Archivbestand
Neuwürttemberg: Landvogtei Rottweil: Landvogt und Landvogteigericht (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Die Landvogtei Rottweil bildete eine der drei Mittel- oder Provinzialbehörden in dem Land Neuwürttemberg, das zum 1. Januar 1803 für die aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses an Württemberg gefallenen ehemals geistlichen und reichsstädtischen Territorien gegründet wurde. Die Landvogteien bestanden aus vier Kollegien, nämlich dem Landvogteigericht, dem Kameraldepartement, dem Ökonomiekollegium und dem Sanitätskollegium. An der Spitze dieser Kollegien stand ein adeliger Landvogt. In Polizeiangelegenheiten, zu denen der Straßen- und Brückenbau, das Feuerlöschwesen, die öffentliche Sicherheit, Armen- und Bettlerwesen sowie Landeskultur und Taxwesen gehörten, amtierte der Landvogt als Einzelbeamter. Die neuwürttembergischen Landvogteien bestanden bis zur Vereinigung von Neu- und Altwürttemberg im März 1806. Die Akten der Landvogtei Rottweil kamen über das Archiv des Innern an das Staatsarchiv in Ludwigsburg, wo sie im Zuge einer Neuverzeichnung seit 1989 in mehrere provenienzgerechte Teilbestände aufgegliedert wurden.
Inhalt und Bewertung
Der vorliegende Bestand vereinigt die Überlieferung des Landvogts als Einzelbeamten in Polizeiangelegenheiten und des Landvogteigerichts. Die Vorgänge, die wegen des kurzen Bestehens der Behörde vielfach nur wenige Schriftstücke umfassen, enthalten - dem Charakter der Landvogtei als 'Briefkastenbehörde' entsprechend - zu einem erheblichen Teil Generalia. Anders als bei der Überlieferung der Landvogtei Ellwangen haben sich auch Justizakten in nennenswertem Umfang erhalten.
Zur Behördengeschichte: Herzog Friedrich II. verlor durch den Frieden von Lunéville (9.2.1800), in dem Kaiser und Reich das linke Rheinufer an Frankreich abtraten, seine linksrheinischen Besitzungen im Elsaß und die Grafschaft Mömpelgard. Als Entschädigung dafür konnte er nach dem Reichsdeputationshauptschluß (24.3.1803) 31 säkularisierte Gebiete und 14 Reichsstädte in sein Herzogtum eingliedern und am 30.4.1804 auch die Erlangung der Kurwürde öffentlich bekanntgeben (Reyscher Bd. XIV S. 1223). Die neuerworbenen Staatssplitter mit überwiegend katholischer Bevölkerung (120.000 Einwohner) wollte Friedrich II. nicht in das Herzogtum mit der ihn behindernden landständischen Verfassung eingliedern; er faßte sie deshalb zu einem Staat Neuwürttemberg zusammen. Die beiden Landesteile waren nur in der Person des Herrschers vereinigt, ansonsten blieben Gesetzgebung, Verwaltung und Justizwesen getrennt. An die Spitze von Neuwürttemberg stellte Friedrich II. im "Organisations-Manifest für die neu erworbenen Lande" vom 1. Januar 1803 eine "Ober-Landes-Regierung" mit Sitz in Ellwangen (Reyscher a.a.O. S. 1209). Abweichend von der Behördenorganisation Altwürttembergs und teils nach dem Vorbild der vorderösterreichischen Landvogteien, teils nach dem der badischen Kreisdirektoren wurden als Mittel- oder Provinzialbehörden drei Landvogteien in Ellwangen, Heilbronn und Rottweil eingesetzt (Wintterlin Bd. 1 S. 187), an deren Spitze adlige Landvögte standen. Auf Bezirksebene wurden von Bürgerlichen geführte Ober- und Stabsämter errichtet. Das Organisationsmanifest vom 1. Januar 1803 ordnete der Landvogtei Rottweil zu: 1) Stadtoberamt Rottweil (zuständig auch für das Territorium des Klosters Margrethausen und den Ort Dürrenmettstetten) 2) Landoberamt Rottweil 3) Stabs- und Rentamt Rottenmünster 4) Oberamt Zwiefalten (zuständig auch für das Territorium des Klosters Mariaberg) 5) Stabsamt Heiligkreuztal. Die Landvogteien bestanden aus den vier Kollegien Landvogteigericht, Kameraldepartement, dem durch Generalreskript vom 21. Februar 1803 eingerichteten Ökonomiekollegium (Reyscher a.a.O. S. 1220 f.) und dem Sanitätskollegium. In allen vier Kollegien hatte der Landvogt den Vorsitz. In Polizeisachen amtierte der Landvogt als Polizeidirektor, als Einzelbeamter; hier oblagen ihm vor allem die Straßen- und Brückenbausachen, das Feuerlöschwesen, Armen- und Bettlerwesen, öffentliche Sicherheit, Landeskultur und Taxwesen (Wintterlin a.a.O. S. 189). Seine Aufgaben waren durch die Dienstinstruktion vom 25. Februar 1803 geregelt (Wintterlin a.a.O. Beilage 1 S. 331 ff.). Nicht zuletzt hatte er die Anordnungen der Oberlandesregierung an die Ober- und Stabsämter weiterzuleiten und deren Berichte der Oberlandesregierung vorzulegen. Das Landvogteigericht bestand aus dem Landvogt, zwei Landgerichtsassessoren, dem Landvogteisekretär, der zugleich Registrator war, und zwei Kanzlisten. In Zivilsachen war es Appellationsgericht für die Stadtgerichte und 1. Instanz für alle Angelegenheiten im Wert über 50 fl. Ab einem Wert von 200 fl konnte an den 2. Senat der Oberlandesregierung appelliert werden, ebenso in Sachen, in denen das gesamte Vermögen einer Partei auf dem Spiel stand. In Kriminalsachen durften Ober- und Stabsämter Strafen bis zu 10 Reichstalern bzw. 8 Tagen Haft verhängen. Dem Landvogteigericht, das in solchen Fällen Appellationsinstanz war, stand die Verhängung von Strafen bis 50 Reichstalern und bis 4 Wochen Haft zu. Für alle höheren Strafen sowie für Zuchthaus- und Festungsstrafen war der 1. Senat der Oberlandesregierung zuständig. Das Landvogteigericht war ferner Mittelinstanz in Vormundschaftsangelegenheiten, 1. Instanz in Amts- und Strafsachen von Beamten und Exemten und 1. Instanz in Wechselsachen. Mit der Annahme der Königswürde am 1. Januar 1806 (Württembergische Generalreskripte und Verordnungen 1806 S. 1) wurden Alt- und Neuwürttemberg vereinigt. Das Organisations-Manifest vom 18. März 1806 (ebd. S. 6 ff.) sah die Einteilung des Landes in 12 Kreise vor, die weitgeh end dem Departement des Innern unterstanden. In noch stärkerem Maße als bisher hatte der Nachfolger des Landvogts, der Kreishauptmann, Anordnungen der Ministerien an die Oberämter und deren Berichte an die Ministerien weiterzuleiten; Aufgaben im Bereich der Rechtspflege kamen ihm nicht mehr zu. Durch das Manifest vom 27. Oktober 1810 wurden die Kreise in zwölf Landvogteien umgewandelt (Beilage zum Reg.-Bl. 1810), die sich am Vorbild der französischen Departements orientierten. Mit den Bezirken ihrer Vor-Vorgänger, der neuwürttembergischen Landvogteien, hatten sie nichts mehr gemein.
Zur Bestandsgeschichte: Die Akten der Landvogteien Ellwangen und Rottweil wurden schon bald nach der Auflösung der neuwürttembergischen Behörden im Jahr 1806 in das Hauptdepot der älteren Akten nach Stuttgart überführt, aus dem 1818 das Archiv des Innern hervorging. Dieses wurde 1866 in das Schloß Ludwigsburg verlegt und 1921 mit dem damaligen Staatsfilialarchiv Ludwigsburg vereinigt. In Karl Otto Müllers Gesamtübersicht über die Bestände der staatlichen Archive Württembergs in planmäßiger Einteilung von 1937 bildeten die Landvogteibestände D 5 - D 7 noch jeweils einen geschlossenen Bestand. 1966 wurden die Bestände D 1 - D 7 durch Erwin Biemann neu numeriert; dabei wurde die alte Gliederung nach Lokaturen (Kasten, Fach, Nummer) zugunsten des numerus currens beseitigt. 1972 wurden die Ökonomiekollegien als D 5a, D 6a und D 7a von den Landvogteibeständen abgespalten. 1989 verzeichnete Frau Petra Schad die drei Bestände D 5 - D 7. Sie ging konsequenterweise noch einen Schritt weiter: Sie löste aus den Landvogteibeständen auch die Akten der Sanitätskollegien heraus und bildete die Teilbestände D 6 IV und D 7 IV. Von Frau Schad wurden die Findbücher zu D 5 II - III, D 6 II-IV und D 7 II - IV vorgelegt. 1995 verzeichnete Frau Sibylle Kraiss den Bestand D 5 I neu, 1997 Matthias Grotz den Bestand D 6 I. Im Anschluß daran begann er mit der Verzeichnung des Bestandes D 7 I. Die Unterzeichnende setzte diese Verzeichnung im Frühjahr 1998 fort. Ein altes Repertorium, wie es z.B. für D 5 aus dem Jahr 1857 vorliegt, blieb für D 7 nicht erhalten. Lediglich zwei vorläufige Zettelrepertorien des 20. Jh. konnten teilweise als Grundlage der Verzeichnung verwendet werden. Sie waren nach numerus currens geordnet. In der Nummernfolge dieser Zettelrepertorien waren jedoch große Lücken festzustellen. Bei der Neuverzeichnung wurde parallel zu den anderen Landvogteibeständen die Klassifikation in Generalia und Spezialia eingeteilt. Innerhalb der alphabetisch gereihten Rubriken sind die Büschel chronologisch geordnet. Die Akteneinheiten wurden ohne Zusammenlegungen oder Trennungen belassen, wie sie vorgefunden wurden. Acht Büschel wurden provenienzgerecht in die Bestände D 7 IV, Landvogtei Rottweil: Sanitätskollegium, und D 71, [jüngere] Landvogtei am oberen Neckar: Rottweil, eingefügt. Kassationen wurden nicht vorgenommen. Entsprechend der Behördengeschichte beginnen die Akten - von wenigen Ausnahmen abgesehen - frühestens im März 1803 und enden spätestens im April 1806. - Wichtigste Gegenüberlieferung ist der Bestand D 1, Neuwürttemberg: Oberlandesregierung Ellwangen. Eine Sammlung württembergischer gedruckter Verordnungen für die Jahre 1803-1806 enthält der Bestand E 62a, Staatliches Nebenarchiv Ellwangen, Bü 98-99. Generalreskripte für die Jahre 1361-1867 bilden den Sammlungsbestand JL 403. - Die computergestützte Reinschrift des vorliegenden Repertoriums fertigte die Unterzeichnende. Der Bestand D 7 I, Landvogtei Rottweil: Landvogt und Landvogteigericht, umfaßt nunmehr 342 Büschel (darunter 5 Bände) = 3,8 lfd. m. Ludwigsburg im April 1998
Literatur: Dehlinger, Alfred, Württembergs Staatswesen in seiner geschichtlichen Entwicklung bis heute. Bd. 1. Stuttgart 1951. Miller, Max, Die Organisation und Verwaltung von Neuwürttemberg unter Herzog und Kurfürst Friedrich I. Stuttgart und Berlin 1934. Sauer, Paul, Der schwäbische Zar. Friedrich, Württembergs erster König. Stuttgart 1984. Vogteien, Ämter und Landkreise in Baden-Württemberg, bearb. von Walter Grube. Bd. 1. Stuttgart 1975. Wintterlin, Friedrich, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg. Bd. 1: Bis zum Regierungsantritt König Wilhelms I. Stuttgart 1904. Zeller, G., Sammlung der württembergischen Regierungs-Gesetze. Teil 3: Regierungs-Gesetze vom Jahre 1727 bis zum Jahre 1805. Tübingen 1834 (= Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der württembergischen Gesetze, hg. von A. L. Reyscher).
- Reference number of holding
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Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, D 7 I
- Extent
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342 Büschel (4,8 lfd. m)
- Context
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Behörden der Übergangszeit um 1803-um 1817 >> Staatliche Behörden in Neuwürttemberg 1803-1806
- Date of creation of holding
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1803-1806 (Va ab 1801)
- Other object pages
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- Rights
-
Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Last update
- 13.11.2025, 2:40 PM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1803-1806 (Va ab 1801)