen noch unterschiedliche Benennungen Verwendung fanden (Generalvikariat, Geistliches Ratskollegium) und dies oftmals zu Missverständnissen im Geschäftsgang und in der Korrespondenz zwischen den staatlichen Behörden und den diözesanen Verwaltungsstellen geführt hatte, wurde den Diözesen 1826 durch königliche Verordnung die einheitliche Bezeichnung Bischöfliches Ordinariat für deren Zentralverwaltungen vorgeschrieben. Eine Untergliederung des Bischöflichen Ordinariats in Generalvikariat und Allgemeinen Geistlichen Rat stand den Bischöfen zu diesem Zeitpunkt bereits frei, im Bistum Würzburg wurde eine solche jedoch erst hundert Jahre später vorgenommen.
Der Bischof stand als Präsident dem Bischöflichen Ordinariat vor. Sein Generalvikar, der den Titel Direktor führte, hatte die eigentliche Leitung und Führung der Amtsgeschäfte inne. Als Vertreter des Bischofs besaß der Generalvikar ordentliche Amtsgewalt in allen zeitlichen (Temporalia) und geistlichen (Spiritualia) Angelegenheiten. In die Zuständigkeit des Ordinariats fielen auch sämtliche Amtsangelegenheiten der Dekanate, Pfarreien und sonstigen Seelsorgestellen. Dem Generalvikar waren die Domkapitulare als Ordinariatsräte beigeordnet. Die Beratungen fanden im Ordinariatskollegium statt. Der Kanzlei, die den gesamten Schriftverkehr des Ordinariats abwickelte und die Registratur verwaltete, stand wiederum ein Domkapitular als Direktor vor. 1834 wurde der Kanzleidirektor noch mit der Betreuung des Ordinariatsarchivs beauftragt.
Am 1. Oktober 1919 verfügte Bischof Ferdinand von Schlör (amt. 1898–1920/24) eine Neuregelung des Bischöflichen Ordinariats. Dabei errichtete man zwei neue Behörden, den Allgemeinen Geistlichen Rat und das Bischöfliche Generalvikariat. Dem Allgemeinen Geistlichen Rat, dem ein Direktor vorstand und der sich aus den bisherigen Ordinariatsräten (Dignitäre und Domkapitulare) zusammensetzte, wurde als Aufgabenbereich die Behandlung der Verwaltungssachen (Temporalia) zugewiesen. Das Bischöfliche Generalvikariat, in dessen Zuständigkeitsbereich die geistlichen (Spiritualia) und personellen (Personalia) Angelegenheiten fielen, stand naturgemäß unter der Leitung des Generalvikars. Der ihm zur Aufgabenerfüllung beigeordnete Rat war personell identisch mit den Räten des Allgemeinen Geistlichen Rates (Domkapitulare). Sowohl die Schriftgutverwaltung des Generalvikariats als auch des Allgemeinen Geistlichen Rats wurde in einer gemeinsamen Kanzlei geführt, die organisatorisch beim Allgemeinen Geistlichen Rat angegliedert war, ebenso wie die Registratur und das Archiv. Der Allgemeine Geistliche Rat war aber nicht nur Verwaltungsbehörde an sich, sondern fungierte gleichzeitig auch als ständiges Beratungsgremium für den Bischof in wichtigen diözesanen Fragen.
Die im Sprachgebrauch und in den Diözesanschematismen verwendete Bezeichnung Bischöfliches Ordinariat steht seit 1919 für die Gesamtheit des zentralen bischöflichen Verwaltungsapparats (Diözesanverwaltung) und nicht mehr für eine eigene Behörde. Das Bischöfliche Ordinariat hatte seinen Sitz ab 1821 bis zu dessen Zerstörung im Jahre 1945 im Bruderhof.

2. Überlieferung
Der Bestand „Pfarreiakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1945“ stellt eine Teilüberlieferung des Bischöflichen Ordinariats Würzburgs dar. Er umfasst diejenigen Akten, die im Bischöflichen Ordinariat zu einzelnen Pfarreien in alphabetischer Ordnung gebildet wurden. Überlieferungsfragmente zu den Seelsorgestellen lassen sich auch in den Bischöflichen Manualakten 1821–1898 nachvollziehen (vgl. z. B. Bischöfliche Manualakten 1821–1898, Nr. 128–149). Vermutlich dienten sie dem Bischof zum persönlichen Gebrauch und halfen ihm bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.
Nachdem sich ein Teil des Bestands noch in der laufenden Erschließung befindet (bisher wurden die Unterlagen zu Pfarreien mit den Anfangsbuchstaben A bis G erschlossen), umfasst er bisher 212 Verzeichnungseinheiten in 18 Archivkartons (2,7 lfd. Meter), deren Gesamtlaufzeit sich zum jetzigen Zeitpunkt vom 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert (um 1925) erstreckt.
Das bisher älteste Archivale ist eine in einen Aktenband eingenähte Eingabe des Gotteshauspflegers von Bad Königshofen i. Grabfeld wegen vernachlässigter Lembach'schen Frühmessstiftung aus dem Jahr 1776 (Nr. 121). Einzelne Abschriften und Auszüge im Bestand beziehen sich auf noch weiter zurückreichende Ereignisse. Die bisher jüngste Einheit verkörpert ein bis 1937 reichender Sammelakt mit den Kirchen- und Kultusstiftungen der Pfarrei Ebenhausen (Nr. 180).
Hierarchisch gesehen ist die Pfarrei die unterste rechtlich selbständige Einheit innerhalb der Diözese, neben den kirchenrechtlich zur Mutterpfarrei zugeordneten (Lokal-)Kaplaneien oder Exposituren (heute allgemein bezeichnet als Kuratie). Der Pfarrer war als Leitungsperson vor Ort nicht nur für das Seelenheil, die religiöse Sittlichkeit und den Bildungsstand seiner Gläubigen zuständig, er kümmerte sich auch um die caritativen Belange, die Liegenschaften vor Ort und die damit verbundenen Bautätigkeiten sowie die Pfründe- bzw. allgemeine Finanz- und Rechteverwaltung.
Die im Bestand vorhandenen Berichte und Korrespondenzen behandeln schwerpunktmäßig die Themen Gottesdienste, Liturgie, Sakramentenspendung, Verkündigung, Heiligenverehrung, religiöse Erziehung, Pfarramtsverwaltung, Stiftungs- und Finanzwesen sowie das Prozessions- und Wallfahrtswesen.
Als Besonderheit gelten die im Bestand der Pfarreiakten belassenen Papier-/Pergamenturkunden über die Befreiung (Dispensation) bei Ehehindernissen (Ehedispense) aus Rom (vgl. z. B. Nr. 1, 6, 11, 24). Diese vom apostolischen Stuhl in öffentlichen Ehehindernissen erteilten Dispenserlasse (Breve) wurden in der Regel dem betreffenden Diözesanbischof oder dem Generalvikar übersendet, die nach einer Prüfung das eigentliche Dispensdekret ausfertigten und dem Pfarrer wie auch dem Bittsteller zustellten. Die päpstlichen Urkunden hingegen blieben in der Registratur des Bischöflichen Ordinariats erhalten.
Der Bestand beinhaltet zudem mehrere als Sammelakt gekennzeichnete Einheiten zu Kultus- und Kirchenstiftungen in den einzelnen Seelsorgestellen. Der Inhalt reicht dabei von gestifteten Gedenkgottesdiensten (sogenannte Jahrtage oder Anniversarien) bis hin zur Errichtung von Benefizien (vgl. z. B. Nr. 4, 10, 17, 26).
Inwieweit der Bestand durch Kassation oder Umordnung im 19./20. Jahrhundert verändert wurde, bleibt offen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Unterlagen im Bischöflichen Ordinariat bis zur Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945, bei der ein Großteil des Bestands verloren gegangen ist, unverändert aufbewahrt worden sind. Einzelne vorhandene Aktenumschläge mit Notizen stammen nachweislich vom damals zuständigen Ordinariatsarchivar Dr. Franz Josef Bendel. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs bzw. mit der Transferierung von Pfarrarchiven in den 1980er Jahren wurden die Pfarreiakten zunehmend mit Unterlagen anderer Provenienz angereichert. In den 1990ern Jahren entstand erstmals ein Detailverzeichnis für Aidhausen-Wettringen. Ein weiteres befand sich in Vorbereitung (Altbessingen).

3. Bestandsbearbeitung
Ursprünglich beinhaltete der Bestand „Pfarreiakten“ auch die bis 1821 entstandenen Überlieferungen der Geistlichen Regierung (bis 1802/03), des Bischöflichen Vikariats (1803–1808) und Generalvikariats (1803, 1808–1821/23). Mit der Neuverzeichnung ab 2011 wurden die Unterlagen in die Bestände „Pfarreiakten der Geistlichen Regierung bis 1803 (1821)“ und „Pfarreiakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1945“ nach altem und neuem Bistum getrennt. Archivalien mit Provenienzen aus der Fuldaer und Mainzer Zeit wurden in jeweils eigens dafür geschaffene Bestände ausgegliedert. Grundsätzlich verblieben sämtliche zwischen 1821 und 1822 unter der Bezeichnung Generalvikariat angelegten Einheiten im Bestand.
Unterlagen, die keine kirchliche Provenienz aufwiesen, sind in einen extra hierfür geschaffenen Auffangbestand für die Analyse und Erfassung fremder Provenienzen bzw., nach erfolgreicher Provenienzanalyse, in die entsprechenden Dekanats- oder Pfarrarchive überführt worden. Enthaltenes Selekt- und Dokumentationsgut wurde in die bestehenden Sammlungen respektive Selekte ausgegliedert.
Nach archivgerechter Verpackung und (grober) Neuordnung der Schriftstücke erfolgten die Titelbildungen nach aktuellen archivischen Standards. Ortsbezeichnungen, historische und veraltete Begrifflichkeiten wurden dabei an heutige Gegebenheiten angepasst. Der Zusatz „Bad“ und sämtliche Beinamen als Endbestandteil von Städte-/Ortsnamen, wie Bad Königshofen i. Grabfeld oder Bad Neustadt a. d. Saale, sind unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erhebung als Kurort (meist in den 1930er Jahren) in ihrer jetzigen Bezeichnung angegeben.
Das Ordnungsschema durch Sortierung der Verzeichnungseinheiten fand aufgrund der geringen Anzahl an Aktenmaterialien ohne nähere sachliche Gliederung (Systematik) statt. Der Umfang der Einheiten wurde dabei grundsätzlich in Folio oder Blatt angegeben. Eine darüber hinaus gehende Anzahl an losen, gehefteten oder gefalteten Dokumenten wurde entweder als Faszikel (mehrere Einzelblätter) oder, bei einer umfangreicheren Einheit, als Konvolut (Aktenpaket) bezeichnet. Aktenpakete besitzen mit der badischen bzw. preußischen Fadenheftung meist eine feste Bindung. Zudem kann der Umfang – abhängig von der Bindungs-/Verpackungsart – in Band, Heft oder Mappe angegeben werden. Prinzipiell erschließt sich die tatsächliche Materialmenge über die Rückenstärke (Aktendicke/-breite in Zentimeter) der Einheit. Diese ist in runden Klammern ( ) festgehalten. Wurden bei der Verzeichnung Angaben wie Datierung, Orte oder Personen von den Bearbeitern über inhaltliche Hinweise in den Akten oder über weiterführende Hilfsmittel und Literatur erschlossen, so sind diese mit eckigen Klammern [ ] gekennzeichnet.
Bisher umfasst der Bestand „Pfarreiakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1945“ Unterlagen zu Pfarreien mit den Anfangsbuchstaben A bis G und beinhaltet aktuell 215 Verzeichnungseinheiten. Die Aufnahme von ca. 190 Pfarreien (Anfangsbuchstaben G bis Z) in 287 Archivkartons mit verschiedensten Inhalten steht noch aus.

4. Benutzung
Der Bestand ist in der Regel uneingeschränkt für die Benutzung freigegeben. Geringfügige Teile des Schriftguts für das 20. Jahrhundert sind aufgrund etwaiger Schutzfristen für personenbezogene Daten vor einer Benutzung durch das Archiv zu überprüfen.

5. Sachverwandte Bestände
- Bischöfliche Manualakten 1821–1898
- Pfarreiakten der Geistlichen Regierung bis 1803 (1821)
- Dekanatsakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1945
- Sammlung Mandate und amtliche Rundschreiben
- Protokolle des Bischöflichen Ordinariats 1823–1858

6. Zitierempfehlung
Diözesanarchiv Würzburg (DAW), Pfarreiakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1945, Nr. ...

7. Literatur und Quellen (in Auswahl)
- August Amrhein (Bearb.), Realschematismus der Diözese Würzburg, Würzburg 1897.
- Josef Aurich, Statistisches Amtshandbuch für den Regierungsbezirk Unterfranken und Aschaffenburg, Würzburg 1902.
- A[lois] B[arthelme] (Bearb.), Beschreibung der Pfarreien, Kuratien und Benefizien im königlich bayerischen Untermainkreise, mit Angabe des Patronatsrechts und der Erträge, Würzburg 1836.
- Joseph Beez (Bearb.), Topographische und statistische Beschreibung aller zur jetzigen Würzburger Diözese gehörigen Pfarreyen, Kaplaneyen, Curatien und Benefizien, [Würzburg] 1820.
- Hanns Hubert Hofmann, Unterfranken. Geschichte seiner Verwaltungsstrukturen seit dem Ende des Alten Reiches 1814–1980, Würzburg 1981.
- Joseph Müller, Die bischöflichen Diözesanbehörden, insbesondere das bischöfliche Ordinariat (Kirchenrechtliche Abhandlungen 15), Stuttgart 1905.
- Thomas Wehner, Das Bistum Würzburg im Spannungsfeld zwischen Säkularisation, Konkordat und Neuorganisation, in: Hans Ammerich (Hg.), Das Bayerische Konkordat 1817, Weißenhorn 2000, S. 231–244.
- Thomas Wehner (Bearb.), Realschematismus der Diözese Würzburg, Würzburg 1991 ff. Bisher erschienen: Dekanat Alzenau (1991), Dekanat Ebern (1994), Dekanat Karlstadt (2003), Dekanat Kitzingen (1997), Dekanat Lohr a. Main (1996), Dekanat Miltenberg (1994), Dekanat Obernburg (1998), Dekanat Ochsenfurt (Bearb. Roland Huth, 1991), Dekanat Rhön-Grabfeld (1993), Dekanat Schweinfurt-Stadt (2000), Dekanat Würzburg links des Mains (2000), Dekanat Würzburg rechts des Mains (1999), Dekanat Würzburg-Stadt (1992).
- Thomas Wehner/Wolfgang Weiß, 1821 – Bruch, Beginn, Wandel. 200 Jahre neues Bistum Würzburg, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter Bd. 84 (2021), Würzburg 2021, S. 13–125.

Stand: Dezember 2021

Reference number of holding
Diözesanarchiv Würzburg, Pfarreiakten des Bischöflichen Ordinariats 1821–1945

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Diözesanarchiv Würzburg (Archivtektonik) >> 03. Bistum Würzburg seit 1821 >> 03.03 Bischöfliches Ordinariat

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1821–1945

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28.09.2023, 11:31 AM CEST

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  • Bestand

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  • 1821–1945

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