Bestand

E 399 Landestheater Tübingen (Bestand)

Form und Inhalt: Am 10. Juni 2009 wurde im Tübinger Rathaus das Archiv des Landestheaters Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) in die Obhut der Stadt Tübingen übergeben. Damit fällt der umfangreiche Bestand, der bis zur Gründung des Theaters im Jahr 1945 zurückreicht, in die Zuständigkeit des Stadtarchivs und ist für die öffentliche Nutzung zugänglich. Zu diesem Zweck wurde von Susanne Feldmann im Auftrag von Stadtarchiv und LTT das vorliegende Verzeichnis der übergebenen Unterlagen erstellt.
Der 65 Regalmeter umfassende Bestand E 399 enthält im Kern relativ vollständig die Drucksachen (Spielzeithefte, Theaterzeitungen, Programmhefte, Plakate), Fotos (Szenenfotos, Probenfotos, Aufnahmen hinter den Kulissen) und ein Pressearchiv (Kritiken, allgemeine Berichterstattung über das LTT). Hinzu kommen Verträge, Dispositionsbücher, Vorstellungsberichte, Korrespondenzen mit Abonnenten, Autoren, Theatermitgliedern u. a., Unterlagen zu besonderen Produktionen, Programmen, Themen und Veranstaltungen, z. B. die Baden-Württembergischen Theatertage 1981, Tonmitschnitte und Einspielton für Inszenierungen wie auch Videoaufnahmen.
Augenblicklich umfasst der Bestand den Zeitraum von der ersten Spielzeit 1945/46 bis 2004/05, als die letzte Intendanz zu Ende ging. Die Unterlagen aus der Ära der derzeitigen Intendantin Simone Sterr verbleiben vorläufig noch im LTT. Es ist aber vorgesehen, dass diese Unterlagen in Zukunft jeweils zum Abschluss einer Intendanz an das Stadtarchiv übergeben werden.
Das umfangreiche Material dokumentiert die künstlerische Arbeit des Landestheaters - insbesondere die rund 1.000 Inszenierungen seit 1945. Darüber hinaus stellt es ein einzigartiges Zeugnis zur regionalen und überregionalen Theaterund Kulturgeschichte dar und ist nicht zuletzt ein wichtiger Teil der Tübinger stadtgeschichtlichen Überlieferung seit 1945. Die Archivalien geben umfassend Auskunft über die Bedingungen, denen der Theaterbetrieb unterworfen war. Sie berichten beispielsweise, wie das LTT sich immer wieder neu auf seinen besonderen, nicht selten konfliktträchtigen Auftrag eingestellt hat, für die beiden so unterschiedlichen Sitzstädte Tübingen und Reutlingen wie auch für andere Kommunen im Land Theater zu spielen. Darüber hinaus erzählt es, wie das LTT die Umstände seiner räumlichen Unterbringung in Tübingen gemeistert hat: In den ersten 35 Jahren war es „Untermieter“ im Museum, litt unter Raumnot und spielte im Wechsel mit dem Kinobetrieb. Seit nunmehr 30 Jahren ist es Hausherr der ehemaligen Stuhlfabrik Schäfer und hat wesentlich zur Belebung und Aufwertung der Südstadt beigetragen.
Außerdem zeichnet der Archivbestand den Rollenwandel des LTT in Tübingen nach, von der distanzierten bildungsbürgerlichen Anstalt zum generationenübergreifenden soziokulturellen Treffpunkt und vielfältig vernetzten Akteur in der städtischen Kultur. Reichlich Stoff findet sich im LTT-Archiv zu dem häufig kontroversen, immer wieder aber auch kooperativen Verhältnis des LTT zu der einzigen Zeitung der Stadt, dem Schwäbischen Tagblatt. Des weiteren lässt sich anhand des Archivbestands nachvollziehen, wie das einzigartige und unverwechselbare dramaturgische Profil des LTT Anfang der 1970er Jahre unter Intendant Manfred Beilharz entstanden ist und wie die nachfolgenden Intendanten dieses Profil auf jeweils individuelle Weise erfolgreich weiterentwickelt haben.
Schließlich und vor allem legt das Archiv Zeugnis ab von den Menschen, die in mittlerweile 63 Spielzeiten am LTT gearbeitet haben. Hier finden sich nicht nur die Spuren von denen, deren glanzvolle Karrieren am LTT ihren Ausgang genommen haben (Dietmar Bär, Gustl Bayrhammer, Rufus Beck, Klaus Maria Brandauer, Rosemarie Fendel, Johanna von Koczian, Axel Manthey, Hannes Messemer, Dieter Pfaff, Samuel Weiss), oder von Größen, die am LTT Zwischenstation gemacht haben (Elisabeth Flickenschildt, Erwin Piscator, Maximillian Schell). Vielmehr wird deutlich, wie viele Menschen dem LTT über Jahre und Jahrzehnte verbunden geblieben sind und Abend für Abend auf der Bühne und hinter den Kulissen dafür gesorgt haben, dass der Vorhang hochgeht.
Das LTT-Archiv befand sich bis zu seiner Übergabe an die Stadt im Theater in der Eberhardstraße. Ende der 1990er Jahre wurde absehbar, dass der Raum angesichts der Materialfülle allmählich an die Grenzen seines Fassungsvermögens stößt. Auch wurde die Notwendigkeit, das Archiv zu erschließen und allgemein zugänglich zu machen, als immer dringender empfunden. Mit großem Beharrungsvermögen haben LTT und Stadtarchiv schließlich erreicht, dass das Archiv geordnet, gesichtet, erfasst und vom LTT ins Stadtarchiv überführt werden konnte. Dabei mussten allerdings die anfänglichen Idealvorstellungen einer archivischen Verzeichnung mehrfach deutlich „abgespeckt“ werden. Leider blieben die dafür nötigen Fördergelder von dritter Seite bislang aus. Deshalb blieb auch die vollständige Umbettung des Bestandes in konservatorisch unbedenkliche Archivmittel bis auf weiteres zurückgestellt.
Dennoch ist das Archiv ab sofort für die Öffentlichkeit zugänglich, zum einen für die regelmäßig eingehenden Anfragen von Literatur- und Theaterwissenschaftlern - auch aus dem Ausland. Vor allem aber besteht nun die Möglichkeit, das LTT-Archiv für die Erforschung vielfältiger Themen der Stadt-, Kultur- und Theatergeschichte heranzuziehen.
Susanne Feldmann, Udo Rauch
Tübingen im Juni 2009
Nachtrag: Zum Intendanzwechsel zur Spielzeit 2014/15 (Juli 2014) wurden die ersten 7 Spielzeiten unter der Intendanz von Simone Sterr ins Stadtarchiv überführt, die letzten beiden Spielzeiten unter ihrer Intendanz (2012/13 und 2013/14) sind auf Wunsch des neuen Intendanten Thorsten Weckherlin noch im LTT behalten worden.

Bestandssignatur
E 399
Umfang
72,1 lfd. m

Kontext
Stadtarchiv Tübingen (Archivtektonik) >> E: Fremdprovenienzen

Indexbegriff Sache

Provenienz
Landestheater Tübingen
Bestandslaufzeit
1945-2012

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Letzte Aktualisierung
29.04.2025, 08:21 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Beteiligte

  • Landestheater Tübingen

Entstanden

  • 1945-2012

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