Archivale

Gesuch an den Magistrat zu Reutlingen

Regest: Vor ungefähr 14 Tagen haben die Zeugmacher erfahren müssen, dass die hiesigen Krämer nicht vergnügt (= damit zufrieden) sind, mit hiesigen fabricierten Zeugen zu handeln, welchen Handel die Krämer bisher widerrechtlich getrieben haben, sondern den Zeugmachern nicht vergönnen, Zeug ausserhalb der Stadt zu kaufen. Einer hat sich erfrecht, dem Tübinger Boten, welcher einem Zeugmacher-Meister ein aus der Fremde angekommenes Stücklein Borstet +) bringen wollte, wegzunehmen. Jeder Reutlinger Zeugmacher wäre im Stande, solche Gattung von Zeug zu machen. Aber sie können leider kein Garn bekommen. Denn in dem ganzen Herzogtum Würtemberg darf kein hiesiger Zeugmacher mehr bei Confiscations-Straf ein Pfund Wolle spinnen lassen. Die Reutlinger Zeugmacher haben nur noch im Hechinger Ländle einen einzigen Flecken, in dem den Reutlingern Garn gesponnen wird, welches gesponnene Garn kaum für einen einzigen Meister, viel weniger für die hiesige starke Meisterschaft hinlänglich sein kann. Wenn der Fürst von Hechingen solche Spinnerei vollends niederlegt, würden die Reutlinger Zeugmacher gar kein Garn mehr bekommen, Der Magistrat kann sich leicht vorstellen, wie es den Zeugmachern zumute sein mag, wenn sie nichts als Ruin vor Augen sehen und nach der Krämer widerrechtlicher Sage kein Zeug mehr ausserhalb der Stadt kaufen dürfen und doch kein Garn, um selbst Zeug zu machen, bekommen können. Es ist doch ein uraltes Recht, dass der Zeugmacher auch mit Zeug handeln darf, wie das auch von vielen benachbarten Ortschaften, z. B. Ulm, Göppingen, Stuttgardt, Tübingen und andern Orten, zu erweisen ist, Den Krämern soll ein Ratsbescheid von 1769 zugekommen sein, der aber bisher nicht durchgeführt worden ist. Denn die Zeugmacher haben bisher wie vorher den Zeughandel beständig weitergetrieben. Die Zeugmacher bitten, die in dem erwähnten Ratsbescheid inserierte Clausel (= enthaltene Bestimmung), dass kein Zeugmacher bei 20 fl Straf Zeug ausserhalb der Stadt kaufen soll, wieder gänzlich aufzuheben.
Die Schuld daran, dass sich die Zeugmacher an den Magistrat wenden müssen, kommt dem herschsüchtigen Bernhard Braun zu, welcher, bei beständigem Müssiggehen, sich erfrecht hat, den Borstet widerrechtlich dem Tübinger Boten wegzunehmen. Es ist noch nicht lange her, dass der Johannes Wuchrer laut vorliegenden Bescheids wegen Erkaufung eines Stückleins Borstet zwar aus Milde zu 5 fl Straf verurteilt worden ist. Wie seltsam muss es einem verständigen Manne vorkommen, wenn einer mit Zeug handeln will, der nicht weiss, was Serge ++) de Rom oder Burstet +) ist, indem der Burstet nicht halb so hoch im Preis zu stehen kommt als der Serge de Rom. Gesetzt auch, das weggenommene Zeug wäre Serge de Rom gewesen, so ist das ja das Meisterstück der Zeugmacher. Es muss ihnen seltsam vorkommen, dass sie solche Gattung nicht einmal verkaufen sollten.
Der Magistrat wird also gebeten, die erwähnte Clausel in dem Ratsbescheid aufzuheben und das widerrechtliche Verfahren des Braun zu strafen.
Die Zeugmacher-Meister zu Reutlingen:
Joh. Christoph Buohl
Johann Balthas Schmidt
Joh. Georg Baur
Johannes Kämpf
Johann Martin Fischer
Johann Heinrich Gailer
Johannes Schäuffele
Joh. Jacob Helbling
Joh. Georg Ernst
Isaac Buohl
Sebastian Buohl
Joh. Georg Buohl
Johann Jacob Gailer
Johannes Schmid
Philipp H. Buohl
Phillipp Gottfried Ellwerth
Eberhard Ludwig Fischer
Johannes Buohl
Johann Heinrich Gayler.
Johann Jacob Buohl.

Archivaliensignatur
A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 3772
Umfang
7 S.
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.
Sonstige Erschließungsangaben
Bemerkungen: +) Fischer: Schw. WB: Borstet = Burschat = halbseidener Stoff
++) Fischer: Schw. WB: Wollstoff mit Leinen oder Seide gemischt

Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 10 Zünfte Zeugmacher
Bestand
A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)

Laufzeit
1778 Dezember 6

Weitere Objektseiten
Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Stadtarchiv Reutlingen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Archivale

Entstanden

  • 1778 Dezember 6

Ähnliche Objekte (12)