Bestand

Familie Leo Nehab (Bestand)

Bestandsbeschreibung: Tektonikgruppe:
4. Vor- und Nachlässe

Bestandsnummer:
StAFF 6-142
Laufzeit:
1892-1985

Bestandsart:
Schriftgut und Fotografien
Leo Nehab war am 4. Februar 1882 als Sohn eines jüdischen Pelzwarenhändlers in Posen geboren worden. Er studierte Jura und wurde Gerichtsassessor und Rechtsanwalt in Posen. Im Jahr 1910 heiratete er die am 28. Februar 1888 in Posen geborene Gertrud Lewysohn. Das erste Kind Ernst wurde am 18. November 1911 in Posen geboren. Es folgten die Zwillinge Ruth und Walter, zwischen dem 2. und 3. November 1914, sowie die Tochter Lisa am 26. November 1918. Leo Nehab war Soldat im Ersten Weltkrieg. Nachdem im Versailler Vertrag die Stadt Posen polnisch wurde, zog die Familie Nehab, zusammen mit anderen jüdischen Familien, darunter die Familie Dr. Hermann Neumark, nach Frankfurt (Oder).

Die Familie Nehab erwarb das Haus im Grünen Weg 4 und bewohnte dort eine der Wohnungen. Die anderen Wohnungen waren unter anderen an Regierungs- und Stadträte vermietet. Leo Nehab arbeitete als Jurist beim Rechtsanwalt und Notar Max Falkenfeld in der Halben Stadt 2. Leo und Gertrud Nehab engagierten sich in der jüdischen Gemeinde. Leo Nehab war dort Mitglied der Schulkommission, wirkte an der Ausarbeitung von Lehrplänen mit und sprach sich dabei für die Stärkung des Religionsunterrichts und der Unterrichtung der hebräischen Sprache aus. Leo Nehab war zudem Mitglied der Hardenbergloge und wurde am 22. Mai 1927 in deren Vorstand gewählt. Nachdem am 30. Juli 1929 Max Falkenfeld verstorben war, übernahm Leo Nehab die Kanzlei. Die Familie übernahm auch dessen Wohnung in der Halben Stadt 2, zog dort ein und vermietete die vorherige Wohnung im Grünen Weg 4. Für die Sommeraufenthalte erwarb die Familie ein Gartengrundstück in Müllrose, das Gartenhaus wurde vom berühmten Architekten Konrad Wachsmann entworfen.

Ernst Nehab nahm nach seiner Schulausbildung ein Medizinstudium an der Berliner Universität auf und absolvierte währenddessen zahlreiche Praktika, darunter in Frankfurter Kliniken. Nachdem er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, im November 1933, von der Universität relegiert worden war, wanderte er nach Palästina aus und lebte dort in einem Kibbuz. Kurz darauf zogen seine Geschwister nach. Leo Nehab hatte währenddessen in Frankfurt (Oder) unter den Restriktionen des Naziregimes zu leiden. Er verlor seine Mandanten und musste mehrmals umziehen. Im Jahr 1938 entzog man ihm seine Zulassung und er wurde kurzzeitig im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Nach der Entlassung entschlossen sich Leo und Gertrud Nehab ebenfalls auszuwandern. Das Vermögen wurde veräußert und die Verbindlichkeiten getilgt. 1939 reiste die Familie über Genua nach Palästina aus. Sie lebten dort im Kibbuz Hasorea in der Nähe der Kinder.

Das Familienarchiv wurde zwischen 2012 und 2017 von Dr. Roni Kochavi-Nehab in Israel dem Stadtarchiv mit der Bitte um Auswertung überlassen. Der damalige Archivleiter Ralf-Rüdiger Targiel verfasste im Jahr 2012 für die Familie Nehab eine kurze Familiengeschichte. Im Zuge des Seminars zu 90 Jahren Machtergreifung der Nationalsozialisten, an der Europa-Universität Viadrina im Jahr 2023, wurde der unbearbeitete Bestand von der Studentin Antonia Kauffold gesichtet und ausgewertet. Sie erstellte eine Liste der Archivalieneinheiten mit kurzen Inhaltsangaben. Im September 2024 erfolgte die abschließende Bestandsbearbeitung durch Dr. Denny Becker. Aus der Aufnahmeliste Kauffolds sind Aktentitel und Enthält-Vermerke gebildet worden, die Archivalieneinheiten sind signiert und mit archivischer Schutzverpackung versehen worden.

Der Bestand umfasst vor allem die Korrespondenz der Eltern Leo und Gertrud Nehab mit ihren Kindern bzw. Schwiegerkindern. Enthalten sind auch Briefe der Großmutter Rosa Nehab, geb. Zedner, sowie die Korrespondenz von Heinz Kaufmann. Von besonderer historischer Bedeutung sind die Briefe von Leo und Gertrud, sie berichten vom jüdischen Leben sowie den Veranstaltungen und Ereignissen in Frankfurt (Oder). Die Briefe der Kinder, vor allem von Ernst Nehab, berichten von der Auswanderung nach Palästina, die Niederlassung im Kibbuz und den Bemühungen um Landerwerb.

Frankfurt (Oder), im September 2024



Dr. Denny Becker
(Wissenschaftlicher Archivar)

Zitierweise: Bestandsnummer zzgl. Archivaliensignatur, bspw.: StAFF 6-142 BA VI 264

Bestandssignatur
StAFF 6-142
Umfang
0,05 lfd. Meter = 30 AE

Kontext
Stadtarchiv Frankfurt (Oder) (Archivtektonik) >> Vor- und Nachlässe

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Letzte Aktualisierung
17.06.2025, 10:21 MESZ

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Objekttyp

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