Bestand

Sammlung abgelöster Einbände (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Während seiner Tätigkeit im Staatsarchiv Ludwigsburg und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart hat Archivdirektor Karl Otto Müller ca. 800 Einzelstücke aus Papier und Pergament aus Einbänden, insbesondere von Zins- und Lagerbüchern sowie von Rechnungen, abgelöst und hat die bedeutendsten Stücke durch eigene Publikationen der Forschung erschlossen. Die einzelnen Einbände wurden von ihm meist nur mit einer Nummer versehen und, ihren Betreffen nach, in Büschel gelegt. Die dazugehörige Kartei, auf der nicht nur Bemerkungen zum Inhalt der einzelnen Stücke, sondern vor allem die Herkunftsbezeichnungen enthalten gewesen sein müssen, scheint verloren zu sein. Bei einem Großteil der Stücke ist daher die Herkunft nicht mehr festzulegen, während bei einem Teil diese aus den alten Aufschriften und Signaturen hervorgeht. Eine Wiederherstellung der alten Bezüge ist dringend zu wünschen, da die auf den abgelösten Pergamenten und Papieren festzustellenden Signaturen meist bei den entsprechenden Archivalien vermißt werden.
Inhalt und Bewertung
Wert und Benutzbarkeit der Sammlung
Der Großteil der Sammlung besteht aus der Massenware liturgischer und kanonistischer Fragmente des späten Mittelalters. Unter ihnen befinden sich ca. 100 Stücke des 9. -12. Jahrhunderts, die aus zwei Gründen Beachtung verdienen: Der nicht sehr große Bestand karolingisch-staufischer Handschriften aus schwäbischen Klöstern verlangt eine Ergänzung durch alle noch auffindbaren Fragmente, um eine Beurteilung der Bibliotheks- und Geistesgeschichte dieser Abteien zu ermöglichen. Beispielsweise sei darauf hingewiesen, daß der früheste Ellwanger Codex, ein Lektionar des 12. Jahrhunderts in der Stuttgarter Landesbibliothek, nur einen winzigen Bruchteil der Bibliothek darstellt und völlig falsche Vorstellungen von derselben vermittelt. In unserer Sammlung sind allein 6-8 sichere Bruchstücke aus älteren Ellwanger Handschriften festzustellen. Zum anderen scheint gerade auf die Handschriften der durch Württemberg säkularisierten bzw. nach der Reformation aufgehobenen Klöster neues Licht zu fallen. Die zahlreichen alten Stücke aus altwürttembergischen Rechnungen und Amtsbüchern deuten auf Klöster wie Lorch und Hirsau hin, von deren Handschriften sich nahezu nichts erhalten hat.
Da, wie bereits angedeutet wurde, die Benutzbarkeit wegen der fehlenden Herkunftsangaben gering ist, sind zur Identifizierung und Erschließung eindringende Untersuchungen der schwäbischen Skriptorien notwendig, die jedoch nur bis 1200 ertragreich sein werden.
Zur Ordnung K. O. Müllers
Die einzelnen Rubriken von A - M, denen die Pergamente zugeteilt wurden, beziehen sich sowohl auf den Inhalt (Theologie, Rechtswiss., Medizin), als auch die äußere Form (Quart, Folio), als auch die Beschaffenheit und den Beschreibstoff (Pergament, Papier) der abgelösten Stücke. Bei einer Neuordnung wäre eine neue Einteilung, nach inhaltlichen Gesichtspunkten, zu treffen. Die Nummern der Einzelstücke beziehen sich auf den Gesamtbestand, springen also in den einzelnen Rubriken. Doch scheint es, daß bestimmte Nummerngruppen bestimmten Betreffen vorbehalten werden sollten (Nr. 400 ff. für Musikhandschriften).
Zum jetzigen Ordnungszustand
Die Rubriken K. O. Müllers wurden beibehalten und nur in Einzelfällen völlig falschliegende Stücke anders eingeordnet. Eine neue Rubrizierung ist erst bei einer eingehenden Verzeichnung möglich. Ebenso wurden die von K. O. Müller gegebenen Nummern beibehalten, um im Falle einer Auffindung seines Katalogs eine Identifizierung zu ermöglichen. Das nachfolgende Verzeichnis soll lediglich einen Führer durch den bisher unbenutzbaren Bestand darstellen, die bereits in der Wissenschaft bekannten Stücke herausheben und auf die wertvollsten und ältesten Pergamente hinweisen. Die sehr groben Datierungen wurden nach dem Schriftbefund vorgenommen, Zuweisungen nur in begründeten Fällen gegeben. Die Sammlung enthält keine Urkunden.
Zu einer Neuordnung
Eine Neuordnung des Bestandes, der seinem Wesen nach Sammlung ist und daher nicht abgeschlossen werden kann, muß völlig von inhaltlichen Kriterien ausgehen und erfordert intensive Einzelstudien. Diese sind nur für einen Teil der Sammlung lohnend und versprechen lediglich für die älteren Handschriften ein dem Aufwand entsprechendes Resultat. Eine genaue Verzeichnung der Einzelstücke ist unerläßlich, wird sich jedoch in der Ausführlichkeit nach dem Wert richten müssen. Verzeichnis der von K. 0. Müller edierten und bearbeiteten abgelösten Pergamente:
A Nr. 79 und 253 Schwabenspiegel
M., Zwei schwäbische Handschriften des Schwabenspiegels (Bruchstücke) aus dem 14. /15. Jh., ZRG germ. Abt. 47 (1926) S. 657 ff.
B IV Nr. 618 Lex Romana Visigothorum M., ZRG germ. Abt. (1937) S. 429 ff.
vgl.: Annemarie Dilger, Textkritische Untersuchung einer Handschrift aus der römischen Provinz Raetra II, ZRG germ. Abt. 88 (1971), S. 172-181
B VI Nr. 230 Vita s. Bonifacii
M., Eine neue Handschrift der Vita s. Bonifacii des Otloh von St. Emmeram, NA 41 (1918) S. 691 ff,
B VI Nr. 246 Vita Caroli Magni
M., Bruchstück einer neuen Handschrift der Vita Caroli Magni, Zs. des Aachener Geschichtsvereins (1914) S. 188 f.
B VI Histor. Nr. 516 Annalen Einhards (Reichsannalen)
M., Eine neue Handschrift (saec. XII) der sog. Annalen Einhards, NA 50 (1933) S. 231 ff.
B VI Nr. 660 Trierer Chronik
M., Eine neue Handschrift (Bruchstück) der Trierer Chronik, HJb 62-69 (1949) S. 658 ff.
B VI Nr. 741 (Traditiones Hirsaugienses '
M., Traditiones Hirsaugienses, ZWLG 9 (1949/50) S. 21 f.
In anderen Beständen finden sich folgende abgelöste Pergamente:
B 390, Kl. Ellwangen, U. 308 Ellwanger Güterverzeichnis
M., Ein Ellwanger Güterverzeichnis (um 1136) über die Schädigung des Klosterguts durch Abt Helmerich, WVjh. 1929) S. 38 ff.
A 470, Kl. Alpirsbach, U. 3 Necrologium Alpirsbachense
M., Necrologium Alpirsbachense (1133), WVjh. 39 (1933) S. 185 ff.
Nicht aufzufinden waren die folgenden abgelösten Pergamente:
M., Ein Nekrologfragment (11. Jh. ) aus dem Kreis der Klöster Reichenau-Rheinau, HJb 57 (1937) S. 603 ff.
M., Eine Handschrift der Regula s. Benedicti aus der Gründungszeit des Klosters Zwiefalten, HJb 60 (1940) S. 246 ff.
Konkordanz der ältesten Fragmente:
8./9. Jahrhundert: B IV, 618 (Lex Romana Visigothorum);
B IX a, 245; B IX a, 590; B IX a, 592; B IX b, 626; B X a, 279; B X a, 524; B X b, 716, 717; B XI, 593; B XII, 672; B XIII, 258a; B VI, 252; B XIII, 67.
10. Jahrhundert: B IX b, 694; B X, 588; B X, 2;
11. Jahrhundert: B VI, 554; B VI, 611; B IX a, 17; B IX a, 50; B IX a, 59; B IX a, 274/75; B IX b, 19; B IX b, 621; B Xa, 71; B X b, 679/690; B XI, 272; B XI, 653; B XIII, 525; B XIII, 673; B XIII, 713; B XIII, 729; B XV, 45.
12. Jahrhundert: B VI, 9, 108, 119, 230, 516, 637, 656, 715, 741; B IX a, 112, 570, 677; B IX b, 43, 231, 710, 724; B X, 513, 580, 589, 658, 691; B XI, 5, 25, 48, 95, 148, 160, 254, 277, 259, 510, 661, 678; B XII, 60, 68, 259, 268, 533, 662, 665, 701. B XII a, 29, 106, 116, 120, 125, 126, 155, 156, 178, 183; B XIII, 4, 126, 233, 278 a, 534, 688, 705, 712, 721, 740; B XIV, 6, 40, 167, 587, 641; B XV, 27, 97, 511, 551, 553, 685, 686; B XVI, 14/15; E 411, E 412, 413, 196, 414, 417, 418, 427, 425, 444, 445.

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 522

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Sammlungen >> Sonstige Sammlungen

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20.01.2023, 3:09 PM CET

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