Bestand

Haupt- und Landgestüt Marbach (Bestand)


Inhalt und Bewertung
Die Unterlagen entstammen einer Aktenaussonderung, die das Staatsarchiv Sigmaringen 1992/93 beim Haupt- und Landgestüt Marbach durchführte. Während die umfangreiche Amtsbuch- und Aktenüberlieferung des 19./20. Jahrhunderts als Bestand Wü 168 beim Staatsarchiv Sigmaringen verblieb, wurde das altwürttembergische Schriftgut an das Hauptstaatsarchiv abgegeben.
Der Großteil des Bestandes erwuchs bei der Kellerei Urach und wurde 1819 vom dortigen Kameralamt an die Marbacher Gestütsverwaltung extradiert. Inhaltlich befassen sich die Archivalien v. a. mit den Gestütshöfen und Fohlenstätten in Güterstein, Marbach, Offenhausen, St. Johann und Urach (Gestütsbedienstete, Pferde- und Maultierzucht, Baumaßnahmen, Erwerb und Bewirtschaftung von Grundstücken).

1. Behördengeschichte: Die Geschichte der herzoglichen Gestüte auf der Schwäbischen Alb reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Um 1490 ließ Graf Eberhard im Bart bei der Feste Hohenurach einen Fohlenhof und auf dem Oberfeld bei Marbach eine Dependance seines bei Tübingen gelegenen Hofgestüts Einsiedel errichten. Durch Verlegung des Oberfelder Pferdebestandes gründete Herzog Christoph zu Beginn der 1550er Jahre auf dem Areal des ursprünglich zur Burg Grafeneck gehörenden Hofes Marbach ein Gestüt, das zunächst auch der Hebung der Landespferdezucht dienen sollte. Für das Jahr 1559 ist erstmals ein Stutenmeister in Marbach nachgewiesen. Neben Marbach ließ Herzog Christoph 1554 die Wirtschaftsgebäude der säkularisierten Kartause Güterstein bei Urach in einen Gestütshof umwandeln. Spätestens seit 1580 wurde auch das Gelände bei der abgegangenen Kapelle St. Johann als Fohlenweide genutzt. Einen weiteren Fohlenhof richtete man in dem 1575 aufgehobenen Dominikanerinnenkloster Offenhausen ein, das außerdem eine bis 1840 bestehende Maultierzucht beherbergte. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden die herzoglichen Gestütshöfe in schwere Mitleidenschaft gezogen. Güterstein und St. Johann wurden 1635 durch Brand völlig zerstört und erst um 1657 wiederhergestellt. Es bedurfte einer langen, beharrlichen Aufbauzeit, ehe die überwachsenen Weiden gerodet und die Pferdezahlen den Vorkriegsstand wieder erreicht hatten. Wesentlichen Anteil an der Wiederbelebung und Reorganisation der württembergischen Pferdezucht hatte Lewin Freiherr von Kniestedt, der von 1672 bis 1710 das Amt des Oberstallmeisters innehatte. Zur Verbesserung der Landeszucht wurden unter seiner Leitung zahlreiche in- und ausländische Hengste erworben und 1685 ein Landgestüt eingerichtet. Am 31. Dezember 1687 erließ Herzog-Administrator Friedrich Karl die erste württembergische Beschälordnung, in der Körungen bindend vorgeschrieben waren, Zuchtpferde durften nicht außerhalb des Landes verkauft werden. Weitere Beschäl- und Landgestütsordnungen folgten im 18. und 19. Jahrhundert, in denen u. a. die Zahl der Beschälplatten festgelegt wurde. Unter Herzog Karl Eugen (1744-1793) erlebte die Pferdezucht in Württemberg ihre größte Blüte. Als erfahrener Pferdeliebhaber und -kenner kaufte er auf seinen Reisen wertvolle Stuten und Hengste für seine teilweise neu gegründeten Gestüte (u.a. Englisches Gestüt Solitude; vgl. A 569 Bd. 2). Während seiner Regierungszeit soll die Gesamtzahl an Stuten und Fohlen in den herzoglichen Gestüten nahezu 700 Tiere betragen haben. Angesichts des mehrfachen Wechsels der Zuchtrichtung stand der Kostenaufwand jedoch in keinem Verhältnis zum züchterischen Erfolg. Während der 1750er und 60er Jahren bestanden die herzoglichen Gestüte aus folgenden Einrichtungen: 1. Hauptgestüt Marbach, 2. Gestütshof Offenhausen, 3. Hengstfohlenhof Güterstein und 4. Stutenfohlenhof Einsiedel. Zu Beginn der 1770er Jahre unterstanden die Gestüte, die nun auch einen Hengstfohlenhof in Hinterburg und Randeck sowie ein englisches Gestüt auf der Solitude umfaßten, der Aufsicht eines Ökonomie-Inspektors. Unter Karl Eugens Nachfolgern Ludwig Eugen (1793 bis 1795) und Friedrich Eugen (1795-1797) wurden die Gestütskosten eingeschränkt, der Pferdebestand reduziert und kleinere Gestüte aufgelöst. Im Jahr 1796 stand ein Land-Oberstallmeister und ein Gestüts-Kassier an der Spitze der herzoglichen Gestüte (Hauptgestüt Marbach, Kloster Offenhausen, Urach und St. Johann, Einsiedel). Neben den Stuten- und Fohlenmeistern war bei den einzelnen Gestüten der örtliche Amtmann oder Keller als Gestüts-Oeconomie-Inspector tätig.

Nach den Wirren der Napoleonischen Kriege verlieh König Wilhelm I. (1816-1864) der Landespferdezucht neue Impulse, indem er durch Reskript vom 4. Februar 1817 die Trennung von Hof- und Landgestüt verfügte. Das Hofgestüt wurde nach Weil verlegt. Dem Landgestüt, das dem Ministerium des Innern unterstellt wurde, teilte man die Gestütshöfe Marbach, Offenhausen, St. Johann und Güterstein zu.

2. Bestandsgeschichte: Die im vorliegenden Findbuch erschlossenen Unterlagen entstammen einer Aktenaussonderung, die das Staatsarchiv Sigmaringen 1992/93 beim Haupt- und Landgestüt Marbach durchführte. Während die umfangreiche Amtsbuch- und Aktenüberlieferung des 19./20. Jahrhunderts (46,5 lfd. m) als Bestand Wü 168 beim Staatsarchiv Sigmaringen verblieb, wurde das altwürttembergische Schriftgut aus der Zeit vor 1806 zuständigkeitshalber an das Hauptstaatsarchiv abgegeben. Der Großteil des Bestandes erwuchs bei der Kellerei Urach und wurde - wie kurze Notizen auf den Aktenumschlägen belegen - 1819 vom dortigen Kameralamt an die Marbacher Gestütsverwaltung extradiert. Es handelt sich somit zum überwiegenden Teil um einen bei der Abgabebehörde gebildeten Pertinenzbestand, dessen provenienzgerechte Auflösung in Ermangelung einer anderweitigen Überlieferung der Kellerei Urach jedoch nicht ratsam erschien. Überdies ergibt sich aus dem Vergleich der Vorsignaturen, daß eine Reihe von Aktenbüscheln möglicherweise schon im 19. Jahrhundert verlorengegangen sein müssen. Die ursprüngliche Herkunft der Archivalieneinheiten wurde, soweit feststellbar, bei der jeweiligen Titelaufnahme vermerkt. Die Mehrzahl der Akten befaßt sich mit dem Betrieb der Gestütshöfe Güterstein und St. Johann. In seiner Funktion als Gestüts-Ökonomie-Inspektor war der Uracher Keller für den baulichen Unterhalt und die Bewirtschaftung der dortigen Güter zuständig. Die beiden Bände wurden offensichtlich beim Hauptgestüt Marbach angelegt. Bei der von dem Stutenmeister Georg Hartmann (1710-1796) verfaßten Abhandlung über die "Pferde- und Maulthierzucht" (1766) handelt es sich eigentlich um eine private Ausarbeitung. Ebenso wie das "Nationale aller Stutten und Vohlen" (1774) ist sie jedoch ein aussagekräftiger Beleg für die engen Beziehungen Karl Eugens zum Marbacher Gestüt.

3. Ordnung und Verzeichnung des Bestandes: Bei der Erschließung des Bestandes wurden die bislang in Büschel 1 enthaltenen, inner-halb der Akteneinheit durchnumerierten Pergamenturkunden aus ihrem inhaltlichen Zu-sammenhang herausgelöst und aus konservatorischen Gründen separat gelagert. Die Entnahme der Urkunden ist durch entsprechende Verweise jederzeit nachvollziehbar. Die Klassifikation des Aktenbestandes mußte, da die Vorsignaturen keine hinreichenden Anhaltspunkte ergaben, frei gewählt werden; die Ordnung der Urkunden und Bände folgt der Chronologie. Der Bestand umfaßt sechs Pergamenturkunden, 35 Aktenbüschel und zwei Bände mit einem Gesamtumfang von 0,6 Regalmetern.

4. Literatur: Cranz, Wofgang/Gebhardt, Helmut: Marbach und seine Pferde, München 1996. Gollbeck, Eduard: Das Haus Württemberg und die Pferdezucht des Landes; in: 900 Jahre Haus Württemberg, hrsg. von Robert Uhland, Stuttgart u. a. 1984, S. 678-686. Hartmann, Georg: Die Pferde- und Maulthierzucht. Nebst einer kurzen Beschreibung der Herzoglich Württembergischen hieher gehörigen Anstalten und Stutereien, Stuttgart 1777. Heck, Holger/Weiss, Herbert: Das Haupt- und Landgestüt Marbach. Die Pferde, die Landschaft, die Menschen und 400 Jahre Zuchtgeschichte, Friedberg 1988. Hornung, Wilhelm: Gestütshof St. Johann bei Urach; in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 14, 1976, S.76-102. Wenzler, Georg: Das Haupt- und Landgestüt Marbach/Lauter. Zum 400jährigen Bestehen. o. O. 1973. Windel, Karl-Hermann: Die Geschichte des Gestütes Marbach a. L. von der Verstaatlichung bis zum 2. Weltkrieg (1817-1939). Diss. phil., Tübingen 1992.

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 569
Umfang
6 Urkunden, 35 Büschel, 2 Bände

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Forstämter, Hüttenwerke, Salinen und Gestüt >> Gestüt

Bestandslaufzeit
1541-1807

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Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1541-1807

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