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Steigende Schutzdefizite im Arbeitsrecht?

Der Einsatz von „Fremdbelegschaften“ hat wenig mit wachsender Vernetzung von Unternehmen zu tun. Die rechtliche Entkoppelung von arbeitsvertraglicher Beziehung und Arbeitsort wirft Probleme auf, die sich bei den einzelnen Gruppen der Fremdbelegschaften unterschiedlich stellen. Leiharbeitnehmer haben neben ihrer Vertragsbeziehung zum Verleiher zahlreiche arbeitsrechtliche Rechte und Pflichten zum Entleiher, die sich unter dem Leitbegriff eines partiellen Arbeitsverhältnisses zusammenfassen lassen. Ihre faktische Schlechterstellung gegenüber Stammbeschäftigten hängt mit gesetzlich zugelassenen Billigtarifen und einer isolierten Arbeitssituation zusammen, die eine gemeinsame Interessenvertretung erschwert. Bei der zweiten Gruppe – den aufgrund Werk- oder Dienstvertrags in den Betrieb Kommenden – lassen sich die rechtlichen Probleme gleichfalls bewältigen, die die Nichtzugehörigkeit zur „eigentlichen“ Belegschaft mit sich bringt. Ihre schlechtere Lage hängt damit zusammen, dass sie im besten Falle den Tarifen einer „Billig-Branche“ unterliegen, meist aber zu jenen 42 % der Beschäftigten gehören, die nicht mehr durch Tarifverträge geschützt sind. Bei den Soloselbständigen als der dritten Gruppe muss man unterscheiden. Wer sein Einkommen im Wesentlichen vom Einsatzbetrieb bezieht, wird als arbeitnehmerähnliche Person qualifiziert und kann sich deshalb auf bestimmte arbeitsrechtliche Normen wie das Bundesurlaubsgesetz berufen, bleibt andererseits aber vom Kündigungsschutzgesetz und von der Betriebsverfassung ausgeschlossen. Tarifverträge sind möglich, aber faktisch nicht durchsetzbar. Liegt wegen Fehlens eines beherrschenden Auftraggebers keine Arbeitnehmerähnlichkeit vor, kann sich der Betroffene nur auf zivilrechtliche Schutznormen berufen, die zwar eine intensive Vertragsinhaltskontrolle, aber keinerlei Bestandsschutz gewähren. Hinter dem Begriff der Crowdworker als vierter Gruppe verbergen sich sehr unterschiedliche Rechtsbeziehungen; soweit für ausländische Plattformen gearbeitet wird, ist selbst der zivilrechtliche Schutz in Frage gestellt. Im Vergleich dazu sind die Probleme jener Beschäftigten, deren Arbeit von einem anderen Konzernunternehmen als dem Vertragsarbeitgeber gesteuert wird, von relativ geringer Dimension. Ein einheitliches „Modell“ für den Umgang mit Fremdbelegschaften kann es nicht geben; die unbestreitbaren Schutzdefizite haben ihre Ursachen nicht in den Schwierigkeiten der „Ankoppelung“ an den Einsatzbetrieb, sondern in der Stellung der Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt.

Weitere Titel
Growing lack of protection in labour law?
Sprache
Deutsch

Erschienen in
Journal: Industrielle Beziehungen ; ISSN: 1862-0035 ; Volume: 23 ; Year: 2016 ; Issue: 2 ; Pages: 236-247 ; Mering: Rainer Hampp Verlag

Klassifikation
Wirtschaft
Contracting Out; Joint Ventures; Technology Licensing
Coercive Labor Markets
Trade Unions: Objectives, Structure, and Effects
Labor Standards: Working Conditions
Thema
external workforce
temporary agency workers
self-employed workers without employees
partial employment relationship

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Däubler, Wolfgang
Ereignis
Veröffentlichung
(wer)
Rainer Hampp Verlag
(wo)
Mering
(wann)
2016

DOI
doi:10.1688/IndB-2016-02-Daeubler
Handle
Letzte Aktualisierung
10.03.2025, 11:43 MEZ

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Objekttyp

  • Artikel

Beteiligte

  • Däubler, Wolfgang
  • Rainer Hampp Verlag

Entstanden

  • 2016

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