Collection article | Conference paper | Konferenzbeitrag | Sammelwerksbeitrag

Nachhaltigkeit in der Raumentwicklung: wirksame Steuerung in einem vermachteten Umfeld?

"Die Steuerung räumlicher Entwicklung ist nicht nur ein bedeutendes Feld von Nachhaltigkeitszielen, sondern kann aus mehreren Gründen dienen, um zentrale institutionelle Voraussetzungen für Wandlungsprozesse zu untersuchen: So sind die Raumordnungspolitik und Raumplanung - das institutionelle Rückrat der politischen Steuerung räumlicher Entwicklungen - als Teil der funktionalen Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften entstanden, um im begrenzten Staatsgebiet die gesellschaftlichen Wachstumsdynamiken zu regulieren und zu steuern. Sie sind also grundsätzlich integrativ angelegt. Die empirische Auseinandersetzung mit diesen Institutionen war in der deutschen Theoriebildung zudem eine der wichtigen Quellen für die Steuerungstheorie und den Steuerungsskeptizismus. Eine Untersuchung der (deutschen) Raumentwicklungspolitik und zentraler räumlicher Dynamiken lässt zwei zentrale Entwicklungslinien erkennen, die auch für Nachhaltigkeitsstrategien eine entscheidende Ausgangsbedingung darstellen: Erstens haben die Instrumente der Raumentwicklungssteuerung die Dynamik wirtschaftlicher, infrastruktureller und siedlungsräumlicher Entwicklungen zu keinem Zeitpunkt gebremst, sondern nur moderiert. Obwohl sie auch entstanden sind, um naturräumliche Funktionen zu sichern, hat ihre Entwicklungsfunktion gegenüber der Regulierungsfunktion regelmäßig ein Übergewicht gehabt. Zweitens wurden und werden die Form und die Entwicklungsrichtung der Raumnutzung seit dem Beginn der Industrialisierung in erheblichem Maße von ökonomischen Kalkülen bestimmt, die den Raum zu einer Ressource unter anderen machen, deren Nutzung Rentabilitätskriterien unterliegt und gleichzeitig als spatial fix zukünftigen Veränderungen entgegensteht. Diese Dynamik wirkt trotz gewachsener ökologischer Gefährdungen weiterhin fort. Die Internationalisierung und Globalisierung des Wettbewerbsdrucks hat die Bereitschaft, der ökonomischen Restrukturierung Priorität einzuräumen, sogar weiter erhöht. Im Rahmen eines emergenten Entwicklungsprozesses führen die bestehenden Machtstrukturen damit auch in Hinblick auf die ökologischen Qualitäten von Räumen kontinuierlich zu einer Degradierung. Gleichzeitig lassen sich aber drei Prozesse erkennen, die aus der inkrementellen Ausdifferenzierung des politisch-institutionellen Systems resultieren und verschiedene Steuerungsinstrumente hervorgebracht haben, die sich bei der Regulierung von räumlicher Entwicklung als wirksam erwiesen haben: die fachliche Professionalisierung, die zur Bildung von Regulierungsfunktionen in spezialisierten Behörden führte, die kontinuierliche Verlagerung von Regulierungspotentialen auf höhere Ebenen im staatlichen Mehrebenensystem, die Stärkung prozeduraler Partizipation, die über die Einbeziehung organisationsschwacher Gruppen eine Pluralisierung der zu berücksichtigenden Interessen begünstigt. Um Nachhaltigkeit gerichtet entwickeln zu können, bietet es sich also an, bei der Entwicklung wirksamer Steuerungsinstrumente gezielt an diese Trends und Mechanismen anzuknüpfen. Sie wirken in erster Linie auf eine Begrenzung der Durchsetzungsfähigkeit ressourcenstarker Akteure und Akteursbündnisse zugunsten einer Pluralisierung von Aushandlungsprozessen. Steuerung und Nachhaltigkeitsorientierung würden an ein prozedural angelegtes Verständnis von Nachhaltigkeit anschließen, bei dem allerdings eine ökologische Schwerpunktsetzung des Leitbildes nicht von vornherein normativ unterstellt werden könnte, sondern sich im Dialog mit ökonomischen und sozialen Interessen an der Raumnutzung erst durchsetzen müsste - allerdings gestützt auf wirksame inhaltliche und prozedurale Regulierungen. Im Rahmen diese prozeduralen Verständnisses von Wandel kann davon ausgegangen werden, dass Wandel sich erzielen lässt - allerdings nur in begrenztem Umfang gerichtet und in Abhängigkeit von der Lernbereitschaft von Akteuren mit divergenten Interessen." (Autorenreferat)

Nachhaltigkeit in der Raumentwicklung: wirksame Steuerung in einem vermachteten Umfeld?

Urheber*in: Osthorst, Winfried

Free access - no reuse

0
/
0

Alternative title
Sustainability in spatial planning: effective control in a bequeathed environment?
ISBN
978-3-593-38440-5
Extent
Seite(n): 2783-2789
Language
Deutsch
Notes
Status: Veröffentlichungsversion; begutachtet
33. Kongress "Die Natur der Gesellschaft". Kassel, 2006

Bibliographic citation
Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2

Subject
Städtebau, Raumplanung, Landschaftsgestaltung
Ökologie
Ökologie und Umwelt
Raumplanung und Regionalforschung
Theorie
Bundesrepublik Deutschland
Internationalisierung
Globalisierung
Entwicklung
Infrastruktur
Steuerung
nachhaltige Entwicklung
ökologische Folgen
Macht
Raum
ökonomische Faktoren
Raumplanung
Siedlungspolitik
Regulierung
Mehrebenensystem
sozialer Wandel
Nachhaltigkeit
Determinanten
regionale Entwicklung
Dokumentation
anwendungsorientiert

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Osthorst, Winfried
Event
Herstellung
(who)
Rehberg, Karl-Siegbert
Event
Veröffentlichung
(who)
Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Campus Verl.
(where)
Deutschland, Frankfurt am Main
(when)
2008

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-151613
Rights
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Last update
21.06.2024, 4:27 PM CEST

Data provider

This object is provided by:
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Sammelwerksbeitrag
  • Konferenzbeitrag

Associated

  • Osthorst, Winfried
  • Rehberg, Karl-Siegbert
  • Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
  • Campus Verl.

Time of origin

  • 2008

Other Objects (12)