Bestand

Verein der höheren Verwaltungsbeamten Badens (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Den Bestrebungen einiger Revolutionäre von 1918, die Beamten nur auf Zeit einzustellen oder gar zu wählen, hatte die badische Verfassung nicht ausdrücklich widersprochen. Diese latente Unsicherheit, die erst die Deutsche Reichsverfassung im August 1919 beseitigte, könnte die badischen höheren Verwaltungsbeamten Ende 1918 veranlasst haben, eine Organisation zur Vertretung ihrer Standesinteressen zu schaffen. Ihr Name, Verein der badischen höheren Beamten der inneren Staatsverwaltung, erfuhr 1930 eine Verkürzung zu "Verein der höheren Verwaltungsbeamten Badens". Mitglieder waren in erster Linie Angehörige der inneren Staatsverwaltung. Zutritt hatten jedoch auch die höheren Beamten der Landesversicherungsanstalt Baden, der badischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, des badischen Frauenvereins und Anwärter für den höheren Beamtendienst. Im Sinne ihres primären Zwecks, der "Wahrung, Förderung und Vertretung aller Berufs- und Standesangelegenheiten" nahm der Verein regelmäßig zu beamtenrechtlichen Fragen Stellung, versuchte, Einfluß auf die Gesetzgebung zu nehmen, und setzte sich für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Stellung seiner Mitglieder ein. Mit Wirkung vom 31.12.1933 löste sich der Verein selbst auf und empfahl seinen Mitgliedern den Eintritt in den Bund nationalsozialistischer deutscher Juristen.
Im Einvernehmen mit dem letzten Vereinsvorsitzenden, Landrat Wintermantel, und dem Gaugruppenwalter Rechtswahrer der Verwaltung, Bürgermeister Dr. Fees, Bruchsal, wurde das Vereinsschriftgut 1937 an das Generallandesarchiv abgegeben.



Gründung und Auflösung des Vereins höherer Verwaltungsbeamter: Die Gründung des Vereins der höheren Verwaltungsbeamten Badens vollzog sich um die Jahreswende 1918/19. Den Bestrebungen einiger Revolutionäre von 1918, die Beamten nur auf Zeit einzustellen oder gar zu wählen, hatte die badische Verfassung nicht ausdrücklich widersprochen. Diese latente Unsicherheit, die erst die Deutsche Reichsverfassung im August 1919 beseitigte, könnte die badischen höheren Verwaltungsbeamten Ende 1918 veranlasst haben, eine Organisation zur Vertretung ihrer Standesinteressen zu schaffen. Auf der von nur acht Menschen besuchten Gründungsversammlung am 21. Dezember in Karlsruhe beschloss man im kleinen Kreis für die höheren Verwaltungsbeamten Badens sofort eine Organisation zu schaffen und auf die Einberufung einer größeren, alle Interessenten umfassenden Gründungsversammlung zu verzichten, die zudem schlecht praktizierbar zu sein schien. Ein vorläufiger, sechsköpfiger Vorstand wurde wurde bestimmt und die Vereinssatzung festgelegt. In einem Rundschreiben vom 8. Januar des folgenden Jahres forderte der vorläufige Vorstand die Interessenten zum Beitritt in den Verein auf, der am 1. Mai schon 146 Mitglieder umfasste. Am 27. Januar erfolgte der Beitritt des Vereins zum Verband der badischen Oberbeamtenvereine, wenig vorher (12. Januar) die Aufnahme in den Landesverband der Beamten- und Lehrervereine Badens. Die Wahl des Vorstandes erfolgte auf der ersten Hauptversammlung des Vereins am 1. März 1919. Der Name "Verein der badischen höheren Beamten der inneren Staatsverwaltung" wurde anlässlich der Satzungsänderung von 1930 zu "Verein der höheren Verwaltungsbeamten Badens" verkürzt. Mit Wirkung zum 31. Dezember 1933 löste sich der Verein selbst auf und empfahl seinen Mitgliedern (schon in den Vereinsmitteilungen vom 5. August) den Eintritt in den Bund nationalsozialistischer deutscher Juristen (BNSDJ). Der Vorstand war schon am 6. Oktober geschlossen zurückgetreten und hatte den Bürgermeister von Rastatt, Dr. Fees, für das Amt des Vorsitzenden und den Regierungsrat Wehrle aus dem Ministerium des Innern als dessen Stellvertreter vorgeschlagen, beide Fachleiter der Berufsgruppe Verwaltungsbeamte im BNSDJ. Der Landesfachgruppe Verwaltungsbeamte im BNSDJ wurde das Vereinsvermögen überwiesen.

Aufgaben und Mitglieder des Vereins höherer Verwaltungsbeamter: Mitglied des Vereins der höheren Verwaltungsbeamten Badens konnte werden, wer die zweite juristische Staatsprüfung absolviert und der inneren Staatsverwaltung Badens angehörte. Zu den höheren Beamten der inneren Staatsverwaltung sollten dabei auch die höheren Beamten der Landesversicherungsanstalt Baden, der badischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und des badischen Frauenvereins gerechnet werden. Auf Antrag des provisorischen Vorstandes beschloss die ersten Hauptversammlung vom 1. März 1919 auch die Aufnamen von Anwärtern für den Dienst als höherer Beamter der inneren Staatsverwaltung ("Regierungsassessoren"). Seit der ersten Gründungsversammlung wuchs der Mitgliederstand rasch an. Betrug er im März 1919 noch 146 Personen, so zählte der Verein am 6. Juli des folgenden Jahres 183 und am 1. Januar 1921 202 Mitglieder. Seit 1923 pendelte sich die Mitgliederzahl auf etwa 210 ein. Zweck des Vereins war primär die Standesvertretung der höheren Beamten der inneren Verwaltung Badens, also die "Wahrung, Förderung und Vertretung aller Berufs- und Standesangelegenheiten". Daher nahm der Verein immer wieder zu beamtenrechtlichen Fragen Stellung und versuchte Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Sehr stark war sein Engagement zugunsten der wirtschaftlichen Besserstellung dieser Beamten, das sich niederschlug in Initiativen zugunsten einer besseren Dienstwohnungsversorgung, zugunsten von staatlichen Mietzuschüssen, in Initiativen im Bereich der Beamtenbesoldung, Aufwandsentschädigung und Sondervergütung sowie im Bereich der Beamtenkrankenversicherung und der Zwangspensionierung bis hin zur Einflussnahme auf die Stellenbesetzung. In der Anfangszeit der Republik stand die Abwehr von Neuerungen ("Eindringen" von Technikern in den höheren Verwaltungsdienst unter Verzicht auf die juristische Ausbildung, "Politisierung" der Stellenbesetzung) im Vordergrund der Bemühungen, in der Endphase die Abwehr der Folgen einer rigorosen Sparpolitik auf die Stellung der Beamten. Auch bei Disziplinarverfahren gegen die Mitglieder wurde der Verein aktiv. Er förderte den Austausch höhrerer Verwaltungsbeamten zwischen den Ländern und zwischen Baden und dem Reich und setzte sich für die staatswissenschaftliche Fortbildung der Beamten ein. Standespolitik im weitesten Sinne war der Versuch des Vereins, auf die badische Verwaltungsreform Einfluss zu nehmen.

Bestandsgeschichte: Im Einvernehmen mit dem letzten Vereinsvorsitzenden, Landrat Wintermantel, und dem Gaugruppenwalter Rechtswahrer der Verwaltung, Bürgermeister Dr. Fees, Bruchsal, wurde das Vereinsschriftgut 1937 an das Generallandesarchiv abgegeben. Die näheren Umstände der Übergabe sind nicht bekannt. Die nach der badischen Oberrandheftung zusammengefügten Aktenfaszikel lassen zwei Signatursysteme erkennen, von denen das aus roten Zahlen bestehende System das Jüngere darstellt, welches auch als Bestellnummer beibehalten wurde. Das noch vorliegende Verzeichnis über die ausgeschiedenen Akten (in Nr. 1) lässt erkennen, dass zum Teil sehr wertvolles Material nicht übergeben wurde. Es fehlen beispielsweise der Aktenfaszikel über die Gründung des Vereins, der Faszikel über die Anträge und Anfragen von Mitgliedern und der Faszikel über die Umfrage zur Notlage höherer Verwaltungsbeamter. Eine Sammlung der Vereinsmitteilungen ist anscheinend nicht angelegt worden, die sonst eine wertvolle Benutzungshilfe hätte sein können. Möglicherweise im Zusammenhang mit der Archivalienauslagerung im zweiten Weltkrieg ist ein Konvolut (von insgesamt 6 Konvoluten) des Bestandes mit einem bestandsfremden verwechselt worden. Das bisherige Konvolut 5 ("Nr. 45-50 und Belege") enthielt ausschließlich bestandsfremde Archivalien (Unterlagen des Staatsrates Karl Luwig Wielandt, 1906 als Hinterlegung an das Generallandesarchiv gelangt). Gemäß den Angaben auf dem Umschlag des 5. Konvolutes fehlen also 6 Faszikel, die trotz intensiven Suchens nicht aufgefunden werden konnten und über deren Inhalt keine sicheren Aussagen gemacht werden können. Mit "Belege" könnten Rechnungsbelege gemeint sein und mithin die fehlenden Aktenfaszikel (wie Nr. 44) die Rechnungsführung des Vereins betroffen haben. Gegen diese Vermutung spricht allerdings, dass der vorhandene Aktenfaszikel Nr. 44 gerade die Rechnungsführung in der Endphase des Vereins betrifft. Für den Fall, dass diese Faszikel doch noch aufgefunden werden, wurden die Nummern 45 bis 50 als Bestellnummer freigelassen. [Ergänzung 2016: Inzwischen sind Nr. 45 bis Nr. 50 aufgefunden und in der Verzeichnung ergänzt worden. Es handelt sich um Niederschriften der Vorstandssitzungen, Jahresabrechnung, Vereinsmitteilungen, Satzungen des Vereins, Mitgliederverzeichnisse sowie andere personale Angelegenheiten, Deutscher Jursitentag 1933 sowie Anfragen etc. (Sara Diedrich, Stand 05.2016)]

Bearbeiterbericht: Grundlage der Ordnung des Bestandes ist die Scheidung in (als badisch geheftete Faszikel voliegende) Akten und in Sammlungsgut, das in der Hauptsache aus Druckschriften zur Verwaltungsreform in Baden und im Reich besteht. Soweit vorhanden, wurde die letztgültige Signatur (rote Zahl) als Bestellnummer beibehalten. Der Bestand "Verein der höheren Verwaltungsbeamten Badens" wurde im April 1987 vom Unterzeichneten geordnet und verzeichnet. Die Erschließungsarbeiten und die Herstellung des Repertoriums wurden im Rahmen des MIDOSA-Projektes der Landesarchivverwaltung durch EDV unterstützt. Die Erfassung der Titelaufnahmen und die Durchführung der Korrekturen besorgte Frau Elfriede Hessler. Peter Schiffer

Konversion: Im Jahr 2015 wurde das Findmittel konvertiert. Die Endredaktion führte Sara Diedrich im Mai 2016 durch.

Literaturhinweise: Michael Ruck, Korpsgeist und Staatsbewußtsein, Beamte im deutschen Südwesten 1928-1972, München 1996. Hans-Georg Merz, Beamtentum und Beamtenpolitik in Baden. Studien zu ihrer Geschichte vom Großherzogtum bis in die Anfangsjahre des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, in: Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte 32, Freiburg 1985.

Reference number of holding
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 Verwaltungsbeamte
Extent
56 Akten, 18 Druckschriften

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nichtstaatliches Archivgut >> Archive von Anstalten, Körperschaften und Stiftungen >> Berufsständische Vereinigungen >> Verein der höheren Verwaltungsbeamten Badens
Related materials
Literatur: Michael Ruck, Korpsgeist und Staatsbewußtsein, Beamte im deutschen Südwesten 1928-1972, in: Nationalsozialismus in Südwestdeutschland 4, München 1996.- Hans-Georg Merz, Beamtentum und Beamtenpolitik in Baden, Studien zu ihrer Geschichte vom Großherzogtum bis in die Anfangsjahre des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, in: Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte 32, Freiburg 1985

Date of creation of holding
1919-1934

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Last update
03.04.2025, 11:03 AM CEST

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1919-1934

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