Grafik
Der Statuenhof der Casa Sassi
Aus einem tonnengewölbten Durchgang wird der Blick freigegeben in einen mit antiken Statuen gefüllten engen Hof. Unter dem Gurtbogen hängt in der Mitte eine Laterne an einem Strick. Es handelt sich um den Statuenhof der Casa Sassi in Rom, wie die Schriftzeile unter dem Bild mitteilt. Das heute zerstörte Gebäude lag unweit der Kirche S. Tommaso in Parione neben dem Palazzo del Governo Vecchio. Der Stich wurde von Dirck Volkertsz. Coornhert nach einer lavierten Federzeichnung Marten van Heemskercks gefertigt, die heute im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen in Berlin aufbewahrt wird. Die Zeichnung ist von Heemskerck signiert, die Jahreszahl 1555 wurde von fremder Hand hinzugefügt. Das Blatt ist jedoch deutlich früher zu datieren. Da es allseitig beschnitten wurde, überliefert nur noch der Stich Coornherts die vollständige Zeichnung, jedoch seitenverkehrt. - Die Sammlung antiker Skulpturen in der Casa Sassi ist aus einem Bericht des Francesco Albertini von 1510, der Beschreibung des deutschen Reisenden Fichard von 1536 und einem Verkaufsdokument von 1546 bekannt, als die Brüder Decidio und Fabio de Sassi einen Großteil ihrer Kollektion an den Kardinal Ottavio Farnese veräußerten. Einige der abgebildeten Skulpturen können mit Hilfe dieses Dokuments identifiziert werden. Die Sockel der Statuen tragen das Wappen der Sassi: einen Löwenkopf im oberen und drei Schrägbalken im unteren Feld. - Unter dem Gewölbe stehen auf Sockeln links ein Apollo aus Basalt mit Kithara, einem antiken Saiteninstrument, heute im Museo Nazionale in Neapel, und rechts eine unbekleidete männliche Statue mit Chlamys, einem griechischen Schultermantel, die im Verkaufsdokument als Marc Aurel aufgeführt wird und wahrscheinlich mit dem Hermes Farnese im British Museum London identisch ist. In der Mitte des Hofes steht auf einem runden Sockel die Kolossalstatue eines bekleideten sitzenden Apollo aus Porphyr, heute im Museo Nazionale in Neapel. Heemskerck verwendete sie in seinem Gemälde "Der heilige Lukas malt die Madonna" im Musée de Beaux-Arts in Rennes als Vorbild für die Muttergottes. Die Szene ist unter einem Tonnengewölbe dargestellt, das sich zu einen Lichthof öffnet. Er entspricht leicht in Teilen verändert dem Statuenhof der Casa Sassi , seitenverkehrt wie auf dem Stich Coornherts. Rechts neben dem Apollo ist in einer Wandnische der Rücken eines männlichen Torsos sichtbar, darunter ein Sarkophag mit bacchantischer Thematik: ein Trunkener wird von zwei Gefährten gestützt. Über dem Apollo hängt an der Rückwand des Hofes eine Relieftafel mit einem auf einer Kline, einer antiken Speiseliege (*), lagernden Silen, ein Begleiter des Dionysos. Es ist das sogenannte Ikariosrelief im Museo Nazionale in Neapel. Über dem Relief steht in einer der Hofwand aufgesetzten Wandnische eine bärtige Kolossalbüste, die bisher nicht bestimmt werden konnte. In einer Wandnische auf dem Treppenabsatz steht ein Torso vom Venus-Genetrix-Typ auf einem Sockel und ein männlicher Torso. Die Identifikation der Venusstatue ist strittig. Zwei Grabcippen, Grabaufsätze der Etrusker und Römer, sind zu beiden Seiten der Venus aufgestellt. Sie gelangten später in die Vatikanischen Museen. Vor der Treppe lehnen ein männlicher Torso und eine mit gewundenen Säulen verzierte Aschenurne an einer Bank. In den Nischen der linken Hofwand stehen bisher nicht identifizierte Torsi. - Die Zeichnung für den Stich eines weiteren Statuenhof in Rom, dem im Palazzo Valle Capranica des Kardinals Andrea della Valle, wird Heemskerck zugeschrieben. Der Stich wurde 1553 von einem unbekannten Stecher gearbeitet, die Zeichnung ist verloren. - Im 16. Jahrhundert galt die Kunst der Antike als ein Ideal, dem viele Künstler nachstrebten. Die Antikensammlungen des Adels und der hohen Kleriker in Rom waren eine wichtige Quelle für das Studium der Kunst. Mit Zeichnungen von antiken Monumenten schulten sich dort die Künstler aus dem Norden und sammelten Motive für ihre Arbeit. Die Kupferstiche nach den Zeichnungen Heemskercks vermitteln einen Eindruck von den privaten Antikensammlungen Roms und ihrer Aufstellung.
Blick in einen Hof mit allerlei Skulpturen und Büsten; teilweise in Architektur oder in Nischen
- Location
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Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
- Inventory number
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D 5179
- Measurements
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Breite: 299 mm
Höhe: 377 mm
- Material/Technique
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Papier; Kupferstich
- Inscription/Labeling
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Gravur: DVC [ligiert] / 53 (Monogramm des Künstlers und Datierung; Medaillon an der linken Wand )
Marke: BIBL. R.ACAD. G.A. (unten rechts)
Aufschrift: SPECTANTVR HAEC ANTIQVITATIS MONVME(N)TA ROMAE, IN AEDIBVS VVLGO DICTIS DE ZASSE (unten)
- Related object and literature
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Veröffentlicht in: M. Luchterhandt und Roemer, L., „Abgekupfert : Roms Antiken in den Reproduktionsmedien der Frühen Neuzeit ; Katalog zur Ausstellung, Kunstsammlung und Sammlung der Gipsabgüsse, Universität Göttingen, 27. Oktober 2013 bis 16. Februar 2014 ; [Ausstellung Abgekupfert - Roms Antiken in den Reproduktionsmedien der Frühen Neuzeit ..]“. Imhof, Petersberg, 2013. (S. 197, Nr. II.15)
Veröffentlicht in: G. Unverfehrt, Beckmann, I., und Warncke, C. -P., „Gott & die Welt : niederländische Graphik des 16. Jahrhunderts aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen ; [Carsten-Peter Warncke zum 60. Geburtstag] ; [Kunstsammlung der Universität Göttingen, 10. Juni bis 8. Juli 2007, Emslandmuseum Schloß Clemenswerth, 2. September bis 31. Oktober 2007, Ostfriesisches Landesmuseum Emden, 17. Februar bis 30. März 2008]“. Cuvillier, Göttingen, 2007. (Nr. 34)
Veröffentlicht in: K. W. Christian, „Empire without end : antiquities collections in Renaissance Rome, c. 1350 - 1527“. Yale University Press, New Haven, Conn. [u.a.], 2010. (S. 374-378, Nr. 35)
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Beschrieben in: R. Grosshans und Heemskerck, M. van, „Maerten van Heemskerck : die Gemälde“. Boettcher, Berlin, 1980. (S. 196f. )
Beschrieben in: P. P. Bober und Rubinstein, R., „Renaissance artists & antique sculpture : a handbook of sources“. Miller [u.a.], London, 1986. (S. 479)
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Beschrieben in: The New Hollstein Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts: ca. 1450-1700. 72 Bde. Rotterdam, 1933- (Heemskerck) II, S. 247, Nr. 586
Beschrieben in: The Illustrated Bartsch 55, S. 295, Nr. 078
- Classification
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Zeichnung/Grafik (Hessische Systematik)
Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
- Subject (what)
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Statue
Innenhof
Antikensammlung
Statuen, Bilder, etc. als Kultgegenstände in der römischen Religion
Darstellung des Inneren einer Architektur (Architekturzeichnung oder -modell)
- Event
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Entstehung
- (who)
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Heemskerk, Maarten van (ZeichnerIn)
- (when)
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1553 (Datierung der Platte)
- Event
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Herstellung
- (who)
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Coornhert, Dierck Volckertsz (StecherIn)
- Sponsorship
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Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
- Last update
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24.04.2025, 12:58 PM CEST
Data provider
Kunstsammlung der Universität Göttingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Grafik
Associated
- Heemskerk, Maarten van (ZeichnerIn)
- Coornhert, Dierck Volckertsz (StecherIn)
Time of origin
- 1553 (Datierung der Platte)