Baudenkmal
Sachgesamtheit Universitätsklinikum Sachsenhausen; Frankfurt, Theodor-Stern-Kai 7, Paul-Ehrlich-Straße 40
Institutsbauten 1907-1912 errichtet nach dem Entwurf von Richard Wilde (Pathologisches Institut, Augenklinik, Carolinum, Schwesternwohnhaus, Kinderklinik und Hautklinik) sowie zwei Bauten der frühen Nachkriegsmoderne (Dr. Senckenbergisches Anatomisches Institut, 1949-1953 errichtet von Robert Liebenthal und Personalwohnhaus, 1953-1954 nach dem Entwurf von Stefan Blattner).Historischer Überblick und bauliche EntwicklungDie Anfänge des Frankfurter Universitätsklinikums gehen in die 1880er und 1890er Jahre zurück, als im Westen von Sachsenhausen auf einem großen am Main gelegenen Grundstück das „Allgemeine Städtische Krankenhaus“ für die schnell expandierende Großstadt entstand. Hauptgebäude waren seinerzeit eine Hautklinik (Syphilis-Hospital), die Chirurgische Klinik sowie ein Pocken-Hospital, die meist auf H-förmigem Grundriss im Pavillonsystem errichtet wurden. Diese ursprüngliche Krankenhausanlage war bis zur Jahrhundertwende ständig erweitert und mit kleineren Neubauten ergänzt worden, bis dann zwischen 1907 und 1912 mit einer groß angelegten Klinikerweiterung eine zweite Hauptbauphase einsetzte. Damals wurde das Städtische Krankenhaus nach Süden und Osten um gut die Hälfte der ursprünglichen Fläche erweitert und das gesamte Bauvolumen der vorangegangenen 25 Jahre sogar noch übertroffen. Nach dem Entwurf des Magistratsbaurats Richard Wilde entstanden insgesamt 18 Neubauten. Damit wurde nicht nur dem weiterhin massiven Bevölkerungswachstum Rechnung getragen (1890 hatte Frankfurt rund 180.000 Einwohner, 1900 waren es bereits 290.000 und im Jahr 1910 415.000 Einwohner), sondern auch dem ebenso rasanten medizinischen Fortschritt. Zudem war die kurz bevorstehende und im Jahr 1914 dann vollzogene Gründung der Universität Frankfurt ein entscheidender Motor für die Klinikerweiterung.Innerhalb von nur etwa fünf Jahre Bauzeit entstanden u.a. mit dem Pathologischen Institut (Haus 6), der Augenklinik und dem Carolinum (Haus 9), dem Schwesternwohnhaus (Haus 10), der Frauenklinik (Haus 15), der Kinderklinik (Haus 17) und der Hautklinik (Nr. 18) zahlreiche, meist auf medizinische Einzelgebiete ausgerichtete Spezialkliniken, die sich bis heute weitgehend erhalten haben. Bau und Betrieb waren häufig erst durch großzügige Spenden meist jüdischer Stifterinnen und Stifter ermöglicht worden. Exemplarisch sei hier das Ehepaar Franziska und Georg Speyer genannt, ohne deren immense Finanzmittel die Gründung der Stiftungsuniversität Frankfurt (seit 1932 Goethe-Universität) kaum möglich geworden wäre. Franziska Speyer zeichnete daneben u.a. für die Finanzierung des nach ihrem Mann benannten Georg Speyer-Hauses verantwortlich (Paul-Ehrlich-Straße 42, Kulturdenkmal), das die bahnbrechende chemotherapeutische Forschung des Jahrhundertwissenschaftlers und Nobelpreisträgers Paul Ehrlich (1854-1915) überhaupt erst ermöglichte. Zugleich baute das spätere Universitätklinikum auf den durch Johann Christian Senckenberg (1707-1772) begründeten Stiftungen auf, mit dem Bürgerhospital, einer Anatomie und einem Naturhistorischen Museum als um 1780 fertiggestellte Kernbauten, die sich ursprünglich in der Nähe des Eschenheimer Turms befanden. Auf diese Tradition wurde Anfang des 20. Jahrhunderts auch gestalterisch Bezug genommen, knüpfen die einzelnen Institutsgebäude im Sinne der damaligen Architekturreform doch formal an die Baukunst bürgerlicher Prägung des Spätbarock an.Mit diesen noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges fertiggestellten Neubaumaßnahmen war die bauliche Entwicklung des Universitätsklinikums für längere Zeit weitgehend abgeschlossen. Erst seit dem Ende der 1920er Jahre erfolgten auf dem Stammgelände in Sachsenhausen und im östlich angrenzenden Niederrad einige Um- und Neubaumaßnahmen, für die meist Martin Elsässer verantwortlich zeichnete. An erster Stelle ist hier die 1930 fertiggestellte Psychiatrische Klinik in Niederrad zu nennen (Kulturdenkmal), die zu den bedeutenden Großbauprojekten des Neuen Frankfurt zählt.1945 bis heute Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Gebäude des Universitätsklinikums zu etwa 50 Prozent zerstört und in den ersten Nachkriegsjahren teilweise nur notdürftig wiederhergestellt. Am schwersten getroffen wurde der vor 1900 errichtete Gebäudebestand, während die Kliniken der zweiten Hauptbauphase meist nur geringe Schäden davontrugen. Als nach der Währungsreform 1948 wieder größere Neubaumaßnahmen in Frankfurt möglich wurden, hatte die Wiederherstellung des Universitätsklinikums oberste Priorität. Allein zwischen 1948 und 1954 wurden für Neubauten und Sanierungsmaßnahmen auf dem Klinik-Campus rund 13,6 Millionen Mark ausgegeben, die mit Abstand größte Investition der frühen Wiederaufbaujahre in der Mainmetropole.Die 1960er und 1970er Jahren, als überall in der Bundesrepublik neue Großkliniken entstanden, bedeuteten auch für das Frankfurter Universitätsklinikum den bis dahin größten Veränderungsschub. Mehrere Altbauten des späten 19. Jahrhunderts wurden abgerissen und im Zentrum des Stammgeländes ein großes Bettenhochhaus errichtet. Zugleich entstanden auf dem bislang weitgehend unbebauten Gelände in Niederrad zahlreiche Institutsneubauten sowie Wohnhochhäuser für Angestellte ohne nachvollziehbares Gesamtkonzept. Die spätkaiserzeitliche Pavillonanlage des Universitätsklinikums mit ihrer großzügigen Grünraumgestaltung ist bis heute, wenn auch teilweise verbaut und großflächig versiegelt, in Ansätzen erkennbar.Bestandteile der SachgesamtheitHaus 03, ehemaliges Personalwohnhaus, 1953-54 nach Entwurf von Stefan Blattner. Fünfgeschossiger Baukörper mit weit überstehendem Flachdach, das die abgerundeten Gebäudekanten und leicht nach Innen gezogenen Treppenhausfenster in elegantem Schwung nachzeichnet. Trotz starker Veränderungen im Inneren und neu eingebauter Fenster ist die skulpturale Präsenz und architektonische Qualität des Ursprungsentwurfs bis heute ablesbar. Bedeutendes Beispiel für den gehobenen, am Neuen Bauen der 1920er Jahre wiederanknüpfenden Wohnbau der frühen Nachkriegsmoderne in Hessen. Haus 06, Dr. Senckenbergisches Institut für Pathologie, 1907 errichtet nach dem Entwurf von Magistratsbaurat Richard Wilde. Das pathologische Institut kann auf eine knapp 120jährige Nutzungskontinuität zurückblicken. Weitgehend unverändert ist der zur Straße hin gelegene Baukörper mit zweigeschossig ausgebautem, schiefergedecktem Dach und einem kapellenartigen Anbau, der von einer Laterne bekrönt wird (Leichenhalle). Im Inneren haben sich zahlreiche Ausstattungsdetails aus der Bauzeit erhalten (Relieffries in der Eingangshalle, Fliesenböden und fliesenverkleidete Wände, ein repräsentatives Treppenhaus mit gotisierendem Kreuzgratgewölbe und Resten bauzeitlicher Fenster, die Leichenhalle mit zwei kleeblattförmigen Buntglasfenstern und Fliesenboden). Haus 07, ehemalige Hautklinik, 1907 errichtet nach dem Entwurf von Magistratsbaurat Richard Wilde. Der langgestreckte Baukörper wird durch Giebelaufbauten und den regelmäßigen Akkord der sandsteinumrahmten Fenster gegliedert und ist im Äußeren samt schiefergedecktem Dach weitgehend unverändert erhalten. Haus 08, Carolinum und Augenklinik, 1909-1910 errichtet nach dem Entwurf von Magistratsbaurat Richard Wilde und Ernst Steinbichler (Bauausführung). Auch das Äußere von Haus 8 ist weitgehend unverändert erhalten. Der zurückhaltende, großvolumige Putzbau mit Sandsteingliederungen wird vorwiegend durch die sehr unterschiedlich ausformulierten Giebelaufbauten akzentuiert. Anklänge an historische Formen sind, ganz im Sinne zeitgenössischer Reformarchitektur, weitestgehend vermieden. Das Innere ist verändert. Haus 09, Aufnahmegebäude und Therapeutikum, 1909-10 errichtet nach dem Entwurf von Magistratsbaurat Richard Wilde. Die größere Höhe des im Grundriss winkelförmigen Gebäudes mit vier- bzw. fünf Vollgeschossen und eine große Tordurchfahrt charakterisieren Haus 09 als Empfangs- und Aufnahmegebäude mit dem ehemaligen Hauptzugang ins Klinikareal. Der malerisch gegliederte Putzbau mit Sandsteingliederungen zeigt den großen Einfluss der Reformarchitektur süddeutscher Prägung um 1910, insbesondere von Theodor Fischer und Richard Riemerschmid. Barocke Ornamentik wird nicht mehr im Sinne des Historismus stilgetreu kopiert, sondern adaptiert und vereinfacht (vgl. Haus 13). Mit Ausnahme der zentralen Empfangshalle (Fliesenboden, kassettierte Decke und getäfelte Wände) ist das Gebäude im Inneren stark verändert. Haus 10, ehemaliges Schwesternwohnhaus, 1909-1910 nach Entwurf von Magistratsbaurat Richard Wilde. Langgestrecktes Gebäude mit hoch aufragendem, schiefergedeckten Mansarddach als unregelmäßige Dreiflügelanlage mit halbrundem, kuppelbekrönten Vorbau zur Hofseite. Im Inneren haben sich vielfach Ausstattungsdetails erhalten (Treppenhäuser, Fliesenböden, Türen, Einbauschränke). Hervorzuheben sind die Räume der ehemaligen Kapelle, in denen heute die medizinische Bibliothek untergebracht ist. Der Vorraum zeigt kassettierte Pfeiler, Wandpanele und Deckenfelder. Der saalartige Hauptraum mit flachem Tonnengewölbe und Empore wird zu beiden Seiten von großen Rundbogenfenstern aus der Bauzeit belichtet (teilweise mit Buntglasscheiben).Haus 13, ehemalige chirurgische und medizinische Privatklinik für zahlende Kranke, heute Verwaltungsgebäude. 1911-1912 errichtet nach dem Entwurf von Magistratsbaurat Richard Wilde und Ernst Steinbichler (Bauausführung). Die weitgehend symmetrisch gegliederte Dreiflügelanlage entstand als jüngstes Gebäude der zweiten Ausbauphase an Stelle eines 1884 errichteten Vorgängerbaus. Das Gebäude ist schlichter gehalten als die vor 1910 entstandenen Kliniken, die Dachlandschaft wesentlich mitbestimmend für den Gesamteindruck. Auf der nach Südosten ausgerichteten Frontseite treten die großen, zwischen quadratische Pfeiler gespannten Freiluftbalkons der Hauptgeschosse markant hervor. An Stelle repräsentativer Portalvorbauten mit Sandsteingliederungen treten zwei Eingangspavillons aus Kunststein mit halbkreisförmigem Abschluss und weiter vorkragender Kupferverdachung. Besonders qualitätsvoll detailliert sind die beiden Haupttreppenhäuser mit Wangen aus steinmetzmäßig nachbearbeitetem Kunststein die durch Einlagen aus schwarzen und goldenen Glasmosaiken akzentuiert werden. Das ebenso einfach wie präzise gestaltete Treppengeländer (Rundstab) wird von Kugeln getragen. Die Reduktion der Ornamentik auf geometrische, stark abstrahierende Formen begegnet u.a. auch an den beiden Portalen und in den Eingangsbereichen. Im Inneren besaß das Gebäude einen gehobenen Ausbaustandard, der vom zeitgenössischen Hotelbau abgeleitet und teilweise noch erhalten ist (Einbauschränke, schallabsorbierende Doppeltüren, Wintergärten mit Fliesenverkleidung der Böden und Wände). Die ehemalige Privatklinik zählt zu den bedeutenden Frankfurter Beispielen für die von der frühen Werkbundbewegung um 1910 geprägte Reformarchitektur.Haus 17, Kinderhautklinik, 1908 errichtet nach Entwurf von Richard Wilde, 1927 erweitert durch Martin Elsässer. Haus 18, Kinderklinik, 1908 errichtet nach Entwurf von Richard Wilde.Die Kinderhautklinik und die etwas größere Kinderklinik wurden nahezu gleichzeitig als villenähnliche Kompaktbauten errichtet und sind auch formal stark verwandt. Beide Häuser sind zweigeschossige Putzbauten mit hohen Mansarddächern und aufwändig gestalteten Sandsteinportalen als Haupteingang. Das Äußere ist weitgehend im bauzeitlichen Zustand erhalten, das Innere beider Häuser mit Ausnahme der Treppenhäuser verändert. Vereinzelt haben sich Fliesenböden erhalten. Die ehemalige Kinderhautklinik zeigt zum Garten hin nach Süden einen aus der Gebäudeflucht weit herauskragenden Anbau nach dem Entwurf von Martin Elsässer, der aufgrund seiner Dynamik und skulpturalen Präsenz bemerkenswert ist. Auf längsrechteckigem Grundriss und in der Höhe gestaffelt wurden dem Altbau einige Behandlungs- und Krankenzimmer sowie große, teilweise überdachte, Terrassen vorgelagert, deren Kanten abgerundet sind.Haus 27, Senckenbergisches Anatomisches Institut, 1949-1953 nach Entwurf von Robert Liebenhal (1947-1950 Leiter des Universitätsbauamtes). Das Gebäude wurde als im Grundriss T-Förmige Anlage konzipiert mit einem großen, polygonalen Hörsaalgebäude als Abschluss und Höhendominante. Über das quergelagerte, eingeschossige Eingangsgebäude (der östliche Schenkel wurde zwischenzeitlich abgerissen) gelangt man in einen breiten Mittelgang, der beidseitig mit hohen Holz-Einbauschränken ausgestattet ist. In den angrenzenden Räumen befinden sich großzügig dimensionierte Büros und Forschungslabore, darüberliegend im Obergeschoss zwei langgestreckte Kurssäle. Das Erdgeschoss des Hörsaalgebäudes ist mit zahlreichen Vitrinen ausgestattet, in denen Teile der Institutssammlung präsentiert wurden (heute großenteils ausgelagert). Der große Hörsaal im Obergeschoss wird über zwei im Grundriss dreieckige Treppenhäuser erschlossen. Die Bestuhlung und sämtliche Oberflächen sind hier erneuert, die Grundstruktur mit den netzförmig den Raum überspannenden Betonträgern ist erhalten. Das in zahlreichen Ausstattungsdetails ansonsten weitgehend unveränderte Gebäude ist ein bedeutendes Beispiel für die moderate Moderne der unmittelbaren Nachkriegszeit.DenkmalwertSämtliche Institute des Universitätsklinikums entstanden als in der Regel zwei- bzw. dreigeschossige Putzbauten mit hoch aufragenden, schiefergedeckten Mansarddächern, deren Fensterumrahmungen und Eingangsportale, als wichtigste Zierelemente, in rotem Mainsandstein ausgeführt sind. Jedes Gebäude ist dabei durch eine individuelle Staffelung und Gruppierung sowie variantenreiche Dachaufbauten und unterschiedliche Fensterformate gekonnt individualisiert. So entstanden sehr unterschiedliche, in der Gesamtwirkung aber einheitliche und bis in die Detailgestaltung qualitätsvolle Neubauten, die zu den besten Leistungen der Reformarchitektur in Frankfurt zählen. Die formale Bandbreite reicht von einem schöpferischen Neubarock (Häuser 07 und 10) zum Reformstil der frühen Werkbundjahre (Häuser 09 und 13). Großer Wert wurde seinerzeit zudem auf eine großzügige Grünraumplanung gelegt mit großen und kleineren Schmuckplätzen vor sämtlichen Neubauten und dem heute noch erhaltenen Rosengarten als zentralem Naherholungsplatz.Auf dem Klinikareal entstanden zudem zwei Frankfurter Hauptwerke der frühen Nachkriegsmoderne: Das moderat moderne, nach dem Entwurf von Robert Liebenthal 1948-1953 errichtete Dr. Senckenbergische Anatomische Institut (Haus 27) und Stephan Plattners 1954 fertiggestelltes Personalwohnhaus, das an das dynamische Neue Bauen der 1920er Jahre wiederanknüpft (Haus 03).Die weitgehend erhaltenen, zwischen 1907 und 1912 errichteten Neubauten der zweiten Erweiterungsphase sowie die beiden Bauten der frühen Nachkriegsmoderne sind denkmalwert aus historischen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen.
- Standort
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Theodor-Stern-Kai 7, Paul-Ehrlich-Straße 40, Frankfurt (Sachsenhausen), Hessen
- Klassifikation
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Baudenkmal
- Letzte Aktualisierung
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04.06.2025, 11:55 MESZ
Datenpartner
Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Baudenkmal