Nur wenige Wochen nach Kriegsende werden im nun besetzten Berlin wieder Filme gedreht und aufgeführt. Dabei lassen die unterschiedlichen Produktionsbedingungen und -strategien der alliierten Siegermächte zentrale ideologische Unterschiede erkennen, die die spätere Teilung Deutschlands vorwegnehmen.

Im Sommer 1945, gut zwei Monate nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, treffen sich die drei Regierungschefs der Alliierten in Potsdam. Winston Churchill (der während der Konferenz die Wahlen in Großbritannien verliert und durch seinen Nachfolger Clement Attlee ersetzt wird), Josef Stalin und Harry Truman beschließen unter anderem die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen. In den jeweiligen Zonen erhalten die Siegermächte Handlungsfreiheit – sie müssen sich nicht mit den anderen Alliierten absprechen und können eigenständige – und oftmals gegensätzliche – Politik betreiben.

Natürlich berichtet die internationale Presse über die Konferenz – und zwar aus den ehemaligen Ufa-Studios in Potsdam-Babelsberg. Hier wurden bis kurz vor Einmarsch der sowjetischen Truppen im April 1945 noch Filme gedreht. Nach der Kapitulation der Wehrmacht untersagen die Alliierten jegliche Filmproduktion und beschlagnahmen das Vermögen der nationalsozialistischen Ufa-Film GmbH (UFI). Die Filmstudios allerdings sind nahezu unzerstört und eignen sich deshalb als Pressezentrum für die Potsdamer Konferenz.

Filmaktiv, DEFA, proletarische Kunst: Filmproduktion in der sowjetischen Zone

Auch Berlin wird in vier Zonen aufgeteilt. In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) erlaubt der Stadtkommandant von Berlin, Nikolai Erastowitsch Bersarin, die Öffnung von Kinos und Theatern bereits am 28. April, also noch bevor die Kapitulation unterschrieben war.

Film spielt in der Sowjetunion und damit auch in den von ihr kontrollierten Gebieten eine wichtige politische Rolle. Er gilt als Massenmedium und proletarische Kunst par excellence – als Mittel der politischen Propaganda, der Mobilisierung und der (Um-)Erziehung.

Schon im Juni 1945 wird in Berlin der erste sowjetische Spielfilm synchronisiert: Ivan der Schreckliche von Sergej Eisenstein. Einen Monat später folgt die Premiere des sowjetischen Dokumentarfilms Die Befreiung von Berlin von Juli Raisman, der anhand von Originalaufnahmen sowjetischer Frontkameraleute die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs aus Perspektive der Roten Armee zeigt.

Im Herbst ruft die sowjetische Militäradministration (SMA) deutsche Filmschaffende auf, sich am Wiederaufbau der Filmproduktion zu beteiligen. Ende 1945 gründet sich darauf die deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft „Filmaktiv“. Ihr Ziel ist es, in Deutschland ein neues und dezidiert antifaschistischen Filmunternehmen zu etablieren. Gut ein Jahr nach Ende des Krieges, am 17. Mai 1946, wird die Deutsche Film AG (kurz: DEFA) in Potsdam-Babelsberg gegründet.

Die DEFA ist zunächst als Filmgesellschaft für ganz Deutschland gedacht, bleibt aber die Filmgesellschaft für die sowjetische Besatzungszone. Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wird die DEFA schrittweise verstaatlicht und ist schließlich das einzige Filmunternehmen Ostdeutschlands.

Die DEFA synchronisiert ausländische Produktionen, produziert Spiel- und Dokumentarfilme sowie die Kino-Nachrichtensendung Der Augenzeuge.

In der SBZ bei der DEFA kontrollierten die Militäradministration und der sowjetische Filmverleih Sovexport Filmprojekte und übten Zensur aus. Filmvorhaben, Drehbücher und fertige Filme mussten alle einzeln genehmigt werden. Bis 1947 gab es in der SBZ verhältnismäßig wenig politische Einflussnahme – die sogenannte Leningrader Gruppe aus Ex-Emigrant*innen war liberal eingestellt. In den frühen DEFA Filmen spielt der Realsozialismus deshalb nur eine untergeordnete Rolle.

 

Die Mörder sind unter uns von Wolfgang Staudte ist der erste, nach dem Krieg gedrehte deutsche Spielfilm – heute gilt er als Klassiker des deutschen Kinos und einer der bedeutendsten Filme seiner Zeit.

Die Handlung folgt der Fotografin und KZ-Überlebenden Susanne (Hildegard Knef), die nach dem Krieg im zerstörten Berlin auf den ehemaligen Militärarzt Hans (E. W. Borchert) trifft. Während Susanne und Hans versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen, stellen sie immer wieder fest, dass die Vergangenheit keineswegs hinter ihnen liegt und nationalsozialistische Ideologie und Täterschaft in der Gesellschaft weiterhin präsent sind. Der Film erhält auch international Aufmerksamkeit: Es gibt Premieren in Paris, Moskau, London und New York. Hauptdarstellerin Hildegard Knef wird zum Star.

Rundfunk statt Film und Hollywood in zwischen Trümmern: Film in den Westzonen

Produziert wird Die Mörder sind unter uns in der sowjetischen Zone, denn die US-amerikanischen Behörden hatten das Vorhaben abgelehnt. Die westlichen Alliierten, allen voran die USA, stehen der deutschen Filmproduktion nach dem Krieg erst einmal kritisch gegenüber. Der Großteil der deutschen Filmschaffenden, die nach der Machtübertragung an die NSDAP in Deutschland geblieben waren, hatten mit dem NS-Regime kollaboriert oder waren sogar in die Partei eingetreten.

Schwarz-weiß Fotografie: Zwei Personen, eine in Militäruniform und mit Gehstock.
Erich Pommer (Beauftragter für das gesamte Filmwesen der US-Zone), Mr. Winston (Chef der Wochenschau "Welt im Bild") (v.l.n.r.) DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V..

All jene, die im nationalsozialistischen Deutschland geblieben waren, benötigen für die Filmproduktion, das Mitwirken an einem Film oder für die Eröffnung eines Kinos eine Lizenz von der jeweiligen Besatzungsbehörde. Die Westalliierten halten sich mit solchen Lizenzen zurück, setzen stattdessen auf Umerziehung durch ihre eigenen Filme und konzentrieren sich außerdem auf den Aufbau demokratischer Strukturen in Rundfunk und Presse.

Die im Nationalsozialismus zentralisierte und ausgebaute ufa lösen die westlichen Alliierten auf. Es entstehen zahlreiche kleine, miteinander konkurrierende Produktionsfirmen. Die Konkurrenz zwischen diesen Firmen soll die Konzentration von Macht und Einfluss sowie eine erneuet Gleichschaltung verhindern.

In den Westzonen untersteht die Filmproduktion der jeweiligen Militäradministration. Diese arbeiten bis zur Gründung der Trizone im Jahr 1949 getrennt, allerdings orientieren sich Großbritannien und Frankreich am Vorgehen der USA. Die Westalliierten setzen beim Film bevorzugt deutsche Emigranten ein. So wird beispielsweise der 1933 in die USA emigrierte Produzent Erich Pommer im Sommer 1946 zum ranghöchsten amerikanischen Filmoffizier ernannt.

Neben der berechtigten Skepsis gegenüber deutschen Filmschaffenden, wollen die USA außerdem Konkurrenz zu ihren eigenen Filmen verhindern. Für Hollywood-Studios ist ein Filmdreh in Europa vorteilhaft, da Vermögenswerte teilweise eingefroren sind, was bedeutet, dass Geld nur in Europa und dort z. B. innerhalb Deutschlands ausgegeben werden darf. Während die Lizensierungsverfahren für deutsche Filme oft langwierig sind, drehen Regisseure wie Billy Wilder, Jaques Tourneur (Berlin Express) und Howard Hawks (Ich war eine amerikanische Kriegsbraut) in Deutschland.

Billy Wilder war direkt 1933 nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten in die USA emigriert und hatte dort als Regisseur Fuß fassen können. Nach dem Krieg spricht er sich für eine Umerziehung der Deutschen durch Unterhaltung aus. Beispielhaft dafür ist Eine auswärtige Affäre mit Marlene Dieterich, John Lund und Jean Arthur. Der Film kommt als Komödie daher, thematisiert aber gleichzeitig den Umgang mit NS-Kollaborateur*innen, die schleppende Entnazifizierung und die Not der deutschen Bevölkerung, der von vielen vor Ort stationierten Soldaten ausgenutzt wird.

Marlene Dietrich spielt eine Nachtclub-Sängerin, die im Nationalsozialismus mit der Naziführung kollaboriert hatte. Dietrichs Kostüme im Film sind die gleichen, die sie während des Krieges bei der USO, der US-amerikanischen Truppen-Unterhaltung, getragen. Die Dreharbeiten finden trotz der amerikanischen Produktion übrigens größtenteils in der sowjetischen Zone Berlins statt. In den USA kommt der Film 1948 ins Kino – in Deutschland ist er zunächst gar nicht zu sehen und läuft erst 1977 in der Bundesrepublik im Fernsehen.

Filmstudios wie jene in Berlin-Tempelhof oder in München-Gieselgastieg nutzen die Alliierten zunächst für eigene Produktionen. Deutsche Filmschaffende drehen improvisiert und mobil unter freiem Himmel. Ab 1947 stehen die Studios dann auch ihnen wieder zur Verfügung. Ab diesem Zeitpunkt zeichnet sich der Weg ab, den der deutsche Film in der Bundesrepublik einschlagen wird: Es ist die Rückkehr ins Studio, zum kontrollierten, technisch ausgeklügelten Studiofilm, wie er im Nationalsozialismus perfektioniert worden war. Es ist seichte Unterhaltung und gepflegtes Vergessen. 

Viele Filmschaffende arbeiten sowohl für die DEFA als auch für Produktionen der westlichen Alliierten. Einige Regisseure leben in der Westzone aber arbeiten in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Im Rahmen des Filmaustauschs werden in der SBZ produzierte Filme in den Westzonen gezeigt und andersherum. Die Mörder sind unter uns beispielsweise feiert in drei unterschiedlichen Besatzungszonen Premiere. Filmproduktion und Filmvorführung sind bis 1949 also vornehmlich bürokratisch und ideologisch voneinander getrennt.

Keine Stunde Null

Insbesondere bei der DEFA finden auch kurz nach dem Krieg jene eine Beschäftigung, die bereits im Nationalsozialismus beim Film gearbeitet hatten. Nur wer sich im Nationalsozialismus offen kompromittiert hatte, wird mit einem Arbeitsverbot belegt.

Im Laufe der Jahre wird die politische Zuverlässigkeit auch von den britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden immer großzügiger ausgelegt. Denn nahezu alle Regisseur*innen, Autor*innen, Darsteller*innen, Kameraleute und Techniker*innen die nicht emigriert waren, hatten auch für nationalsozialistische Filmproduktionen gearbeitet.

Vor allem unter Erich Pommer wird die US-amerikanische Filmpolitik weniger restriktiv. Regisseure wie Josef von Báky oder Harald Braun, die im Nationalsozialismus Karriere gemacht hatten, drehen im Nachkriegsdeutschland wieder erfolgreich Filme. Vor der Kamera sind zum Beispiel Heinz Rühmann, Otto Gebühr und Hans Albers weiter aktiv. Und auch Regisseur*innen wie Veit Harlan, Karl Ritter oder Géza von Cziffra, die bei nationalsozialistische Propagandafilme Regie geführt hatten, drehen spätestens ab den 1950er-Jahren wieder Filme.

Im deutschen Film, wie in der Politik und in den Köpfen der Menschen gibt es also keine Stunde Null, keinen Bruch und keinen Neuanfang. Sogenannte Überläuferfilme, die im Nationalsozialismus produziert und später in Nachkriegsdeutschland aufgeführt werden, wie zum Beispiel Via Mala (Josef von Báky) oder Unter den Brücken (Helmut Käutner) stellen buchstäblich eine Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Nachkriegsdeutschland dar. Selbst der filmische Werdegang von Nachkriegsregisseuren wie Wolfgang Staudte war komplex – er war 1933 zwar mit einem Arbeitsverbot belegt worden, hatte dann aber Werbe- und Spielfilme gedreht und war als Darsteller in Veit Harlans Jud Süß aufgetreten.

 

Trümmerfilme, Heimatfilme, Schlussstrich

Für Filme wie Die Mörder sind unter uns oder Ehe im Schatten (Kurt Maetzig) etabliert sich der Begriff des Trümmerfilms. Heute neutral bis positiv besetzt, ist die Bezeichnung damals abwertend gemeint. Die Filme werden zunächst zwar von der Kritik gefeiert, stehen aber schon bald im Gegensatz zu „echter“ Unterhaltung – vor allem, weil sie sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen. Die Kritik am Trümmerfilm ist damit Ausdruck der sich schon damals etablierenden Forderung nach einem Schlussstrich, ein „Jetzt ist aber auch mal genug“ in filmischer Form. Passend dazu dominieren übrigens Filme aus Hollywood und des britischen Produzenten Arthur Rank den Markt im Nachkriegsdeutschland – bis Ende 1949 machen sie bis zu 90 Prozent aller Vorführungen in deutschen Kinos aus.

Nach der Währungsunion im Jahr 1948 steht die bundesdeutsche Filmproduktion vermehrt unter dem Druck, Menschen ins Kino zu locken. Der Anspruch, einen neuen, demokratischen, politischen Film gegen das Vergessen zu etablieren, entspricht allerdings weder den Wünschen des Publikums noch denen der Filmpresse. Während der Film in der sowjetischen Besatzungszone zunehmend politischer Kontrolle unterworfen wird, etabliert sich in der künftigen Bundesrepublik der Unterhaltungs- und Heimatfilm. Auch wenn dieser nicht so komplett apolitisch ist, wie lange Zeit angenommen wurde, kann von der demokratischen Erneuerung des Kinos keine Rede sein. 

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