Bestand

August Thalheimer (1884-1948) und Bertha Schöttle, geb. Thalheimer (1883-1959): Familienunterlagen und Ausstellungsmaterial (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
August Thalheimer (geboren am 18.03.1884) und Bertha Thalheimer (geboren am 17.03.1883) aus Affaltrach, gehörten zu den prägenden sozialistisch-kommunistischen Persönlichkeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wurden als Kommunisten und wegen ihrer jüdischen Abstammung im Nationalsozialismus verfolgt.
Beide verbrachten ihre Schulzeit in Stuttgart-Bad Cannstatt; August studierte Medizin, Sprachen, Völkerkunde, Philosophie und Ökonomie. Bertha ging nach Berlin, wo sie Nationalökonomie studierte.
1910 traten beide in die SPD ein und machten Bekanntschaft mit berühmten SPD-Linken wie Clara Zetkin, Franz Mehring, Fritz Westmeyer und Rosa Luxemburg. Sie waren beide in sozialistischen Zeitungen aktiv. August war u.a. Mitarbeiter der "Leipziger Volkszeitung" und Chefredakteur der "Freie Volkszeitung Göppingen". Bertha schrieb für "Die Gleichheit" und ebenfalls für die "Leipziger Volkszeitung". 1915 waren sie unter den Mitbegründern des Spartakusbundes und sprachen sich deutlich gegen eine Kriegsbeteiligung der SPD aus. Bertha nahm in den Jahren 1915-1916 mehrfach an internationalen Antikriegskonferenzen teil und wurde 1917 wegen Antimilitarismus zu zwei Jahren Haft verurteilt.
August diente 1916-1918 als Soldat und war 1918 Mitorganisator des Umsturzes und der Absetzung des Königs. Dieser politische Umschwung der Novemberrevolution befreite Bertha vorzeitig aus ihrer Haft.
Die Geschwister Thalheimer waren beide Mitbegründer der KPD, wo sich Bertha vorwiegend der Frauenarbeit widmete. August entwarf das Parteiprogramm und leitete 1923/1924 zusammen mit Heinrich Brandler die Partei. August wurde später jedoch aufgrund von kritischen Äußerungen gegenüber der ultralinken Parteilinie aus der Partei ausgeschlossen und verbrachte die folgenden Jahre in Moskau, wo er an einer Universität eine Vortragsreihe hielt. 1928 kehrte er nach Deutschland zurück und gründete zusammen mit Heinrich Brandler die "Kommunistische Partei-Opposition" (KPD-O). Auch Bertha wurde wegen ihrer Kritik an der KPD-Führung aus der KPD ausgeschlossen und trat anschließend der KPD-O bei.
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 musste August zusammen mit seiner Familie emigrieren, zuerst nach Frankreich und später nach Kuba. In Havanna widmete er sich seinen Arbeiten über Philosophie, Weltpolitik und die Sowjetunion. In dieser Zeit entwickelte er auch seine berühmte Faschismus-Analyse des Bonapartismus.
Bertha blieb nach 1933 in Stuttgart. Ihr Ehemann Karl Wilhelm Schöttle, den sie 1920 geheiratet hatte, ließ sich von ihr scheiden, unterstütze sie aber materiell. Als Jüdin und Kommunistin verfolgt, wurde sie 1941 in einem Judenhaus in Stuttgart interniert. 1943 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie 1945 durch die Rote Armee befreit wurde.
Nach dem 2. Weltkrieg bemühte sich Bertha vergeblich um die Rückreise Augusts nach Deutschland und um eine Anstellung für ihn. Eine Rückkehr blieb August allerdings bis zu seinem Tod in Havanna am 19.09.1948 durch die Besatzungsmächte verwehrt. Bertha Thalheimer(-Schöttle) starb am 23.04.1959 in Stuttgart.

Inhalt und Bewertung
Die Schenkung von Herrn Ernst Roller aus Obersulm-Willsbach kam unter der Zugangsnummer 2011/078 an das Staatsarchiv und enthält Sammlungsunterlagen (v.a. Briefe und Fotos), die er zur Vorbereitung und Gestaltung einer Ausstellung in Obersulm-Affaltrach über die Lebensgeschichte der Geschwister Thalheimer und deren politisches Wirken verwendete. Das Geschwisterpaar zählt zu den bedeutendsten aus Affaltrach stammenden Persönlichkeiten. Die Ausstellung fand im Rathaus von Obersulm-Affaltrach vom 18. Juni - 13. Juli 2001 unter dem Titel "Gegen den Strom - die Geschwister Thalheimer im Jahrhundert der Katastrophen" statt. In die Sammlung von Ernst Roller ist außerdem zahlreiches Material, das er bereits 1984 für eine Ausstellung zum 100. Geburtstag von August Thalheimer sowie für Vorträge und sonstige Veranstaltungen verwendet hat, eingeflossen. Viele Unterlagen stammen aus dem Privatbesitz der Familie Schöttle, den Nachkommen der Bertha Thalheimer, zu denen Ernst Roller Kontakt pflegte. Die zahlreichen Briefe der Geschwister Thalheimer sowie Fotos von Freunden und Weggenossen sind daher in Form von Kopien, Abschriften oder Reproduktionen an Ernst Roller gekommen.
Die Erschließung und Strukturierung des Sammlungsmaterials führte Franziska Lang im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes im Staatsarchiv Ludwigsburg im Frühjahr 2015 durch. Sie verfasste auch das Vorwort zur Biographie der Geschwister Thalheimer. Der Bestand umfasst die Büschelnummern 1-16 im Umfang von 0,2 lfd. m.
Ludwigsburg, im August 2015
Ute Bitz

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, PL 725
Umfang
16 Archivalieneinheiten (0,2 lfd. m)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Deposita, nichtstaatliche Archive und Nachlässe >> Nachlässe (ohne Deposita)

Bestandslaufzeit
1903-2001

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
18.04.2024, 10:40 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1903-2001

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