Bestand

Ortsarchiv Dertingen (Bestand)

Inhalt und Bewertung

Das Ortsarchiv Dertingen ist eines der wenigen Ortsarchive im Stadtarchiv Wertheim, das auch Urkunden enthält. Diese stammen aus dem Jahre 1698. Das älteste Stück des Bestandes ist eine Schröder- und Eicher- Ordnung von 1631. Akten, Bände und Rechnungen wurden in der Mehrzahl im 19./20. Jahrhundert angelegt, reichen aber teilweise bis ins 18. Jahrhundert zurück. Unter den Bänden ist eine Dorfchronik (StAWt-S O 3 B 295) besonders hervorzuheben, in der die Vorkommnisse und Ereignisse in den Jahren 1818 - 1986 niedergeschrieben sind.

Einleitung: Die erste Nennung Dertingens findet sich in einer Tauschurkunde vom 7. Juli 839 (HStAM Urk. 75 Nr. 25). Darin tauscht der Abt von Fulda elf Huben in "Tharahedingas" gegen Teile des Spessarts aus dem Besitz des Gaugrafen Poppo. Da das Kloster Fulda sehr wahrscheinlich stellvertretend für das ihm zugehörige Kloster Holzkirchen handelte, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Huben in Dertingen zuvor dem Kloster Holzkirchen gehörten. Nun wird es zunächst wieder einige hundert Jahre ruhig um Dertingen. Als Rechtsnachfolger des Gaugrafen Poppo kennen wir die Grafen von Wertheim. Diese sind nun (ca. 1239) die Ortsherren von Dertingen. Dies änderte sich erst, als Graf Rudolph III. von Wertheim und seine Frau der neu gegründeten Kartause Grünau im Jahre 1336 den Kirchensatz in Eichel schenken. Dieser befand sich jedoch nicht in ihrem Eigentum sondern in dem des Bischofs von Eichstätt. Dieser hatte den Grafen von Wertheim mit dem Kirchensatz in Eichel belehnt. Da die Schenkung nun aber einmal geschehen war einigten sich der Graf und der Bischof auf eine passende Entschädigung und so ging das Dorf Dertingen in den Besitz des Bischofs von Eichstätt über (StAWt-G Rep. 1f Passivlehen: Eichstätt Nr. 1). Dieser Besitzwechsel hatte auf die realen Verhältnisse in Dertingen keine Auswirkungen, da die Grafen von Wertheim Dertingen von nun an zu Lehen erhielten und damit weiterhin die Rolle der Ortsherrschaft ausfüllten. Neben den Grafen von Wertheim hatte auch der Bischof von Würzburg Besitzungen in Dertingen, die er an verschiedene Adelige zu Lehen gab. Ein im Staatsarchiv Wertheim unter der Signatur StAWt-G Rep. 6_Lade VII-VIIIa Nr. 11 erhaltenes Weistum macht es möglich das Verhältnis zwischen der Gemeinde Dertingen und dem Grafen kennenzulernen. In diesem Weistum sind neben Gerichtsstand und Steuerpflicht auch die Schwörtage geregelt. Nach dem Graf Michael III. von Wertheim 1556 ohne männlichen Erben starb, verhandelte sein Schwiegervater Graf Ludwig zu Stolberg, der die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, mit dem Bischof von Würzburg und dem Bischof von Eichstätt. 1559 konnte Graf Ludwig zu Stolberg das Dorf Dertingen für 7500 Gulden zurückkaufen (StAWt-G Rep. 1f Passivlehen: Eichstätt Nr. 19). Die Würzburger Besitzungen und Rechte in Dertingen hat er zu Lehen erhalten. In dem hierzu geschlossenen Vertrag (StAWt-G Rep. 9_Lade XII-XIV Nr. 197), der auch die Lehensnachfolge regelte, wurde seine jüngste Tochter nicht bedacht. Dies führte nach Ludwig von Stolbergs Tod sowie dem Tode der Ehemänner der beiden älteren Schwestern zu Auseinandersetzungen zwischen dem Bischof von Würzburg und Graf Ludwig von Löwenstein, dem Ehemann der jüngsten Tochter. Diese Auseinandersetzungen führten 1607 gar zu einem richtigen Gefecht in Dertingen, in dem dieses geplündert und zerstört wurde. Die Auseinandersetzungen fanden erst mit dem Tode des amtierenden Bischofs von Würzburg, Julius Echter, 1617 ein Ende und Dertingen war nun ungestört Teil der Grafschaft. Das änderte sich erst, als 1806 die Grafschaft Wertheim Teil des Großherzogtums Baden wurde und Dertingen mit ihm. Es zählte fortan als nordöstlichster Ort des langestreckten Großherzogtums. Die Verwaltung erfolgte zunächst über das Bezirksamt Wertheim. Nach dessen Aufhebung 1936 gehörte Dertingen zum Amtsbezirk bzw. zum Landkreis Tauberbischofsheim. 1972 wurde Dertingen schließlich im Zuge der Gemeindereform Baden-Württemberg nach Wertheim eingemeindet.

Literatur: Das Land Baden-Württemberg: amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, Hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Bd. 4: Regierungsbezirk Stuttgart, Regionalverbände Franken und Ostwürttemberg, Stuttgart, 1980, S. 366 Dertingen 839 - 1980, Hrsg. Ortsverwaltung Dertingen, Wertheim, 1980

Bearbeiterbericht: Eine erste fachliche Sichtung des Archivgutes der Gemeinde Dertingen fand bereits vor Oktober 1889 durch Dr. Karl Wagner, den damaligen Pfleger der Badischen Historischen Kommission statt. Er erfasste für Dertingen zwei Urkunden von 1698, zwei Güterbücher sowie die Gemeinderechnungen ab 1648. Bei einer Ortsprüfung in Dertingen im Oktober 1895 wurde bemerkt, dass die Gemeinderegistratur in Dertingen "keineswegs in befriedigender Ordnung" sei und das ein Steinsetzerbuch durch den Ratschreiber "derart versteckt worden [sei], dass er es trotz längeren Suchens gar nicht fand". Die Registratur wurde im Jahre 1896 schließlich neu geordnet und sei "bisher auch gut geordnet erhalten", so ein Vermerk des Ratschreibers Diehm von Februar 1906. Aus einer späteren Notiz geht auch hervor, dass dabei "die älteren Akten entfernt wurden". Eine weitere "Neuanlegung der Gemeinderegistratur" fand 1925 statt. Auch bei dieser Gelegenheit wurden Akten ausgeschieden. Eine Sichtung des Gemeindearchivs durch den Oberpfleger für die Gemeinden des Landkreises Tauberbischofsheim aus dem Jahr 1955 ergab, dass sich viele ältere Akten in der Registratur befänden und die Amtsbücher übersichtlich aufbewahrt würden, die Einrichtung eines gesonderten Archivraumes in Dertingen jedoch nicht machbar sei. Eine angedachte Neuordnung des Archives im Jahre 1956 wurde aufgrund von Vermessungsarbeiten für die "Autobahnlinie Frankfurt ¿ Würzburg" sowie Flurneuordnungsarbeiten verschoben. Die Neuordnung sollte dann schließlich im Frühjahr erfolgen. Ob diese tatsächlich durchgeführt wurde, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Die vorstehenden Informationen finden sich in StAWt-S O 3 A 42 "Registratur, Siegel und Wappen, Archiv und Bibliothek" (1898-1965). Ein Sichtung des Gemeindearchivs Dertingen 1992 ergab, dass die Unterlagen teils in einem zu feuchten fensterlosen Raum aufbewahrt wurden, und daher einige der Unterlagen bereits von Schimmel befallen waren. Weitere Unterlagen fanden sich in Unordnung oder lagen zwischen Gesetzen und Verordnungsblättern. In der Folge wurde im Ortschaftrat Dertingen beschlossen, die Archivalien an das Stadtarchiv Wertheim abzugeben. Am 04. Oktober 1993 wurden schließlich 40 lfd. m Archivgut an das Stadtarchiv übergeben. Diese Unterlagen sowie eine kleine Nachlieferung von einigen Bänden wurden im Stadtarchiv archivgerecht verpackt und verzeichnet. Diese erfolgte getrennt nach den einzelnen Archivaliengattungen Urkunden, Akten, Bände und Rechnung, innerhalb der Gattungen wurde nach Bär´schem Prinzip verzeichnet. Die Klassifikation folgt dem 1906 eingeführten Külby-Aktenplan für die badischen Gemeinden. In den Jahren 2009-2010 wurden im Rahmen einer Erschließungsmaßnahme einschlägige Akten auf darin enthaltene Karten und Pläne von Erika Ratzka durchgesehen und diese mit eigenen Titelaufnahmen erschlossen. In der Signatur kommt das über den Hinweis "S-O 3_in StAWt-S O 3 A ... Karte ..." zum Ausdruck. Aus konservatorischen Gründen den Akten entnommene Karten erhielten eine fortlaufende Nummerierung innerhalb der Kartensignatur "StAWt-S O 3 K ...". Im Zuge der Vorbereitung für die Online-Stellung des Findmittels im Jahre 2014 wurden einige bis dato unverzeichnete Einheiten erfasst und die verzeichneten Karten in die Klassifikation eingebunden. Die Endredaktion erfolgte im April 2015 durch Diplom-Archivarin Anna Spiesberger. Der vor allem für die Heimat- und Familienforschung wichtige Bestand umfasst derzeit 1649 Verzeichnungseinheiten in 46,9 lfd. m. Bronnbach, Mai 2015 Anna Spiesberger

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim, S-O 3

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim (Archivtektonik) >> Stadtarchiv Wertheim >> Ortsarchive (O-Bestände)

Bestandslaufzeit
1631-1993

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
25.03.2024, 13:33 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1631-1993

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