Bestand
Protokolle des Bischöflichen Ordinariats 1823–1858 (Bestand)
Durch die Säkularisation von 1802/03 ging die alte Reichskirche, dieses Kirchensystem mit seiner Verbindung von geistlicher und weltlicher Macht in der Hand der Fürstbischöfe, unter. Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 bestätigte die Säkularisation der geistlichen Staaten und die Mediatisierung einzelner kleinerer weltlicher Herrschaften und damit die bis dahin umfassendste territoriale Umgestaltung auf deutschem Gebiet.
Mit der Säkularisation von 1802/03 hörte auch das Hochstift Würzburg als geistlicher Staat der Würzburger Fürstbischöfe auf zu existieren und wurde dem Kurfürstentum Pfalzbayern als Kompensation für seine durch Frankreich annektierten linksrheinischen Gebiete zugeschlagen. Der damals regierende Fürstbischof Georg Karl von Fechenbach (reg. 1795–1808) verlor seine Stellung als geistlicher Landesherr und Fürst und war von einem Tag auf den anderen nur noch Bischof von Würzburg. Im Gegensatz zum Hochstift blieb das Bistum Würzburg zunächst formell weiter bestehen. Hier sollten laut Reichsdeputationshauptschluss erst durch spätere reichsrechtliche Regelungen neue kirchliche Strukturen geschaffen werden. Eine solche Lösung kam aber nicht mehr zustande. Nachdem sich die deutschen Mittelstaaten 1806 unter dem Protektorat Napoleons zum Rheinbund zusammengeschlossen hatten, löste sich das Reich auf. In der napoleonischen Zeit zerfiel das alte Bistum Würzburg bis 1813 strukturell und territorial zusehends. Die Frage, welche Struktur die katholische Kirche künftig haben sollte, blieb zunächst ungeklärt. Erst das zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Bayern geschlossene Konkordat von 1817 und die sich anschließende päpstliche Zirkumskriptionsbulle von 1818 bahnten in Bayern den Weg zur Schaffung einer neuen Kirchen- und Bistumsorganisation, in deren Rahmen auch das Bistum Würzburg neu gegründet wurde. Die Umsetzung der kirchlichen Neuordnung zog sich jedoch bis 1821 hin.
Die Rechtsgrundlage für die Neuorganisation des Verhältnisses von Staat und Kirche nach der Säkularisation bildete das neunzehn Artikel umfassende bayerische Konkordat von 1817. Für die innere Organisation und Verwaltung der neuen Bistümer sind dabei insbesondere die Bestimmungen über die Aufgaben der neuen Domkapitel von Bedeutung. Auch die neuen Domkapitel waren eigenständige geistliche Korporationen, doch einen Sonderstatus im Diözesangefüge und eine vom Bischof rechtlich unabhängige Stellung besaßen sie nun nicht mehr. Mit der konkordatären Festlegung, dass die Domkapitel neben ihren liturgischen Aufgaben und Funktionen in den Kathedralkirchen in ihrer Gesamtheit die Bischöfe als Räte und Mitarbeiterstab in den Diözesanverwaltungen zu unterstützen hatten, wuchs ihnen eine völlig neue Aufgabe zu. Die Domkapitel bildeten in den neuen bayerischen Bistümern nun den Kern der diözesanen Zentralverwaltung.
1. Behördengeschichte
Voraussetzung für eine dauerhafte organisatorische Erneuerung des Bistums in der schwierigen Ausgangslage des Neubeginns 1821 war eine geordnete und effizient arbeitende kirchliche Zentralverwaltung. Als erste Amtshandlung nach seiner Inthronisation am 23. Dezember 1821 versammelte der neue Bischof Adam Friedrich von Groß zu Trockau (amt. 1821–1840) daher bereits am darauffolgenden Tag alle Domkapitulare zu einer gemeinsamen Sitzung in das Bischofshaus. Dort legte er mit der Neukonstituierung des Generalvikariats die künftigen Strukturen der zentralen Diözesanverwaltung fest, ernannte alle Domkanoniker zu Räten des Generalvikariats und bestellte den Domkapitular Kaspar Beck zum neuen Generalvikar des Bistums Würzburg. Die oberste diözesane Verwaltungsbehörde, deren Leitung Beck als Generalvikar übernahm, führte zunächst noch die seit 1808 gängige Bezeichnung Generalvikariat, erst 1823 erhielt sie offiziell den Titel Bischöfliches Ordinariat. 1823 setzte Bischof Groß zu Trockau eine neue Geschäftsordnung für die Ordinariatskanzlei in Kraft und verfügte 1838 eine Ordnung über die Abfassung und Vorlegung der Ordinariatsprotokolle (vgl. Bischöfliche Manualakten 1821–1898, Nr. 38).
Da in den einzelnen bayerischen Diözesen in den 1820er Jahren für die neu geschaffenen Zentralverwaltungen sehr unterschiedliche Benennungen existierten (Generalvikariat, Geistliches Ratskollegium) und dies oftmals zu Missverständnissen im Geschäftsgang und in der Korrespondenz zwischen den staatlichen Behörden und den diözesanen Verwaltungsstellen geführt hatte, wurde 1826 den Diözesen durch königliche Verordnung die einheitliche Bezeichnung Bischöfliches Ordinariat für deren Zentralverwaltungen vorgeschrieben. Eine Untergliederung des Bischöflichen Ordinariats in Generalvikariat und Allgemeinen Geistlichen Rat stand den Bischöfen frei. Im Bistum Würzburg wurde eine solche Untergliederung jedoch nicht vorgenommen.
An der Spitze des Bischöflichen Ordinariats stand der Bischof als Präsident, der bei den Sitzungen den Vorsitz innehatte und dem die letzte Entscheidung zukam (vgl. Bischöfliche Manualakten 1821–1898, Nr. 10: „Relatio status dioeceseos Herbipolensis 1824“). Weiterhin gehörten ihm der Generalvikar als Direktor und Stellvertreter des Bischofs, dem die Leitung des Ordinariats und die Führung der Amtsgeschäfte oblag, sowie die Mitglieder des Domkapitels (Dompropst, -dekan, -kapitulare) als den Ordinariatsräten an, wobei ein Domkapitular zugleich als Sekretär des Bischofs fungierte. Zeitweilig wurden auch der Regens des Bischöflichen Priesterseminars als Ordinariatsrat ernannt. Hinzu kam ein Aktuar, der das Protokoll zu führen hatte und der aus dem Kreis der Domvikare berufen wurde. Nicht zum Ratskollegium gehörten hingegen die übrigen Mitarbeiter der Ordinariatskanzlei.
Das Ordinariatskollegium tagte zweimal wöchentlich, um aktuelle Angelegenheiten des Bistums zu besprechen und zumeist sofort darüber zu entscheiden. Seine Mitglieder – auch der Bischof – waren dabei als Referenten für die ihnen zugeteilten Themen verantwortlich. Nach welchem Prinzip die Themenvergabe erfolgte, ist bislang nicht geklärt. Vermutlich wurden die Aufgaben nach Eignung der Referenten durch den Generalvikar verteilt. In den Zuständigkeitsbereich des Ordinariats fielen neben allgemeinen Verwaltungsgegenständen beispielsweise die Bepfründung von Priestern, sämtliche Amtsangelegenheiten der Dekanate, Pfarreien und sonstigen Seelsorgestellen, Bestätigungen von Kirchen-, Pfründen- und Gottesdienststiftungen, kirchliches Bauwesen, katholische Vereine und Verbände, Christenlehre, Schulangelegenheiten, Pastoralkonferenzen oder Approbationen.
Nach dem Tod Bischof Groß zu Trockaus am 21. März 1840 gab es keine längere Unterbrechung der Ordinariatssitzungen zu verzeichnen. Die letzte Sitzung mit dem Bischof fand am 21. Februar statt, am 16. Oktober nahm schließlich der wenige Tage zuvor konsekrierte neue Bischof Georg Anton Stahl (amt. 1840–1870) zum ersten Mal an den Sitzungen teil. Ab dem 26. Oktober des genannten Jahres sind dann auch die Reinschriften der Protokolle erhalten, während für die Monate zuvor lediglich Konzepte überliefert sind. Formal kam es während der gesamten Überlieferungszeit der Protokolle zu keinen gravierenden Veränderungen in der Praxis der Sitzungen.
In der Regierungszeit Bischof Stahls wurden die Verwaltungsabläufe im Bischöflichen Ordinariat offenbar weiter optimiert. So ist beispielsweise ein Entwurf zur Reorganisation des Geschäftsgangs im Bischöflichen Ordinariat aus den 1840er Jahren überliefert (vgl. Bischöfliche Manualakten 1821–1998, Nr. 38). Das Ordinariat bestand als eigentliche Verwaltungsbehörde bis zum Jahr 1919, als Bischof Ferdinand Schlör (amt. 1898–1920/24) eine Verwaltungsreform verfügte, durch die dessen Geschäftsbereiche auf den Allgemeinen Geistlichen Rat – bestehend aus den Räten des bisherigen Ordinariats und zuständig für Verwaltungssachen – sowie das Bischöfliche Generalvikariat für geistliche und personelle Angelegenheiten aufgeteilt wurden.
2. Überlieferung
Die Protokollüberlieferung des Bischöflichen Ordinariats setzt im Jahr 1823 ein und umfasst insgesamt 47 Bände, davon sechs Konzepte, 40 Reinschriften und eine Präsenzliste, d. h. ein Verzeichnis der anwesenden Räte in den jeweiligen Sitzungen. Nach dem Jahr 1858 bricht die Überlieferung ab. Es ist zu vermuten, dass die heute noch vorhandenen Protokolle bereits vor 1945 im alten Ordinariatsarchiv aufbewahrt wurden und so den Bombenangriff am 16. März 1945 überdauerten, während die jüngere Überlieferung ab 1859 noch in der laufenden Registratur des Bischöflichen Ordinariats aufbewahrt und mit dieser dann 1945 vollständig vernichtet wurde. Im Bestand „Bischöfliche Manualakten 1821–1898“ finden sich lose verstreut Exzerpte einzelner Beratungsgegenstände aus den Protokollen des Bischöflichen Ordinariats.
Aus dem Bischöflichen Ordinariat ist für das 19. Jahrhundert kein geschlossener Aktenbestand überliefert, da die einstmals vorhandenen Unterlagen vermutlich in der damaligen Registratur aufbewahrt und damit 1945 ebenfalls zerstört wurden. Die überlieferten Protokollbände bilden daher heute umso mehr einen zentralen Leitbestand des Diözesanarchivs für die jüngere Bistumsgeschichte, zumal durch die zahlreichen beigebundenen und losen Schriftstücke und Dokumente (s. u. Form der Protokolle) ein Ausschnitt aus dem verlorenen Aktenbestand des Ordinariats erhalten ist. Die Protokolle bieten in ihrer komprimierten Form reiches Material zur Erforschung der Geschichte des Bistums Würzburg bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts.
3. Form der Protokolle
Die Protokollbände haben Folioformat. Die Rückentitel der gebundenen und mit einem Pergamenteinband versehenen Bände variieren von „Protocollum“ mit der entsprechenden Jahreszahl sowie der Angabe des jeweiligen Teilbands, d. h. bei jährlich maximal zwei Teilbänden die Bezeichnung „Pars I“ oder „Pars II“, über „Sitzungsprotokoll“ und „Bischöfliches Ordinariats Protokoll“ bis zu „Sitzungs-Protokoll des Bischöflichen Ordinariats“ mit jeweils entsprechender Jahreszahl.
Die Protokolleinträge wurden pro Sitzung erstellt und sind gleichförmig aufgebaut. Die Seiten der Bände sind fortlaufend durchnummeriert. Die Sitzungen werden oberhalb der Einträge datiert (z. B. „Bischöfliches Ordinariats Protokoll vom 3ten Januar 1823“). Die eigentlichen Sitzungseinträge sind halbbrüchig aufgeteilt. Auf der linken Blatthälfte werden die Sitzungsteilnehmer („Praesentibus“) mit Namen und Amtsbezeichnung einschließlich des Aktuars als Protokollant, die für jeden behandelten Beratungsgegenstand vergebene fortlaufende Vorgangsnummer (= Protokollnummer) und die sogenannte D-Nummer, die jeweiligen Betreffe der in der Ordinariatssitzung behandelten Gegenstände (Ortsangabe und Titel) sowie der Referent, der das Thema bearbeitet bzw. vorträgt, protokolliert. Auf der rechten Blatthälfte finden sich die jeweils zusammengefassten Inhalte der behandelten Betreffe wie auch die Beschlüsse des Gremiums zu diesen Betreffen („Conclusum“, „Beschlossen“). Die für jeden behandelten Betreff vergebene D-Nummer bezieht sich auf die in der Ordinariatsregistratur erfolgten Posteingänge. Dort wurden die eingehenden Schriftstücke mit dem Buchstaben D und einer Nummer versehen in ein Diarium, d. h. ein Eingangsjournal, eingetragen, bevor die Schriftstücke den jeweiligen Ordinariatsräten zur Weiterbearbeitung zugeleitet wurden. Diese Schriftstücke sind zum Teil auch als beigebundene oder lose Anlagen in den Protokollbänden mitüberliefert. Durch die entsprechende Vorgangsnummer des Protokollbands, die der Aktuar auf die als Anlage beigefügten Schriftstücke notierte, sowie die D-Nummer können die Anlagen und die Protokolleinträge einander eindeutig zugeordnet werden.
Die Protokolle wurden vermutlich zunächst als Entwurf erstellt und später in Reinschrift übertragen, worauf die überlieferten Konzeptpapiere und die saubere Schriftführung hindeuten. In der oben genannten Anordnung Bischofs Groß zu Trockau vom 2. Januar 1838 (vgl. Bischöfliche Manualakten 1821–1898, Nr. 38) wird auch die Erstellung eines Registers eingefordert. Ein solches ist für die frühen Protokollbände nur unregelmäßig überliefert, dann aber ab dem Jahr 1841 als Personen-, Orts- und Sachregister durchgängig erhalten. Da die Protokollbände von 1838 bis 1840 nur fragmentarisch überliefert sind, ist zu vermuten, dass die Register ebenfalls verloren gingen.
4. Bestandsbearbeitung
Ende der 1990er Jahre wurde der Bestand erstmals erschlossen. Damit verbunden war eine Verfilmung auf Mikrofiches. Die damalige, zum Teil detailreiche, in ihrer inhaltlichen und formalen Ansetzung jedoch uneinheitliche Erschließung folgte allerdings keinen gültigen archivischen Standards. Schließlich fehlte auch ein entsprechendes Bestandsvorwort.
Der vorliegende Bestand war bis zur Neuerschließung im Jahr 2020 mit den Beständen „Protokolle der Geistlichen Regierung 1778–1803“, „Protokolle des Generalvikariats und Bischöflichen Vikariats 1803–1808“ und „Protokolle des Generalvikariats 1808–1822“ im Bestand „Geistliche Rats-Protokolle“ zusammengefasst. Aufgrund der unterschiedlichen Überlieferungsbildner wurde eine Bestandstrennung und -neuerschließung vorgenommen.
Die Bearbeitung erfolgte in der ersten Hälfte des Jahrs 2020 im Rahmen eines eigenen Projekts, das von der Theodor-Kramer-Stiftung gefördert wurde. Dabei wurden die genannten Bestände nach den Bestandsbildnern getrennt, neu verzeichnet und für jeden Bestand ein Vorwort für das archivische Findbuch erstellt. Die Arbeiten wurden anhand der vorhandenen Mikrofiches durchgeführt.
5. Benutzung
Da die Protokollbände Ende der 1990er Jahre auch auf Mikrofiches verfilmt wurden, gelangen die zum Teil mechanisch geschädigten Bände in der Regel nicht mehr in die Benutzung. Die Mikrofiches sind im Lesesaal von Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg uneingeschränkt für die Benutzung freigegeben.
6. Sachverwandte Bestände
- Protokolle der Geistlichen Regierung 1778–1803
- Protokolle des Generalvikariats und Bischöflichen Vikariats 1803–1808
- Protokolle des Generalvikariats 1808–1822
- Bischöfliche Manualakten 1821–1898
- Sammlung Mandate und amtliche Rundschreiben
7. Zitierempfehlung
Diözesanarchiv Würzburg (DAW), Bischöfliches Ordinariat, Protokolle [Jahreszahl, ggf. Teilband], Nr. [Nr.]
8. Literatur (in Auswahl)
- Hansjoachim Daul, Verwaltungs- und Gerichtsorganisation im Hochstift Würzburg am Ende des alten Reiches, in Mainfränkisches Jahrbuch 23 (1971), S. 92–108.
- Thomas Wehner, Das Bistum Würzburg im Spannungsfeld zwischen Säkularisation, Konkordat und Neuorganisation, in: Hans Ammerich (Hg.), Das Bayerische Konkordat 1817, Weißenhorn 2000, S. 231–271.
- Thomas Wehner, Die Verwaltung des Bistums Würzburg und seiner Pfarreien im 19. und 20. Jahrhundert – Träger und Strukturen im Überblick, in: Wolfgang Altgeld/Johannes Merz/Wolfgang Weiß, Josef Stangl 1907–1979. Bischof von Würzburg. Lebensstationen in Dokumenten, Würzburg 2007, S. 46–67.
- Wolfgang Weiß, Das Bistum Würzburg zwischen Säkularisation und Neubeginn (1802–1821), in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 78 (2015), S. 33–46.
- Wolfgang Weiß, Kirche im Umbruch der Säkularisation. Die Diözese Würzburg in der ersten bayerischen Zeit (1802/03–1806), Würzburg 1993.
Stand: Dezember 2021
- Reference number of holding
-
Diözesanarchiv Würzburg, Protokolle des Bischöflichen Ordinariats 1823–1858
- Context
-
Diözesanarchiv Würzburg (Archivtektonik) >> 03. Bistum Würzburg seit 1821 >> 03.03 Bischöfliches Ordinariat
- Date of creation of holding
-
1823–1858
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28.09.2023, 11:31 AM CEST
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1823–1858