Bestand
D Rep. 258-02 Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin (Bestand)
Vorwort: 1. Behördengeschichte
Die Wiedervereinigung zog für die Organisation und Größe der Berliner Staatsanwaltschaft erhebliche Änderungen nach sich. Am 3. Oktober 1990 wurde zunächst die "Arbeitsgruppe Regierungskriminalität" eingerichtet, welche die strafrechtliche Aufarbeitung der sogenannten Regierungskriminalität in der früheren DDR übernahm. Dies ergab sich aus dem Umstand, dass Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR Sitz der Regierung des zentralistisch gelenkten Staates und zugleich der Parteiführung der SED war und in dieser Funktion maßgebender Tatort. Diese Arbeitsgruppe war zunächst unmittelbar dem Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht unterstellt. Weitere Schwerpunkte waren die Verfolgung der vereinigungsspezifischen Wirtschaftskriminalität und die Ermittlungsverfahren gegen Amtsträger der ehemaligen DDR wegen Straftaten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten, welche jedoch im Geschäftsbereich der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht angesiedelt war.
Um die Aufteilung auf zwei Zuständigkeiten in verschiedenen Behörden und die damit einhergehenden Kompetenzkonflikte aufzulösen, wurde die Schaffung einer zusätzlichen Strafverfolgungsbehörde bei dem Landgericht angestrebt. Durch Änderung des "Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz" wurde das Land Berlin ermächtigt, in einem Landgerichtsbezirk zwei Staatsanwaltschaften einzurichten. Mit dem Gesetz vom 12. Juli 1994 (Gesetz und Verordnungsblatt S. 296) wurde die "Staatsanwaltschaft II beim dem Landgericht Berlin" zum 1. Oktober 1994 errichtet und damit die bisher verteilten Zuständigkeiten in einer Behörde gebündelt. Diese wurde von einem eigenen Generalstaatsanwalt geleitet.
In Abgrenzung zur sogenannten "Regierungskriminalität" wurde das außerhalb Ost-Berlins begangene DDR-Systemunrecht als "Bezirkskriminalität" in den jeweiligen Bundesländern verfolgt. Die Verfolgung der begangenen Straftaten auf der Bezirksebene der "Hauptstadt der DDR" wurde hingegen ebenfalls von der Staatsanwaltschaft II durch die Abteilung 10 abgedeckt. Die zentrale polizeiliche Ermittlungsbehörde für die Gebiete der Regierungs- und Wirtschaftskriminalität war die "Zentrale Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität" (ZERV).
Der Dienstsitz der Staatsanwaltschaft II lag im Bezirk Mitte in der Straße Alt-Moabit 100. Übergeordnete Behörde war die Generalstaatsanwaltschaft beim Kammergericht, welche der Dienstaufsicht der Senatsverwaltung für Justiz untersteht.
Mit dem Stand von 1996 war die Staatsanwaltschaft II in zwei Hauptabteilungen und zehn Abteilungen gegliedert und rund 80 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte tätig, welche zum überwiegenden Teil aus dem Bund und dem Justizbereich anderer Bundesländer zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Aufgaben abgeordnet wurden.
Mit dem Abschluss der überwiegenden Zahl der Verfahren wurde die Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin zum 30. September 1999 wieder aufgelöst. Die ca. 800 noch offenen Verfahren wurden der verbliebenen Staatsanwaltschaft I übertragen und abgeschlossen.
2. Bestandsgeschichte
Die Übernahme des Aktenbestandes erfolgte im Februar 2017 und wurde in einem "Regal-zu-Regal-Umzug" aus dem Verwaltungsarchiv der Staatsanwaltschaft in Westhafen umgesetzt, um das Ordnungssystem der Akten zunächst erhalten zu können. Es handelt sich hierbei um den Gesamtbestand der Straf- und Ermittlungsakten, welcher gänzlich als archivwürdig eingestuft wurde. Die Verwaltungsgeneralakten der Staatsanwaltschaft II hingegen wurden bisher nicht übernommen und befinden sich noch in der Behörde. Insgesamt handelte es sich bei der Übernahme um ca. 2.030 laufende Meter Akten (ca. 15.650 Verfahren) und umfasste neben Aktenordnern und Registern umfangreiche Bestände von nicht papiergebunden Medien, welche einzeln oder als Aktenbestandteil auftreten und teilweise als Asservatenstücke aufgenommen sind.
Hierbei handelt es sich um überwiegend um typische AV-Medien wie Foto-Positive und -Negative, Dias, VHS, Schmalfilm und Magnettonträger in unterschiedlichen Formaten. Im großen Umfang sind hierbei breite Magnettonbänder, sogenannte "Rolagramme", aus einem veralteten Diktiergerätetyp vorhanden, welche für Diktate von Vernehmungsniederschriften verwendet wurden und bisher nicht auslesbar sind. Ein weiteres Spezifikum ist insbesondere die große Vielfalt an elektronischen Speichermedien (u.a. 3,5 - 8 Zoll Disketten, CD-Roms, Data-Cartridges), welche teilweise veraltete Software und Dateien enthalten und im Rahmen der Ermittlungsverfahren als Beweismittel sichergestellt wurden.
Inhaltlich handelt es sich unter anderem um Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung, Betrug, Körperverletzung, Totschlag, Mord, Freiheitsberaubung und Wirtschaftskriminalität.
Die Akten werden seit 2018 in einem Erfassungs- und Verpackungsprojekt durch die Berliner Werkstätten für Behinderte bearbeitet und flach erschlossen. Von September bis Dezember 2018 wurden in zwei einzelnen Verpackungs- und Erfassungsprojekten das Verfahren 22 Js 105/95 sowie die Verfahren gegen Alexander Schalck-Golodkowski gesondert bearbeitet. Insgesamt wurde bei der Bearbeitung die nicht papiergebundenen Medien entnommen und, soweit ein Aktenzusammenhang ersichtlich war, durch Entnahmebelege gekennzeichnet. Im Rahmen eines Verzeichnungsprojektes wurde seit August 2019 begonnen, die entnommenen AV-Medien in die Unterbestände D Rep. 258-02 (Filme), (Fotos) und (Töne) mit der Software Augias-Archiv 9.2 archivarisch verzeichnet.
Zurzeit enthält der Bestand 15.650 einfach erschlossene AE Akten sowie 663 AE von AV-Medien (Filme, Fotos, Töne). Die Gesamtlaufzeit erstreckt sich mit Vor- und Nachlaufzeiten von (1912) 1990 - 2000 (2016).
Die Unterlagen sind auf Grund der archivgesetzlichen Bestimmungen nach § 9 des Archivgesetzes Berlin (ArchGB) vom 14. März 2016 für die Benutzung gesperrt. Nach § 9 Abs. 4 ArchGB kann eine Verkürzung der Schutzfristen auf schriftlichen, begründeten Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs Berlin.
Der Bestand ist wie folgt zu zitieren: Landesarchiv Berlin, D Rep. 258-02 - Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin, Nr. …
3. Korrespondierende Bestände
LAB B Rep. 038 - Kammergericht Berlin
LAB B Rep. 058 - Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin
LAB C Rep. 300 - Generalstaatsanwaltschaft von Groß-Berlin
LAB D Rep. 002 - Senatskanzlei / Der Regierende Bürgermeister von Berlin
LAB D Rep. 200 - Senatsfachverwaltung für Justiz
LAB D Rep. 238 - Kammergericht Berlin
LAB D Rep. 139 - Landgericht Berlin
LAB D Rep. 257 - Generalstaatsanwaltschaft beim Kammergericht Berlin
LAB D Rep. 258-01 - Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin
LAB D Rep. 120-02 - Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV)
4. Literatur
Carsten, Ernst S., Rautenberg, Erardo C.: Die Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Beseitigung ihrer Weisungsabhängigkeit von der Regierung im Strafverfahren, Baden-Baden 2012, S. 378-382.
Jankowiak, Heinz: Die Zentrale Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität. 10 Jahre Bilanz nach der Wiedervereinigung, in: Neue Kriminalpolitik 2: S. 12-15.
Marxen, Klaus, Werle, Gerhard (Hrsg.): Strafjustiz und DDR-Unrecht Dokumentation, Band 1-7, Berlin 2000-2009.
Schißau, Roland: Strafverfahren wegen MfS-Unrechts. Die Strafprozesse bundesdeutscher Gerichte gegen ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Berlin 2006.
Treppe, Hans-Wolfgang: Einhundertfünfzig Jahre Staatsanwaltschaft in Berlin, in: Der Bär von Berlin. Jahrbuch 1996 des Vereins für die Geschichte Berlins, Berlin 1996, S. 103 - 118.
Berlin, im Februar 2020 Björn Bürger
- Reference number of holding
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D Rep. 258-02
- Context
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Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> D Bestände ab 1990 >> D 5 Justizbehörden >> D 5.1 Gerichte und Staatsanwaltschaften
- Date of creation of holding
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1912 - 2020
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22.08.2025, 11:21 AM CEST
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1912 - 2020