Bestand
Heil- und Pflegeanstalt / Psychiatrisches Krankenhaus Hadamar: Sachakten (Bestand)
Bestandsgeschichte: Die
überlieferten Sach- und Verwaltungsakten der Landesheil- und
Pflegeanstalt Hadamar, die aus der NS-Zeit oder früher stammen,
konnten zu Beginn der 80er Jahre in den Kellern der Einrichtung
aufgefunden werden. Ursprünglich war der Bestand umfangreicher. Es
gingen jedoch bereits wenige Jahre nach der Entdeckung zentrale
Unterlagen verloren. Der Verbleib des Materials konnte trotz
staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen bis heute nicht geklärt werden.
Aus diesem Grund besteht der Sach- und Verwaltungsaktenbestand der
Landesheil- und Pflegeanstalt Hadamar zum einen aus Originalakten, zum
anderen aus mehr oder weniger vollständigen Kopien ausgewählter Akten,
die Mitte der 80er Jahre verschwunden sind. Die Kopien wurden dem
LWV-Archiv 1986 als Ersatzüberlieferung durch das Provinzialinstitut
für Westfälische Landes- und Volksforschung zur Verfügung gestellt. Im
Rahmen der Verzeichnung wurde den Kopien der Rang von Archivgut
eingeräumt. Die Datensätze sind in Arcinsys am Zusatz "Kopie" im Titel
zu erkennen. Unterlagen nach 1945 wurden in den letzten Jahren
übernommen. Sie sind nur zum Teil über Arcinsys
erschlossen.
Geschichte des Bestandsbildners:
Die Heil- und Pflegeanstalt Hadamar entstand 1906 aus der 1883 auf dem
Mönchberg errichteten 'Corrigendenanstalt', die zuerst als Arbeitshaus
zur Umerziehung von straffällig gewordenen Landstreichern und
Prostituierten dienen sollte. Mit dem steigenden Bedarf an stationärer
psychiatrischer Versorgung wurde 1906 diese Einrichtung in die sog.
Landesheilanstalt umgewandelt. Träger war der Bezirksverband des
Regierungsbezirks Wiesbaden, ein Vorgänger des
Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Ab 1920 wurden zusätzlich zu den
Patienten der Psychiatrie auch sog. 'Psychopathinnen' - zumeist
Prostituierte und suchtkranke Frauen - aufgenommen, was zu der
Umbenennung in 'Landesheil- und -Erziehungsanstalt' führte.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde 1934 die
Anstaltsleitung ausgewechselt. Bereits im gleichen Jahr wurden gemäß
dem 'Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses' die ersten
Zwangssterilisationen an Patienten der Landesheilanstalt Hadamar
vorgenommen, allerdings an anderen Standorten, zumeist in der Anstalt
Herborn.
Mit Kriegsbeginn wurde die Einrichtung von der
Wehrmacht als Reservelazarett beschlagnahmt. Ein Teil der
ursprünglichen Patienten verblieb jedoch in Hadamar. Am 01.11.1940
wurde die Landesheilanstalt nunmehr unter der Bezeichnung Heil- und
Pflegeanstalt Hadamar der 'Euthanasie'-Zentrale in Berlin unterstellt
(„T4-Aktion“) und ein Tötungstrakt im Keller der Anstalt errichtet.
Dieser bestand aus einer Gaskammer, einem Sezierraum und einem
Krematorium mit zwei Öfen. Hadamar war eine von sechs
nationalsozialistischen Gasmordanstalten in psychiatrischen
Einrichtungen. Zwischen dem 13. Januar 1941 und dem 21. August 1941
wurden über 10.000 Menschen im Rahmen der Aktion 'T4' in Hadamar mit
Kohlenmonoxydgas ermordert und im Krematorium verbrannt.
Nach Abschluss dieser ersten Phase der NS-'Euthanasie' wurde die
Anstalt wieder dem Bezirksverband Nassau unterstellt. In der Zeit von
August 1942 bis zum Kriegsende wurden in Hadamar weitere ca. 4.500
Patienten, getötet, unter ihnen auch sog. 'jüdische Mischlinge',
Zwangsarbeitende, Fürsorgezöglinge und Wehrmachtssoldaten sowie
Angehörige der SS. Die Tötung geschah nun mit Hilfe von Medikamenten,
durch unterbleibende medizinische Versorgung oder Hunger.
Seit 1953 ist der neu gegründete Landeswohlfahrtsverband Hessen
Träger der Heil- und Pflegeanstalt Hadamar, die 1957 in
'Psychiatrisches Krankenhaus' umbenannt wurde. Von 1969 an wurde der
Maßregelvollzugsbereich für Suchtkranke und psychisch Kranke in
Hadamar stufenweise ausgegliedert und ausgebaut.
Findmittel:
Arcinsys-Datenbank
- Reference number of holding
-
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, B 12
- Extent
-
2 lfm.
- Context
-
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (Archivtektonik) >> Gliederung >> Psychiatrische Krankenhäuser >> Hadamar
- Related materials
-
Literatur: Uta George, Georg Lilienthal, Volker Roelcke, Peter Sandner, Christina Vanja (Hrsg.): Hadamar. Heilstätte - Tötungsanstalt - Therapiezentrum (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien Bd. 12), Marburg 2006.
Literatur: Peter Sandner: Verwaltung des Krankenmordes. Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Hochschulschriften Bd. 2), Gießen 2003.
Literatur: Landeswohlfahrtsverband Hessen (Hrsg.): Verlegt nach Hadamar. Die Geschichte einer NS-"Euthanasie"-Anstalt. (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Kataloge Bd. 2), 4. Aufl., Kassel 2009.
Literatur: Christoph Schneider u.a. (Hrsg.): Hadamar von innen. Überlebenszeugnisse und Angehörigenberichte (=Studien und Dokumente zur Holocaust- und Lagerliteratur Bd. 10), Berlin 2020.
- Date of creation of holding
-
1906-1961
- Other object pages
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- Last update
-
14.11.2023, 10:28 AM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1906-1961